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02.02.13 / Ohne Fußlappen / Russlands Armee soll Strümpfe bekommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-13 vom 02. Februar 2013

Ohne Fußlappen
Russlands Armee soll Strümpfe bekommen

Entsprechend einer Weisung des russischen Verteidigungsministers Sergej Schojgu muss die Armee des Landes innerhalb dieses Jahres die Fußlappen abschaffen, sogar den Begriff „portjanki“ vergessen. Hätte er der Infanterie die Kalaschnikow und den Musikern die Balalajka weggenommen – das Entsetzen hätte nicht größer sein können.

International gelten Fußlappen als russisches Know-how, Franzosen nennen sie nur „chaussette russe“ (russische Socken). Das ist historisch nicht korrekt, da schon die alten Römer „fasciae“ um die Füße wickelten. Nach Russland kamen sie im Gepäck Peters des Großen, der sie 1698 aus Holland mitbrachte. Seither sind sie fester Bestandteil russischen Soldatenlebens, und wie das 40 mal 90 Zentimeter große Tuch um den Fuß zu wickeln ist, wird im „Kurs des jungen Kämpfers“ (Grundausbildung) intensiv geübt. Wer es nicht lernt, der legt den Lappen über den Stiefel und steckt den Fuß von oben hinein, was auch geht. „Alles Geniale ist simpel“, sagen die Russen.

Die „portjanki“ sind die „besten Kameraden der Soldaten“: pflegeleicht, zu jedem Extremwetter in Sommer und Winter, in Nord und Süd passend, nicht einmal von „sapogi“, den groben Soldatenstiefeln, zu zerreißen. Auch in der deutschen Armee waren Fußlappen bis zum Zweiten Weltkrieg gebräuchlich, in Finnland, das bis 1917 zu Russland gehörte, hielten sie sich bis 1990. In den Armeen des Warschauer Pakts waren sie obligatorisch und wurden erst allmählich ausgemustert, zuerst in der DDR 1968. Anderswo überdauerten sie das Ende der Allianz, waren in der Ukraine bis 2007, in Wrißrussland gar bis 2011 in Gebrauch.

In Russland, sagt jetzt Minister Schojgu, sei die Strumpfalternative ein „Überbleibsel der Vergangenheit“, wie Tschako und Säbel. Die Armee müsse modernisiert werden. Dazu gehöre, dass sie frostfeste Uniformen, solides Schuhwerk und Strümpfe statt Fußlappen bekomme. So hatte man es schon 2008 geplant, damit aber nicht reüssiert. Jetzt will man es mit „zusätzlichen Mitteln“ stemmen, und das wird erst recht nichts. General Wladimir Isakow, Chef des ganzen Armee-Nachschubs, sieht das Ende der „portjanki“ in „bestenfalls drei Jahren“, will es im Grunde nicht, da er dann auf 16 Millionen Fußlappen und ungezählten Stiefeln sitzen bliebe. Vermutlich wird er recht behalten, und Minister Schojgu sollte sich daran erinnern, dass „portjanka“ bei russischen Journalisten ein Synonym für „Schwätzer“ ist. Wolf Oschlies


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