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02.02.13 / Islamisten unterwandern Opposition / Blutige Rivalitäten untereinander lähmen syrische Rebellen – Neues Feindbild »Freie Syrische Armee«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-13 vom 02. Februar 2013

Islamisten unterwandern Opposition
Blutige Rivalitäten untereinander lähmen syrische Rebellen – Neues Feindbild »Freie Syrische Armee«

Nach dem Mord an einem Rebellenkommandanten im türkisch-syrischen Grenzgebiet durch eine verfeindete Rebellengruppe könnte der bewaffnete Konflikt in Syrien ganz neue Frontlinien bekommen. Der Aufstand gegen Assad scheint jetzt schon ins Stocken geraten zu sein.

Etwa ein Dutzend Rebellengruppen salafistischer Prägung haben sich dem Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad in Syrien angeschlossen und kämpfen Seite an Seite mit der „Freien Syrischen Armee“, die vor fast zwei Jahren mit dem bewaffneten Aufstand begonnen hatte. Sie tragen hochtrabende Namen, oft aus dem islamistischen Spektrum. Fast alle diese Gruppen wollen nicht nur das Assad-Regime beseitigen, sie wollen auch danach einen islamischen Gottesstaat und die Scharia einführen.

Die bedeutendste dieser islamistischen Rebellengruppe ist die Dschabhat (Front) al-Nusra. Diese trägt vor allem im Norden Syriens in den Provinzen Idlib und Aleppo die Hauptlast des Aufstandes gegen Assad. Die Dschabhat al-Nusra zählt zwischen 5000 und 10000 Mitglieder. Sie ist die mit Abstand effizienteste und kampferfahrendste aller islamistischen Rebellengruppen, weil ihre Mitglieder bereits im Irak Seite an Seite mit Al-Kaida gegen die Amerikaner gekämpft haben. Über 600 Attacken gehen auf ihr Konto, darunter auch der Anschlag in Damaskus vom Juli 2012, bei dem der halbe Sicherheitsrat von al-Assad ums Leben kam. Erst vor kurzem war es der al-Nusra-Front gelungen, den Militärstützpunkt Taftanaz bei Idlib zu erobern, einer der letzten Stützpunkte des Assad-Regimes im Norden Syriens. Die Dschabhat al-Nusra hat sich um die Jahreswende 2011/2012 bei den Kämpfen um Homs gebildet. Im September war nun jedoch einer der Anführer der Dschabhat al-Nusra bei Kämpfen zwischen Rebellenverbänden ermordet worden. Einer seiner Brüder hatte daraufhin Rache geschworen. Des Mordes verdächtigt wurde Thaer al-Wakkas, ein Kommandant der Faruq-Brigaden der „Freien Syrischen Armee“. Am

9. Januar wurde nun al-Wakkas von einem Killerkommando der Dschabhat al-Nusra ermordet. Damit verloren die Faruq-Brigaden einen ihrer wichtigsten Führer. Sie hatten besonderen Ruhm erworben, als sie im Herbst 2011 mit Baba Amr in Homs erstmals einen Stadtteil einer Großstadt unter ihre Kontrolle brachten. In den letzten Monaten hatten sie jedoch viel Terrain an die Islamisten der Al-Nusra Front verloren.

Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die Rivalitäten und Spannungen zwischen den vielen aufständischen Gruppen, die Präsident Bashar al-Assad stürzen wollen. Seit einigen Monaten hat der Aufstand an Schwung verloren. Noch keine Großstadt und auch noch keine Provinz sind ganz unter der Kontrolle der Rebellen. In Aleppo und Homs haben die Regierungstruppen sogar wieder einige verlorene Stadtteile zurückerobert. Dafür werden Versorgungsprobleme, aber auch zunehmende Rivalitäten zwischen den einzelnen Gruppen verantwortlich gemacht. Die Aufständischen eint zurzeit nur ein Ziel, nämlich der Sturz von Assad. Wie es erreicht werden und welcher Staat danach zwischen dem Libanon und dem Irak ausgerufen werden soll, ist dagegen umstritten. Die mangelnde Einheit verunsichert nicht nur westliche Staaten, die grundsätzlich mit dem Aufstand sympathisieren.

Auch vor dem Attentat auf Wakkas waren die Spannungen innerhalb der syrischen bewaffneten Opposition deutlich zu spüren gewesen. Vor allem zwischen den hauptsächlich aus Ausländern bestehenden islamistischen Kampfgruppen und der aus syrischen Deserteuren bestehenden „Freien Syrischen Armee“, gärt es. Die Islamisten verdächtigen die „Freie Syrische Armee“, dass sich unter den Deserteuren auch eingeschleuste Assad-Anhänger befinden, die die bewaffnete Opposition unterwandern sollen. Auch scheinen die Islamisten dank ihrer militärischen Erfolge und dank ihrer Finanzquellen in den Golfstaaten über bessere Nachschubwege zu verfügen. Selbst das Nato-Mitglied Türkei scheint erkannt zu haben, dass die Islamisten in Syrien den längeren Atem haben. Deshalb gibt es immer mehr Anzeichen, dass die Islamisten auch von türkischem Territorium aus unterstützt werden und gerade in grenznahen Gebieten, wie Ras al-Ain, neue Stützpunkte errichten. Auch dort flammen immer wieder Kämpfe zwischen Islamisten und kurdischen Selbsthilfegruppen auf.

Bei weiter ausbleibenden entscheidenden Erfolgen der Rebellen wird die Reibungsfläche zwischen den Rebellengruppen größer. Auch der Ruf nach einer gemeinsamen politischen Führung der Rebellen wird den Konflikt nicht lösen, weil Dschabhat al-Nusra wie auch alle anderen islamistischen Terrorgruppen in Syrien sich nicht dem im Dezember in Katar aus der Taufe gehobenen syrischen Oppositionsbündnis angeschlossen haben.

Dass der erste größere Konflikt zwischen den Rebellenfraktionen im unmittelbaren Grenzgebiet zur Türkei in der Nähe des großen Grenzübergangs Bab al-Hawa, der als erster im September 2012 von den Rebellen erobert worden war, stattfindet, ist kein Zufall. Der Grenzübergang, der zwar noch von der „Freien Syrischen Armee“ kontrolliert wird, aber dessen Umland bereits islamistische Kämpfer der Dschabhat al-Nusra kontrollieren, ist zum Schmugglerzentrum geworden. Die Islamisten, die vorgeben, sich den strengen Geboten des salafistischen Islam zu unterwerfen, halten den Deserteuren der „Freien Syrischen Armee“ Drogenschmuggel und Handel mit Hehlerware vor. Auch die einheimische Bevölkerung beschwert sich, dass es unter den Rebellen immer mehr korrupte Elemente gibt, die nicht aus Überzeugung gegen Assad kämpfen, sondern aus krimineller Absicht und um bessere Geschäfte zu machen. Die Islamisten dagegen, die über genügend Finanzmittel aus den Golfstaaten verfügen, teilen ihre Kriegsbeute, streng nach alten Gesetzen des Koran, mit den einheimischen Muslimen, um sich unter der einheimischen Bevölkerung Freunde zu machen. Bodo Bost


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