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26.01.13 / Neue Liebschaft / Deutscher Gewerkschaftsbund fühlt sich offenbar inzwischen der CDU näher als der SPD

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-13 vom 26. Januar 2013

Neue Liebschaft
Deutscher Gewerkschaftsbund fühlt sich offenbar inzwischen der CDU näher als der SPD

Verwundert rieb sich mancher Sozialdemokrat die Augen, als bei der Bundesvorstandsklausur des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am 15. Januar DGB-Chef Michael Sommer Bundeskanzlerin Angela Merkel herzlich und demonstrativ die Hand reichte. Bahnt sich da ein Flirt zwischen Arbeitnehmervertretern und Christdemokraten zu Beginn des Wahljahres an?

Schon im Vorfeld des Besuches hatte der DGB-Chef die Kanzlerin auf allen medialen Kanälen gelobt und betont, wie sehr er sie schätze. Erstaunt hatte eine Journalistin des Deutschlandfunks gefragt, ob der DGB dieses Jahr eine Wahlempfehlung nicht wie traditionell für die SPD, sondern für die CDU aussprechen wolle. Konservative Christdemokraten bemerkten irritiert, wie weit nach links ihre Partei offenbar gerückt sei, wenn es ein so herzliches Einvernehmen zwischen den früheren Kontrahenten gäbe. Erstaunt reagierten auch Sozialdemokraten, die seit nunmehr 150 Jahren quasi als Zwillingsbrüder der Arbeitnehmerinteressenvertreter gelten. Immerhin fand die DGB-Tagung im Haus der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung statt, was die Parteistrategen aus dem nahen Willy-Brandt-Haus ins Nachdenken brachte. Fühlen sich die Arbeitnehmer inzwischen besser bei der CDU aufgehoben als bei der SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück?

Das gute Einvernehmen zwischen Gewerkschaftsboss und Kanzlerin geht vor allen Dingen, wie politische Beobachter registrierten, auf eine Charme-Offensive Merkels zurück. Sie besuchte nicht nur die Feier zu Sommers 60. Geburtstag, sondern bemühte sich auch bei anderen Gelegenheiten um ein freundliches, persönliches Verhältnis zum Gewerkschaftsführer. Am Anfang ihrer Regierungszeit vertrat Merkel noch, schon auf Grund ihrer Erfahrungen mit den DDR-Gewerkschaften, das Konzept eines wenig regulierten Arbeitsmarktes. Aber seit ihrer Zusammenarbeit mit dem damaligen Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zur Zeit der Großen Koalition (2005–2009) änderte sie langsam ihre Positionen. Geschickt nutzte Merkel zudem das gewerkschaftliche Trauma der Agenda-2010-Politik des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, die zu einer tiefen Entfremdung zwischen DGB und Sozialdemokratie geführt hatte.

Die derzeitigen Koalitionspartner der Kanzlerin, die Freien Demokraten und die Christliche-Soziale Union, stellen die neue Liaison allerdings immer wieder vor erhebliche Probleme. FDP-Chef Philipp Rösler forderte kürzlich in einem Positionspapier eine stärkere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Prompt musste CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe dagegen halten, dass der Kündigungsschutz unantastbar sei, und der CDU-Vorstand forderte einen gesetzlichen Mindestlohn. Demgegenüber mahnte Christine Haderthauer, Bayerns Arbeitsministerin, dass „gesetzliche Mindestlöhne Arbeitsplätze schlichtweg vernichten“ würden. Man solle es lieber den Tarifvertragsparteien überlassen, die Löhne „branchenspezifisch und regionenspezifisch“ festzulegen. In diesem Sinne votierte auch die CSU-Fraktion auf ihrer Klausur im Wildbad Kreuth. Man wolle „faire Löhne“ und eine Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern. Auch regional vereinbarte Lohnuntergrenzen sollten dann flächendeckend gelten. Kritik an diesen Vorstellungen kam naturgemäß von der bayrischen SPD, die sich derzeit im Landtagswahlkampf befindet. Spitzenkandidat Christian Ude monierte, dass die CSU konkrete gesetzgeberische Schritte gegen das Lohndumping blockiere, und der bayerische DGB-Chef Mathias Jena sprach von einem „Mindestlöhnchen“.

So harmonisch die Beziehungen zwischen Gewerkschaften und der linken Christdemokratie derzeit zu sein scheinen, so schwierig gestaltet sich also das Verhältnis zur FDP. „Schwarz-Gelb haben bewiesen, dass sie es nun wirklich nicht können“, polterte der DGB-Chef im Sommer. Als handwerklich und inhaltlich schlecht disqualifizierte er die Regierungsarbeit, obwohl Ursula von der Leyen (CDU) für ihre Vorschläge zur Lebensleistungsrente gewerkschaftliches Lob eingeheimst hatte.

Wo die Fronten im anstehenden Bundestagswahlkampf liegen werden, wird unter der Hand immer klarer. Der DGB strebt die Auswechselung der FDP durch die SPD in der Regierungskoalition an. Das eineinhalbstündige Gespräch der Kanzlerin mit dem DGB-Vorstand über die Energiewende, das lebenslange Lernen, den Arbeitnehmer-Datenschutz und die Kriminalität in Altersheimen klopfte schon einmal das Terrain ab. „Problemorientiert“ und „sachlich“ sei das Gespräch gewesen, lobten die Teilnehmer. Auch wenn es noch strittige Themen gäbe, so betonte Merkel, wolle man noch in dieser Legislaturperiode in den Fragen der Altersarmut, Mindestlöhne und der Regulierung der Zeitarbeit weiterkommen. Unter dem Strich zeigte sich jedenfalls, dass für die Gewerkschaften eine CDU-Kanzlerin schon lange kein Schreckgespenst mehr darstellt. Hinrich E. Bues


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