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26.01.13 / In Stereo / Gedichtsammlung auf Deutsch und auf Sorbisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-13 vom 26. Januar 2013

In Stereo
Gedichtsammlung auf Deutsch und auf Sorbisch

Wenn es stimmt, dass Totgesagte länger leben, dann müssten die Lausitzer Sorben – keine „Minderheit“, sondern ein eigenständiges slawisches „Volk“ – unsterblich sein. Schon Luther hat ihr baldiges Ende prophezeit, Monarchen, Führer und Generalsekretäre wollten es ihnen bereiten, aber es gibt sie immer noch, die 60000 Sorben, die unter der Obhut des wiedervereinten Deutschland stehen.

Dieses schuf vor 20 Jahren die „Zalozba za serbski lud“ (Stiftung für das sorbische Volk), die sorbische Kulturautonomie mit staatlichen Zuwendung ermöglicht. So kam auch die zweisprachige Gedichtsammlung „Der Tiger im Pyjama – Tiger w nocnej kosli“ von Benedikt Dyrlich Wind unter die lyrischen Flügel. Es ist ein schönes Buch geworden, witzig („wie eine Hexe brennst du, noch am 2. Mai“), erotisch („unsere

zittrigen Körper machten ei, ei“), bukolisch („du fühltest, wie Jakub gar winters die Hosen verlor“), politisch spöttisch („Wir fragten nicht groß, nach dem indifferenten Kessel Buntes“), etwas agitatorisch („Der Einigung Schluss: Der Mensch erzwingt den weitern Fluss!“). Sorbisch nur in ironischer Verfremdung, wenn es etwa sorbische Feststage wie „Vogelhochzeit“ oder „Osterritte“ zu transkulturellen Chiffren umwidmet: „Pferdegewieher mischt sich / mit dem Duft von Streuselkuchen“. Aber was soll’s, solange die Hälfte des bilingualen Buchs Sorbisch ist.

Ein Geniestreich des Autors: Sorbische Bücher wurden nie übersetzt, sondern von ihren Autoren gleich „in Stereo“ verfasst Sorbisch-Deutsch. Dyrlich, Jahrgang 1950, war nach der Wende jahrelang Abgeordneter im sächsischen Landtag und hat dort am „Sorbengesetz“ mitgewirkt, das Sorben Atemluft und Deutschen Achtung vor slawischen Nachbarn gab. Das alles wirkt nach, obwohl heute, so Dyrlich, bei Sorben eine gewisse „Apathie“ herrscht. Die aber auch wieder vergehe. Zu DDR-Zeiten erzwangen Sorben sorbische Institutionen – Schulen, Medien, Verlage, Theater, Volkskunstensemble –, die die Wende überdauerten und heute rück-wirken. Jetzt besinnen sich junge Sorben wieder auf ihre „nationalen“ Institutionen und nutzen sie als Stütze ihres ethnokulturellen Überlebenswillens.

Es hat kurz nach der Wende von seriösen Wissenschaftlern das böse Urteil gegeben, sorbische Kultur sei nur ein Surrogat. Das war nicht richtig, aber auch nicht völlig falsch – was es erst jetzt ist. Sorbische Kultur und Literatur stehen nicht auf dem Kopf, wie Dyrlich unter Verwendung eines Gemäldes von Georg Baselitz ironisch darstellt.

Wolf Oschlies

Benedikt Dyrlich: „Der Tiger im Pyjama – Tiger w nocnej kosli“, Domowina-Verlag, Bautzen 2012, 166 Seiten, 16,90 Euro


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