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02.02.13 / Ein sprechendes Bügeleisen / Das neue Gerät ersetzt den treuen Hausdiener »Heinrich I.«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-13 vom 02. Februar 2013

Ein sprechendes Bügeleisen
Das neue Gerät ersetzt den treuen Hausdiener »Heinrich I.«

Wir haben ein Problem. Einer unserer wertvollsten Haussklaven schickt sich an, uns zu verlassen. Er war wirklich ein gutes Stück, er ist für uns in Hitzewallungen geraten und hat gleichzeitig alles geglättet, was es zu glätten gab. Doch nun, im Alter, kann er das Wasser nicht mehr halten. Durchaus menschlich, was da passiert.

Meine Frau kann damit leben. Sie stellt Heinrich – so heißt unser Bügeleisen – auf ein Tablett und fängt das Wasser damit auf. Aber ich kann damit nicht leben, denn ein Dampfbügeleisen ist nicht ungefährlich. Ich sage nur: 220 Volt!

Vor kurzem war ich bei Aldi, diesem Kleinkaufhaus der Nation. Da lag gleich links vor der Kasse, also dort, wo die Leute all das ablegen, das sie doch nicht wollen oder für das ihr Geld nicht reicht oder was sie ihren Kleinkindern mühsam aus den Patschhändchen gewunden haben: ein Dampfbügeleisen, in diesem Falle Heinrich der Zweite.

Ich habe es mitgenommen, ordnungsgemäß bezahlt und zu Hause ausgepackt. Es ist lila mit weißem Griff. Lila! Dabei wollte ich kein Bügeleisen für meine Frau, ich wollte eins für mich. Ja, da staunen Sie: Es gibt sie tatsächlich, diese Männer, die ihre Hemden selbst bügeln, und einer davon bin ich. Das ist mein letztes Aufbegehren in der Ehe, eine zäh verteidigte Selbstständigkeit, eine liebevolle Erinnerung an alte Wohngemeinschafts-Zeiten, als ich noch wild und ungebunden war. Jetzt staunen Sie schon wieder. Das passt wohl nicht in ihr Weltbild, das es WG-Bewohner gab, die einen richtigen Job nachgingen, also einem solchen, bei dem ein gebügeltes Hemd die Eintrittskarte ins Büro war.

Damals habe ich immer ferngesehen beim Bügeln. Fußball. Vierzehn Hemden alle zwei Wochen, die schaffte ich in zwei Halbzeiten und der Pause. Heute mache ich das nicht mehr, die Werbung nervt mich.

Ich packe dieses lila Bügeleisen aus, bei dem man die Füllhöhe des Wassers im Tank nicht sehen kann, weil der kräftig lila ist. Ich blättere in der Bedienungsanleitung. Die erfreut mein Herz, die ist in richtig aneinandergereihten Buchstaben geschrieben und nicht in dieser altägyptischen Zeichensprache wie bei Ikea, bei denen die Figuren immer in eine Richtung schauen und irgendwo hinzeigen und bei denen selbst Archäologen zweitausend Jahre gebraucht haben um herauszufinden, was uns diese Bilder sagen.

Ich lese die Bedienungsanleitung nicht deshalb, weil ich immer Bedienungsanleitungen lese, sondern weil mir diese Bügeleisen ein sehr merkwürdiges Gerät zu sein scheint. Es hat keinen Drehknopf zum Einstellen der Temperatur, sondern vorne im Griff eine Computermaus: Zwei Tasten oben und zwei an den Seiten, wie bei einer richtigen PC-Maus, aber die hier ist viel moderner, die hat sogar ein Dis-play. Ich lese sehr sorgfältig und aufmerksam und als ich dieses elektronische Gerät anschalte, merke ich, dass es mit mir spricht wie eine lebendige Maus. Es piept, wenn ich es anschalte, es piept, wenn ich die Temperatur verändere, es piept, wenn es die gewünschte Temperatur erreicht hat, es piept, wenn ich es ausschalte, sozusagen zum Abschied.

Und dieses unfassbare Bügeleisen kommuniziert sogar optisch mit mir. Es zeigt mir auf dem Display die Heizstufen an. Stufe eins ist Acryl, Stufe zwei ist Nylon, alles wirklich sehr komfortabel. Nur Stufe fünf = „Blend“ erschließt sich mir nicht, und Stufe sieben ist „Cotto“. „Cotto?“ Die Bedienungsanleitung belehrt mich: das heißt „Cotton“. „Cotton“ kenne ich, ich bin ja bilingual, jedenfalls was die Werkstoffbezeichnung auf den Etiketten betrifft. Doch leider helfen mir hier meine Sprachkenntnisse überhaupt nichts, denn entweder habe ich die Etiketten aus den Hemden herausgetrennt, weil die immer so unangenehm im Nacken kratzen, oder sie sind durch längeren Gebrauch unkenntlich geworden oder sie zeigen mir ein Bügeleisen mit drei Punkten. Was bedeuten drei Punkte bei meinem neuen Bügeleisen? Stufe drei? Eher nicht.

Etwas allerdings erfreut mein Herz, und das ist der Bewegungsmelder. Wenn ich dieses unglaubliche Bügeleisen hochkant stelle und aufs Klo gehe, schaltet es sich nach acht Minuten aus. Und nach 30 Sekunden, wenn es auf der Heizfläche steht. Jetzt wird mir zwar vorgeschrieben, wie lange ich auf dem Klo bleiben darf und wie schnell ich arbeiten muss, hat aber den Vorteil, dass wir bei Urlaubsbeginn nicht wieder fünfzig Kilometer zurückfahren müssen, weil meine Frau sich nicht sicher ist, ob sie das Bügeleisen ausgeschaltet hat.

An das leise Piepen von Heinrich II. habe ich mich inzwischen gewöhnt. Es hätte ja schlimmer kommen können, zum Beispiel mit diesem anhaltend schrillen Piepen wie bei der Müllabfuhr, wenn sie in unserer Sackgasse rückwärts fährt. Dennoch bin ich nicht ganz zufrieden mit meiner neuen Errungenschaft. Er hat mir zwar das Denken abgenommen, nicht jedoch das Bügeln. Jetzt warte ich auf die nächste Bügeleisen-Generation.  Jürgen Rath


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