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19.01.13 / »Made in Germany« zieht wieder / Produktionsverlagerung deutscher Unternehmen ins Ausland auf niedrigstem Stand seit fast 20 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-13 vom 19. Januar 2013

»Made in Germany« zieht wieder
Produktionsverlagerung deutscher Unternehmen ins Ausland auf niedrigstem Stand seit fast 20 Jahren

„Made in Germany“ ist nicht nur ein Gütesiegel besonderer Art, sondern auch ein Standortvorteil. Viele deutsche Unternehmen besinnen sich wieder darauf und verlegen ihre Produktion zurück ins Inland.

Der Produktionsstandort Deutschland liegt wieder im Trend. Die Verlagerung von Produktionen ins Ausland ist – erstaunlich genug – auf dem niedrigsten Stand seit Mitte der 90er Jahre angelangt. Dies besagt eine Studie, die das Fraunhofer-Institut und die Hochschule Karlsruhe im Auftrag des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) durchgeführt haben. VDI-Präsident Bruno O. Braun zum „Handelsblatt“: „Lediglich acht Prozent der Betriebe des deutschen Verarbeitenden Gewerbes haben von 2010 bis Mitte 2012 Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert. Das ist der niedrigste Wert seit 18 Jahren und er zeigt deutlich: Made in Germany schlägt Low Cost. Allerdings: Etwa ein Fünftel der deutschen Produktionskapazität ist nach wie vor im Ausland angesiedelt. Doch eines von vier Unternehmen, die ihre Produktion bereits verlagert hatten, kehrte schon heim. Im Vordergrund für Entscheidungen zum „Rück­marsch“ stehen Flexibilitätsverluste und Qualitätseinbußen.

Nach der EU ist China der bevorzugte Standort für industrielle „Auswanderer“. Gerade China aber bleibt heißes Terrain nicht nur für Menschenrechtler und Kirchen, sondern auch für Technologieführer: Selbst Volkswagen, Marktführer im chinesischen Pkw-Sektor, wurde Zielscheibe von Patentklau. Die Chinesen wollten frohgemut ein VW-Getriebe nachbauen, um zu den Wolfsburgern in Russland in Konkurrenz treten zu können. Missetäter soll dabei ausgerechnet das Changchuner Staatsunternehmen FAW sein, seit nahezu einem Vierteljahrhundert die Partnerfirma von VW. Der deutsche Partner soll vom chinesischen Joint-Venture-Partner ausspioniert und betrogen worden sein. Jörg Rudolph vom Ostasienzentrum der FH Ludwigshafen meinte dazu: „Für die Autobauer heißt das, dass man in China weiter daran interessiert ist, diese Techniken für sich abzugreifen. Daran wird sich sicher nichts ändern.“

Die Beweggründe für Direktinvestitionen in ausländischen Märkten sind vielgestaltig. Die Palette reicht von der Rohstoffversorgung über Lohnkostenvorteile bis zur Erschließung neuer Absatzmärkte – die Produktion inmitten des Absatzmarktes kann der letzte natürliche Schritt im Exportprozess sein. Daneben sind steuerliche Belange und auch staatliche Restriktionen und Reglementierungen ausschlaggebend, teils zwingend. Oft indes werden die Anlaufzeiten bis zur Inbetriebnahme einer ausländischen Produktionsstätte arg unterschätzt. Die Lieferantensuche vor Ort kann beschwerlich werden. Termine werden viel zu oft nicht eingehalten. Interkulturelle Probleme treten ungeahnt auf den Plan: Das Personal ist aus deutscher Sicht nicht selten illoyal, wozu auch häufige Krankmeldungen gezählt werden. Passende Fachkräfte fehlen oder wandern nach kurzer Zeit wieder ab. Die verlockenden Lohnvorteile können im Zuge der Weiterentwicklung einer Volkswirtschaft dann oft verflachen und die angestrebten Vorteile mehr als aufreiben.

Viele Unternehmen klagen auch darüber, im Ausland hergestellte Produkte an den deutschen Stammsitz zur qualitativ zufriedenstellenden „Endpolitur“ transportieren zu müssen, was unter anderem die Logistikkosten nach oben katapultiert. Und in Indien muss man die Straße zum Werksgelände oftmals mutterseelenallein selbst bauen, möchte man einen solchen „Luxus“ sein eigen nennen. Man benötigt zudem ausreichend erfahrene Manager vor Ort, die Anpassungsfähigkeit, kulturelle Sensibilität und Sprachkenntnisse aufweisen. Denn häufig rufen Fehlinterpretationen eines fremdkulturellen Verhaltens Pannen oder Missverständnisse hervor. Auslandsentsendungen und interkulturelle Schulungen und Coachings haben ihren Preis.

Hat der lutherbiblische Psalm „Bleibe im Lande und nähre Dich redlich?“ also noch Tragfähigkeit in Zeiten ungebremster Globalisierung? Faktum ist: Deutschland zählt nach einer 2012 veröffentlichten Studie der Schweizer Business School IMD als einziger Staat in Euro-Land zu den zehn wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften der Erde. Einmal abgesehen vom ewigen Klumpfuß „deutsches Steuersystem“ werden gut ausgebildete Beschäftigte, politische Beständigkeit und eine verlässliche Infrastruktur als Kronjuwelen des Standortes Deutschland gelobt, zudem auch die „starke Kultur in Forschung und Entwicklung, das hohe Bildungsniveau und die effektive Justiz“.

„Made in Germany“ hat offenbar auch in einer sich globalisierenden Welt eine glänzende Zukunft. Viele Unternehmen jedoch nutzen die Vorteile des markanten Gütesiegels, die sich aus ihrem deutschen Stammsitz und ihrer Herkunft ergeben, nicht genügend aus. Sichtbar auch an E-mail- und Webseiten-Kennungen, die auf „.eu“ enden, was in Fällen international gespreizter Firmen angehen mag, im Falle von Mittelständlern hingegen eher anbiedernd-modernistisch, wenn nicht lächerlich herüberweht. Deutsche Unternehmen sollten ihre deutschen, weltweit respektierten Gütecharakteristika herausstellen. Denn: Manch anderes der über 230 Exportländer in dieser Welt wäre für ein solches Alleinstellungsmerkmal hochdankbar. „Made in China“ reicht an diesen Klang noch lange nicht heran. Es ist somit gar nicht einzusehen, weswegen unsere Unternehmer ihren traditionellen Heimvorteil nicht nutzen sollten – desgleichen in der heimischen Produktion, die sich vom Güteanspruch her vor niemandem verstecken muss. Norbert J. Breuer


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