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12.01.13 / Orientierungslos im Orient / Christen kämpfen um Koexistenz – Chaldäer wählen neues Oberhaupt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-13 vom 12. Januar 2013

Orientierungslos im Orient
Christen kämpfen um Koexistenz – Chaldäer wählen neues Oberhaupt

Drei große orientalische Kirchen haben 2012 ihre langjährigen Oberhirten verloren. Als erster starb in Ägypten im März Schenuda III., Patriarch der koptischen Christen, der in 40 Jahren Amtszeit den Kopten Standhaftigkeit und Selbstvertrauen zurückgegeben hatte. Wegen der politischen Wirren infolge der Regierungsübernahme durch die Muslimbruderschaft verzögerte sich die Wahl eines Nachfolgers mehrmals. Erst nach acht Monaten erhielt er im November einen Nachfolger: Tawadros II. Seit dem Umsturz im Januar 2011 hat die Gewalt gegen-über Christen in Ägypten stark zugenommen. Immer wieder gibt es religiöse Auseinandersetzungen, oft mit tödlichem Ausgang. Mehr als 100000 Kopten haben seitdem ihre Stammheimat am Nil verlassen. Die Erwartungen an Tawadros II. sind hoch. Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi von der Muslimbruderschaft hat zwar den Christen Schutz und Unterstützung versprochen, doch im Alltag stehen oft weder Polizei noch Richter für die Christen bereit, um sie zu schützen. Auch sein Wahlversprechen, einen Kopten zum Vizepräsidenten zu machen, hat er nicht eingelöst. Er hat dem neuen koptischen Patriarchen Tawadros II. bei ihrem ersten Treffen am 21. November gleiche Rechte für Christen zugesichert. Nur wenige Tage zuvor waren die Repräsentanten der christlichen Kirchen aus der Verfassungsversammlung ausgetreten, die am Ende einen Verfassungsentwurf verabschiedete, in dem die Scharia zur Grundlage der neuen Verfassung wurde und die Kopten zu Bürgern zweiter Klasse mit eng begrenzter Kultfreiheit degradiert werden.

Der Patriarch von Antiochien, Ignatios IV. Hazim (1920–2012), der Erneuerer des griechisch-orthodoxen Lebens im Nahen Osten, verstarb Anfang Dezember als Flüchtling im Libanon. Die wachsende Bedrohung seiner Gläubigen durch islamistische Aufständische gegen das Regime von Damaskus hat dem 92-Jährigen das Herz gebrochen. Mehrfach hatte er sich in seinen letzten Lebensmonaten vergeb-lich für ein Ende des Bürgerkriegs und für Frieden in Syrien eingesetzt. Der Leichnam des verstorbenen Patriarchen wurde nach dem Gottesdienst in Beirut nach Damaskus überführt, wo er in der griechisch-orthodoxen Kathedrale, in Nähe des Geschützfeuers der Konfliktparteien des syrischen Bürgerkrieges in der Patriarchengruft der Kathedrale beigesetzt wurde. Bereits nach einer Woche erhielt er einen Nachfolger: Johannes X. Yazigi, bisher als Diasporabischof in Paris auch für die deutschsprachigen Länder zuständig.

Noch vor Weih-nachten ist in Bagdad das geistliche Oberhaupt der noch immer stärksten christlichen Gemeinschaft im Lande, der Chaldäer, zurückgetreten: Der 85-jährige Patriarch von Babylon, Emmanuel III. Delly, hatte die Kirche ostaramäischer Tradition seit 2003 durch die schweren Zeiten von Terror und Vertreibung nach dem Sturz Saddam Husseins und der US-geführten Invasion geleitet. Sein Nachfolger soll am 28. Januar gewählt werden. Es ist ziemlich offen, wer Emmanuels schweres Erbe antreten wird. Der kritische Gesundheitszustand des christenfreundlichen irakischen Präsidenten Jalal Talabani, der in einer deutschen Klinik behandelt wird, hat die nicht gelöste Machtfrage im Irak zwischen Sunniten und Schiiten wieder aufkommen lassen. Nur im Norden des Irak, im autonomen Kurdengebiet, scheinen die letzten im Irak gebliebenen Christen eine Zukunft zu haben, dort wurde 2012 sogar erstmals eine christliche chaldäische Universität neu eröffnet.

Obwohl der Machtkampf in Syrien noch nicht beendet ist, gehören die noch etwa zwei Millionen syrischen Christen bereits zu den Verlierern. Im Jahre 2012 sind zwei ihrer historischen Zentren Homs und Aleppo ins Zentrum des Bürgerkrieges gerückt, viele Christen wurden vertrieben und getötet. In Syrien scheint, wie im Irak, eine Zersplitterung in drei Landesteile, einen sunnitischen, einen alawitischen und einen kurdischen Teil, unvermeidbar. Im Kampf um die territoriale Neugestaltung Syriens könnten die Christen, wie im Irak, zu den Verlierern gehören. Nur im Schutze eines nationalistischen aber säkularen kurdischen Staates in Nordsyrien könnten die assyrischen und armenischen Christen wie im Irak eine Zukunft haben. Auch in einem auf das Alawitengebirge reduzierten Alawitenstaat im Westen Syrien erhoffen sich die Christen eine Zukunft. Bodo Bost


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