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02.02.13 / Die Wahrheit hinter den Parolen / Geht es nach der Politik, sollen Frauen Karriere machen, doch die wollen das gar nicht immer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-13 vom 02. Februar 2013

Die Wahrheit hinter den Parolen
Geht es nach der Politik, sollen Frauen Karriere machen, doch die wollen das gar nicht immer

Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) behauptet, Frauen würden aus anderen Gründen als der Diskriminierung seltener Karriere machen. Das gefällt nicht jedem.

Statt sich über die Studie des IW Köln zu freuen, nach der inzwischen 71,8 Prozent der Frauen in Deutschland berufstätig sind, reagierten SPD, Grüne und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) zurückhaltend. Dabei hatten sich doch gerade diese Gruppierungen eine Erhöhung der Frauenerwerbsquote auf die Fahnen geschrieben. Und nun kommt heraus, dass Deutschland sogar nach den skandinavischen Ländern den höchsten Wert aufweist, im EU-Durchschnitt arbeiten hingegen nur rund 65 Prozent der Frauen. Ein Haar in der Suppe wurde von linker Seite aber gefunden und zwar arbeiten gut 45 Prozent der berufstätigen Frauen in Teilzeit. Und da die Teilzeitarbeit vom IW Köln als einer der Hauptgründe genannt wurde, warum es so wenig Frauen in Führungspositionen gibt und warum sie weniger verdienen als Männer, forderte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock einen „Rechtsanspruch auf Rückkehr aus der Teilzeit“. Abgesehen davon gefällt dem DGB die Erkenntnisse des IW Köln nicht, dieses rechne „die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben“ klein.

Da Grüne, SPD und Gewerkschaften schon seit Jahren für mehr Chancengleichheit für Frauen am Arbeitsmarkt unter anderem mit der Forderung nach Frauenquoten kämpfen, nimmt ihnen das IW Köln den Wind aus den Segeln, wenn es behauptet, dass die unterschiedliche Höhe der Gehälter bei Mann und Frau auf Bildungsstand, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unternehmensgröße, Art der beruflichen Tätigkeit, Berufserfahrung und Branche zurück-zuführen sei statt auf landesweite Diskriminierung durch männliche Chefs. Auch sei die Berufswahl für die Gehaltshöhe wichtig. Germanisten würden eben schlechter bezahlt als Ingenieure und zwar unabhängig vom Geschlecht. Da Frauen aber eher soziale Berufe und weiche Studienfächer wählten – nur 30 Prozent der Studenten der Studienfächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sind Frauen –, sei es eine logische Folge, dass sie dann später auch weniger verdienen würden. Zudem sieht das IW Köln die hohe Teilzeittätigkeit von Frauen als wesentlichen Grund, warum Frauen insgesamt weniger verdienen. Doch, so die Wissenschaftler des arbeitgebernahen Instituts, würden die meisten Frauen sich mehr oder minder freiwillig hierfür entscheiden.

Bereits ein Blick in wenige Hamburger Büros offenbart verschiedene Gründe, warum viele Mütter nicht in Vollzeit berufstätig sein wollen. „Wir können es uns finanziell leisten, dass ich mich drei Jahre um die Erziehung unserer Tochter kümmere“, so eine 33-jährige Groß- und Außenhandelskauffrau. „Meine Karriere kann ich auch später noch fortsetzen“, fährt sie fort, „und würde, so lange meine Tochter noch klein ist, lieber in Teilzeit arbeiten, damit ich mehr Einfluss auf ihre Erziehung nehmen kann.“ Auch eine 31-Jährige Diplom-Betriebswirtin will sich in der für ihr Kind wichtigen Kleinkinderzeit nicht vorrangig um ihre berufliche Karriere kümmern und hat deswegen die Position der Ausbildungsleiterin in einem weltweit agierenden Konzern aufgegeben. „Ich genieße die Elternzeit mit meinem Sohn derzeit in vollen Zügen und kann mir nicht vorstellen, diese für mich wertvolle Zeit in den nächsten Jahren gegen einen Vollzeit-Job einzutauschen“, lobt auch die 35-jährige Diplom-Verwaltungswirtin Simone K. die Zeit mit ihrem Kind. „Ein anderer Grund, nicht wieder in Vollzeit anzufangen ist, dass weder meine Eltern noch Schwiegereltern in der Nähe wohnen, um bei Krankheit und Arztbesuchen oder ähnlichem spontan einspringen zu können“, ergänzt sie und spricht damit ein Problem an, das in der Diskussion um mehr Betreuungsplätze außen vor bleibt. Denn in die Krippe können nur gesunde Kinder, nur sind gerade kleine Kinder oft krank. Zudem stellen selbst vorhandene Betreuungsplätze ein Problem dar: „Die einzige Kita bei uns in der Region öffnet um 7.30 Uhr und schließt um 15 Uhr. Ich benötige eine Fahrzeit von einer Stunde ins Büro und wieder zurück. Vollzeit zu arbeiten ist somit unmöglich. Insofern bin ich durch das mangelhafte Kinderbetreuungssystem bei uns im Landkreis ausgebremst worden“, klagt eine 33 Jahre alte Referentin im öffentlichen Dienst. Und die 35-jährige Bankfachwirtin Stephanie D., ein Kind (3,5 Jahre alt), sagt: „Ich arbeite bewusst 30 Stunden pro Woche, um Kind und Arbeit vereinbaren zu können. Als Frau muss man heute eigenständig am Ball bleiben, da man ansonsten in vieler Hinsicht verliert, siehe neues Scheidungsrecht oder Altersarmut. Andererseits möchte ich auch für mein Kind da sein, indem ich mit meiner Teilzeitlösung zum Beispiel nachmittags flexibler sein kann, wenn Eltern-Kind-Turnen oder Verabredungen mit anderen Kindern oder Arzttermine anstehen.“

Aber auch Müttern, die voll arbeiten müssen, weil sie beispielsweise alleinerziehend sind, steht nicht unbedingt der Sinn nach Karriere. Für sie ist die Arbeit vor allem dazu da, um Geld zu verdienen, haben sie Feierabend, rufen der Haushalt und die Kinder. Und: „Wie ist denn eigentlich Karriere definiert“, fragt die 35-jährige Diplom-Biologin Nele G. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich darauf verzichte. Ich mache nur alles in einem für mich akzeptablen Rahmen“, so die alleinerziehende Mutter zweier Kinder, die sich jetzt Fotografin und Webentwicklerin selbstständig machen will.

Doch all diese Argumente tangieren die Politik wenig. Für sie ist die Chancengleichkeit von Frauen ein beliebtes und ideologisch besetztes Thema im Wahlkampf. Am 8. März will die SPD ein bürokratisches Gesetz gegen Lohnungleichheit vorstellen, die Union legt wenig später auch eines vor. Ziel ist es, die Frauen zu „befreien“, ob sie wollen oder nicht. Rebecca Bellano


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