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19.01.13 / Der Kampf der Schwarzhäupter / Die deutschstämmige Bruderschaft will ihr angestammtes Haus in Tallinn zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-13 vom 19. Januar 2013

Der Kampf der Schwarzhäupter
Die deutschstämmige Bruderschaft will ihr angestammtes Haus in Tallinn zurück

Seit dem 12. Jahrhundert hatten deutsche Missionare, Ritter und Kaufleute das Baltikum, die letzte heidnische Region Europas, missioniert. Der von ihnen gegründete deutsche Ordensstaat im Baltikum war im Mittelalter eine Großmacht. Grundlage des Erfolgsmodells dieses Staates war eine erfolgreiche Verquickung von religiösem, wirtschaftlichem und militärischem Handeln in Gilden und Bruderschaften von Kaufleuten und Handwerkern, die im Zeitalter der Hanse ihre größte Blüte erreichten.

Nordöstlichster Punkt dieses mächtigen Städtebundes war Reval, das heutige Tallinn. Reval hatte eine Schlüsselstellung für den Handel des Westens mit Russland und weiter Richtung Osten inne. Die Stadt erhielt als Teil des „Livländischen Drittels“ der Hanse 1346 zusammen mit Riga und Pernau das Stapelrecht, das alle mit Russland Handel treibenden Kaufleute dazu verpflichtete, eine der drei Städte anzulaufen und für einen Zeitraum von drei bis acht Tagen ihre Waren auf den Märkten dieser Städte anzubieten. Estlands Hauptstadt Tallinn hat zumindest äußerlich das Bild einer deutsch geprägten Hansestadt bis heute bewahrt.

Die Bruderschaft der Schwarzhäupter entstand in Reval 1399, sie hatte großen Anteil an der Stadtgeschichte des alten Reval. Sie vereinigte junge, unverheiratete Kaufleute, bevor diese in die Große Gilde aufgenommen werden konnten, ebenso ausländische Kaufleute, die sich über längere Zeiträume in der Stadt aufhielten. Die „Bruderschaft der Schwarzenhäupter aus Reval“ ist eine der ältesten bestehenden Bürgervereinigungen in Europa. Die russischen Zaren Peter I., Paul und Alexander I. waren Ehrenmitglieder der Bruderschaft. Der offizielle Name „Schwarzenhäupter“ wurde in der Umgangssprache zu „Schwarzhäupter“ verkürzt. Benannt sind die Schwarzhäupter nach dem aus Ägypten stammenden Bruderschaftsheiligen Mauritius, der oft als „Mohr“ dargestellt wird. Die heute noch 32 Mitglieder der Bruderschaft zwischen 27 und 95 Jahren tragen immer noch das Abzeichen mit dem Kopf des schwarzen Märtyrers am Revers. Er ziert auch die Eingangstür ihres Stammsitzes in Tallinn. Die Bruderschaft, die in ihren Glanzzeiten in Estland mehrere Hundert Niederlassungen zählte, diente gesellschaftlichen, religiösen und sozialen Zwecken, bei Bedarf kamen auch militärische hinzu.

Ihr Haus in der Revaler Langstraße (heute Pikkstraße), in dem seit 1407 die Zusammenkünfte und die geselligen Veranstaltungen stattfanden, kaufte die Bruderschaft 1531. Während der durch den Hitler-Stalin-Pakt erzwungenen Umsiedlung der Deutsch-Balten 1939/40 weigerte sich die Bruderschaft, ihr Haus zu verkaufen, obwohl eine Mehrheit ihrer Mitglieder in den besetzten Warthegau in Polen umgesiedelt wurde. Auf diese Weigerung stüzt die Bruderschaft heute ihren Besitzanspruch. Nach dem gewaltsamen Ende der Republik Estland durch den Einmarsch der Roten Armee 1940 wurde das Schwarzenhäupterhaus von den Sowjets zwangsenteignet.

Eine organisatorische Wiedereinrichtung der Bruderschaft war auch im Dritten Reich verboten. Trotzdem setzten die Schwarzhäupter in ihrer Zwischenheimat in Posen, aber auch zeitweise im deutsch besetzten Reval ihre heimlichen Zusammenkünfte weiter fort. Das Schwarzenhäupterhaus in Reval hat den Krieg unbeschadet überstanden. In den Kriegs- und Nachkriegsjahren hatten sich die Brüder über die ganze Welt verstreut. Nachdem sich die politischen Verhältnisse stabilisiert hatten, wurde die Bruderschaft der Schwarzenhäupter aus Reval nach deutschem Vereinsrecht mit Sitz in der alten Hansestadt Hamburg eingetragen. Seit der Wende 1991 nahm die Bruderschaft erstmals Esten auf – und ist seitdem wieder in Tallinn ansässig.

Die Schwarzhäupter konnten nach der zweiten estnischen Unabhängigkeit ihr nachweislich 1531 erworbenes Stammhaus erfolgreich vor Gericht zurück-fordern. Ein estnisches Gericht erkannte die Rechtsnachfolge der heutigen Schwarzhäupter an. Trotz Flucht und Neugründung habe die Bruderschaft kontinuierlich weiterbestanden, auch wenn sie zuletzt keine nennenswerte Aktivität in Estland gezeigt habe. Als letzte mittelalterliche Vereinigung Estlands konnte die Bruderschaft ihr Stammhaus inzwischen zur Hälfte zurückerwerben und teilt es mit der estnischen Philharmonie, die die andere Hälfte nutzt. Der Bau wird jedoch nicht nur als Veranstaltungsort für Konzerte und Ausstellungen genutzt, sondern auch für Staatsempfänge. Nur die Stadt Tallinn unter Bürgermeister Edgar Savisaar zweifelte die Rechtsnachfolge der in Deutschland organisierten Schwarzhäupter an und zog gegen die Rückgabe des gesamten Gebäudes vor Gericht, wo sie sich gegen die bereits zweimal von der estnischen Regierung beschlossene Rückgabe des Hauses wehrt.

Für den „Erkorenen Ältesten“ Ralph-Georg Tischer, den Vorsitzenden der Revaler Schwarzhäupter, der beruflich Vorsitzender der Deutsch-Schwedischen Handelskammer ist, schiebt die Stadt die Kultur nur vor, um das Eigentum an diesem historischen Gebäude zu erlangen, sagte er einer Presse-agentur. Die Bruderschaft habe mehrfach Nutzungskonzepte vorgelegt, die das öffentliche Interesse berücksichtigten, doch bis heute habe man darauf keine Antwort von der Stadt erhalten, sagt Tischer. Mitte Dezember verwies nun ein Gericht den letzten Beschluss zur Rückübertragung zurück an die estnische Regierung. Diese habe nicht ausreichend deutlich gemacht, wie die Bruderschaft das Gebäude künftig nutzen wolle, befanden die Richter. Die Schwarzhäupter setzen nun auf die nächste Instanz und sehen dem Prozess zuversichtlich entgegen. Bodo Bost


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