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19.01.13 / Die Spaziergänger von Sanssouci / Eine Parkführung: Fern des Touristenrummels hat der Garten Friedrichs des Großen seine ruhigen Seiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-13 vom 19. Januar 2013

Die Spaziergänger von Sanssouci
Eine Parkführung: Fern des Touristenrummels hat der Garten Friedrichs des Großen seine ruhigen Seiten

An der Südseite des Sanssouci-Parks gilt eine andere Zeitrechnung. Während im Norden vor dem Schloss auch an kühlen Wintertagen geschäftiger Touristenbetrieb herrscht, atmet der Süden eine ländliche Entspanntheit. Eine unbekannte Seite Potsdams, die auch viel winterlichen Reiz hat.

Kleinfamilien mit modernen Kinderwagen und Studenten von der nahen Universität hinter dem Neuen Palais flanieren im südlichen Bereich von Park Sanssouci so gelassen und ge­mächlich, als seien sie an diesem Ort schon immer zu Hause. Auf dem ge­frorenen Ma­schi­nenteich mit den Rö­mischen Bädern als anmutiger Hin­ter­grundkulisse kann man Schlittschuhläufer beobachten. Jahreszeiten und Epochen fließen hier auf selbstverständliche Weise ineinander.

Wir laufen gerade gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Annette Paul einen „Lebensweg“ ab. Sie bietet private Führungen durch diesen romantisch geprägten Teil des Parks an, dessen Betreten nach wie vor keinen Eintritt kostet. Annette Pauls ausführliche Erläuterungen greifen die Geschichte eines früheren Gartendirektors der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten auf.

Der Lebensweg beginnt im Rosengarten, das verspielte Ornament steht für die Kindheit. Das dahinter liegende Schloss Charlottenhof steht als „festes Haus“ für die Erwachsenenzeit. Dessen Eingang lässt sich von der halbrunden Terrassenbank aus wie eine Theaterbühne betrachten. Bei geöffneten Türen schweift der Blick direkt nach Westen in die untergehende Sonne. Es folgt der Dichtergarten und dahinter wiederum, verkörpert durch das Skulpturenpaar „Schlaf und Tod“, das Elysium. „Die klaren Linien, die sich Schinkel und Lenné überlegt haben, sind einfach toll,“ schwärmt Annette Paul. Daran, dass die stark wachsenden Platanen das Schloss einmal auf Kleinformat schrumpfen lassen, haben sie wohl nicht gedacht. Zwischendurch zeigt sie auf die Wurzeln der Sumpfzypressen. Sie erinnern daran, dass hier einmal Sumpflandschaft war.

Annette Paul gehört zu den vielseitigen Menschen, die diese Gegend schätzen und neu gestalten. Sie studierte Kunst, Schauspiel und Restaurierung in Dresden, ehe sie vor sieben Jahren mit ihrem „Westmann“, wie sie ihn bezeichnet, und zwei Töchtern in die südlich an den Park grenzende Brandenburger Vorstadt zog. In einem Eckhaus an der Carl-von-Ossietzky-Straße, die eine der kinderreichsten Straßen Deutschlands sein soll, eröffnete sie das „Atelier Gülden“. Hinter den großen Fenstern mit schnörkeliger Goldschrift veranstaltet sie eigene Kunstausstellungen, zurzeit sind ihre Entwürfe für ein Kinderbuch über Park Sanssouci zu sehen. Außerdem führt sie als Schlossdame „Editha“ durch Schloss Sanssouci. „Ich liebe diese Pracht. Schade, dass in den Schlössern keine Kerzen mehr angezündet werden dürfen“, sagt sie. Paul trägt den Zauber weiter. An dem Potsdamer Landtagsneubau wird einmal ihr Kunstobjekt, die Inschrift „Ceci n’est pas un château“ hängen. In ihrem Veranstaltungsangebot „Cultureuse Pompeuse“ bietet sie recht opulente „Mustermutti“-Schultüten und „Prinzessinnengeburtstage“ mit Schatzsuche im Park an.

In diesem Potsdamer Stadtteil, in der Gründerzeit als Beamtensiedlung angelegt, liegen die kleinen Vorgärten wohl geordnet, immer mehr der Jugendstilfassaden werden renoviert, und die Mieten steigen kontinuierlich. „Bald haben wir Münchner Verhältnisse hier“, sagt Annette Paul. In nur 20 beziehungsweise 30 Minuten sind die Berliner Zentren West und Ost mit der Bahn von der nahen Station „Charlottenhof“ aus erreichbar. Viele ökobewusste Bildungsbürger um die Vierzig wohnen hier. Zu ihren bevorzugten Restaurants gehört das aparte „Quendel“ mit regional gestalteter Küche gegenüber dem „Affengang“, dem schmalen Weg in die Parkanlagen an der Lennéstraße.

Eine ganz andere Atmosphäre entfaltet sich in der „Waschbar“ an der Geschwister-Scholl-Straße, einem Waschsalon mit integriertem Café im 70er-Jahre-Retro-Flair. Während drinnen die Waschmaschinen – alle mit Namen versehen – und draußen die Straßenbahnen rumpeln, bringt ein freundlicher Rocker Cappuccinos an die Tische junger Mütter, alter und junger Laptopnutzer und Zeitungsleser. Die Brandenburger Vorstadt bietet viele Szenerien. Hier, vor den Toren Sanssoucis, lebt auch die Autorin Christine Anlauff. In ihrer preisgekrönten, mit „Katzengold“ begonnenen Kriminalreihe lässt sie den schlauen Kater Serrano rund um die veränderungswilligen Bewohner ermitteln. Sie sagt: „Nie habe ich ein derart besonderes Viertel erlebt.“ Dorothee Tackmann


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