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19.01.13 / Der Preuße am Potomac / Der gebürtige Essener Fritz Kraemer gehört zu den einflussreichsten Akteuren des Kalten Krieges – und zu den unbekanntesten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-13 vom 19. Januar 2013

Der Preuße am Potomac
Der gebürtige Essener Fritz Kraemer gehört zu den einflussreichsten Akteuren des Kalten Krieges – und zu den unbekanntesten

Selbst gute Kenner der US-amerikanischen Außenpolitik kennen oft nicht den 1908 in Essen geborenen Fritz Kraemer. Dies ist erstaunlich, denn der bekennende Preuße war 30 Jahre lang, von 1948 bis zu seiner Pensionierung 1978, als Strategieberater im US-Verteidigungsministerium einer der prägenden Akteure der US-amerikanischen Außenpolitik. Der perfekt fünfsprachige Geostratege mit Doktortiteln in Jura und Politikwissenschaften war der „Entdecker“ der späteren Außenminister Henry Kissinger und Alexander Haig. Unübersehbar groß ist die Zahl der Generäle, Sicherheitsexperten und Diplomaten, die Kraemer in jungen Jahren entdeckt und danach geduldig gefördert und geprägt hat. Bis in die 90er Jahre hinein übte der 2003 verstorbene Kraemer durch sie Einfluss auf die Außenpolitik der USA aus.

Kraemer verstand sich zeitlebens als Preuße, war und blieb ein Bewunderer Otto von Bismarcks und sogar ein Anhänger Wilhelms II. Zu seinen Markenzeichen gehörten dreiteilige Anzüge, ein Monokel und ein altmodischer Spazierstock, womit er für Amerikaner aussah wie aus einem alten Film. Wie eine solche Figur es schaffen konnte, zu einem der einflussreichsten Akteure der US-Politik im Kalten Krieg zu werden, der selbstverständlich Zugang zu den größten Staatsgeheimnissen hatte, gehört zu den unerzählten Anekdoten der neuesten Geschichte.

Kraemers Eltern waren in jungen Jahren vom Judentum zum Protestantismus konvertiert und wurden nach 1933 verfolgt – den Nationalsozialisten war der Taufschein egal. Sein Vater starb in Theresienstadt, seine Mutter überlebte das Dritte Reich wie durch ein Wunder in Freiheit. Der junge Kraemer selbst emigrierte zunächst nach Italien und erwarb dort 1934 mit erst 25 Jahren seinen zweiten Doktorhut. Angesichts des für ihn gefährlichen Ausgleichs zwischen Adolf Hitler und Benito Mussolini setzte er sich später in die USA ab. Nach harten Jahren als Landarbeiter wurde er 1944 zum Militär eingezogen, erhielt dadurch die US-Staatsbürgerschaft und seine verblüffende Karriere als Strategieberater begann.

Kraemer war ein Asket, der mit jeder Faser für die Idee der Freiheit lebte. Ehre, Patriotismus, der Glaube an Gott sowie persönliche Unabhängigkeit waren Schlüsselbegriffe seines Denkens. Er war der festen Überzeugung, dass man Diktatoren frühzeitig und hart entgegentreten müsse, „provozierende Schwäche“ und alle Anwandlungen „bourgeoiser“ Weichheit verachtete er als Dekadenz. Wenn die Demokratie auf Dauer bestehen wolle, so Kraemer, dann brauche sie nichts so sehr wie eine willensstarke Elite, die von der Richtigkeit, ja Absolutheit ihrer Werte überzeugt ist. Mit diesen Ideen, die Kraemer brillant formulieren und elegant bis in das Denken griechischer Philosophen und Strategen zurückverfolgen konnte, wurde er zum unumstrittenen Vorbild, ja zum „godfather“ der neokonservativen Bewegung in den USA.

Allein schon deswegen verblüfft, dass Fritz Kraemer so wenig bekannt ist. Die Erklärung dafür liegt in seiner Person. Kraemer lebte nach dem preußischen Prinzip „mehr sein als scheinen“. Mehrfach lehnte er Beförderungen ab, um politisch unabhängig zu bleiben. Er hielt zwar viele Vorträge, teilweise auch vor mehreren Hundert Zuhörern, doch zur Veröffentlichung waren sie allesamt nicht bestimmt. Nach seinen Doktorarbeiten schrieb er kein Buch mehr, und kaum eines seiner vielen Papiere zur sicherheitspolitischen Lage in fast jedem Teil der Welt wurde je publiziert. Überhaupt bevorzugte er das persönliche Gespräch – am liebsten unter vier Augen –, um als „Missionar“ (Kraemer über Kraemer) für seine Überzeugungen zu werben.

Aus diesen Gründen ist der Preuße Fritz Kraemer gemessen an seinem Einfluss vielleicht der am wenigsten bekannten Akteur des Kalten Krieges geblieben. Einer der von ihm früh Geförderten, der Geostratege Hubertus Hoffmann, hat seinem großen Vorbild nun mit einem fast 400-seitigen Buch ein Denkmal gesetzt. Als Ko-Autoren haben Persönlichkeiten wie Henry Kissinger, Donald Rumsfeld und Alexander Haig, aber auch der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, zu dem Buch beigetragen. Es wäre zu wünschen, dass es bald auch in deutscher Sprache erscheint, um den „Preußen am Potomac“ Fritz Kraemer auch in seiner Geburtsheimat bekannter zu machen. Konrad Badenheuer

Hubertus Hoffmann: „True Keeper of the Holy Flame – The Legacy of Pentagon Strategist and Mentor Fritz Kraemer“, Verlag Inspiration Un Limited, Berlin/London 2012, 384 Seiten, 24,90 Euro


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