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19.01.13 / Kunstvoll wiedervereinigt / Das Deutsche Historische Museum Berlin gewährt Einblick ins »Atelier der Geschichte«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-13 vom 19. Januar 2013

Kunstvoll wiedervereinigt
Das Deutsche Historische Museum Berlin gewährt Einblick ins »Atelier der Geschichte«

Gemälde lassen Geschichte und Geschichten entstehen. Besonders wenn es sich um Historienbilder handelt, in denen gekrönte Häupter, Schlachten oder Jubelfeiern ihren Auftritt haben. Das 1987 gegründete Deutsche Historische Museum (DHM) zeigt noch bis zum 21. April seine Bildschätze.

Vor 25 Jahren wurde in West-Berlin das Deutsche Historische Museum ins Leben gerufen. Dabei gab es ein Ost-Berliner Pendant: Das von der DDR-Regierung unterhaltene Museum für Deutsche Geschichte. Dessen Sammlungen übertrug die Bundesregierung nach der Wiedervereinigung 1990 dem Deutschen Historischen Museum. Es will dem Publikum deutsche Geschichte im europäischen Kontext nahe bringen. Dazu kann es sich aus einem Fundus von rund 600000 Alltagsobjekten, Militaria, Dokumenten, Fotografien, Plakaten und Kunstwerken bedienen.

Gefeiert wird das Jubiläum mit einer Sonderausstellung, für die rund 100 Historiengemälde der letzten 600 Jahre aus der 2500 Malereien umfassenden muse­umseigenen Sammlung ausgewählt wurden. Nach den Worten von Dieter Vorsteher-Seiler, Direktor der Sammlungen des Museums, ist die Schau der Versuch, „ausschließlich anhand von Gemälden ein Gespräch über historische Ereignisse zu beginnen“. Es handele sich um ein Experiment mit der Frage: „Können 100 Gemälde diesen Dialog über Geschichte leisten?“ Die Antwort von Alexander Koch, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum, fällt ernüchternd aus: „Für ein historisches Museum im 21. Jahrhundert ist dies zu verneinen. Die Erwartung an eine Darstellung von Geschichte ist heute viel zu komplex, als dass man sie allein mit Gemälden erfüllen könnte.“

Die Schau strebt daher eine von den Gemälden zu bewerkstelligende fortlaufende Geschichtserzählung gar nicht erst an. Vielmehr gruppiert sie Bilder in loser Folge zu Themen ihrer Zeit. Dabei ist zu beachten, dass sie Konstruktionen von Geschichte sind. Die Bilder lassen „Geschichte und Geschichten in unseren Köpfen entstehen, befriedigen unsere Schaulust, regen zum Nachdenken an, bedürfen aber stets der kritischen Ausei­nandersetzung, der Interpretation, der Einordnung, der Wertung“, so Koch. Vorsteher-Seiler ergänzt: „Gemälde sind im engeren Sinne keine Quellen, die uns erzählen, wie es wirklich war, sondern sie sind ausgearbeitete Standpunkte der Maler oder ihrer Auftraggeber.“

Der Auftakt der Schau mag erstaunen: Warum blickt da auf dem ersten Gemälde ausgerechnet Napoleon als Kaiser der Franzosen über uns hinweg? Nun, das von François Gérard geschaffene Werk „Napoleon I. im Krönungsornat“ (um 1805) war die erste Erwerbung des Deutschen Historischen Museums. Danach geht es chronologisch weiter. Wir begegnen Bernhard Strigels Bild „Maximilian I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, im Krönungsornat“ (1496). Es handelt sich um die früheste Version eines Staatsporträts und wurde stilbildend für Herrscherdarstellungen. Nicht weit entfernt hängt das Gemälde (nach 1537) eines anonymen Meisters, das Christus als Herrscher der Welt zeigt. Christus ist auf der Höhe der Zeit. Er hält einen Globus in der Linken, der die neuesten Entdeckungen verzeichnet: Südamerika und die Antarktis.

Zahlreich vertreten sind repräsentative Porträts, die weltliche und geistliche Herrscher, erfolgreiche Kaufleute, bedeutende Gelehrte und siegreiche Generale „verewigen“. Zu ihnen gesellen sich Allegorien, die etwa die „Germania“ als Verkörperung der deutschen Nation zeigen. Beim Rest handelt es sich vor allem um Ereignisbilder. Das Gemälde „Am Morgen nach der Schlacht von Waterloo am 19. Juni 1815“, um 1816 von John Heaviside Clark und Matthew Dubourg gemalt, zeigt nüchtern die Schrecken des Krieges: Zwischen Toten und Verwundeten sind Leichenfledderer und verzweifelte Frauen mit ihren Kindern unterwegs. Carl Wilhelm Hübner prangert mit seinem Gemälde „Die schlesischen Weber“ (1846) soziales Elend an. Auf das Kriegselend zielt das Alfred Hack­länder zugeschriebene Bild „Flüchtlingsgruppe im Winter 1944/45“ ab.

Das letzte Gemälde stammt von Matthias Koeppel und ist überwiegend heiter: „... und alles wird wieder gut. Der 3. Oktober ’90 vor der Neuen Wache“ (1991). Menschenmassen feiern „Unter den Linden“ die Wiedervereinigung. Ein Männerchor stimmt die Nationalhymne an und Fähnchen in Schwarz-Rot-Gold haben Hochkonjunktur. Da das Deutsche Historische Museum unweit der Neuen Wache liegt und Gründungsdirektor Christoph Stölzl damals kräftig mitgefeiert hat, ließ er sich nachträglich in das bereits fertige Bild hineinmalen.

Veit-Mario Thiede

Bis 21. April 2013 im Deutschen Historischen Museum, Ausstellungshalle, Hinter dem Gießhaus 3, Berlin. Täglich 10–18 Uhr. Telefon (030) 20304, Internet: www.dhm.de. Das Begleitbuch aus dem Sandstein Verlag kostet im Museum 29,90 Euro.


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