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02.02.13 / Goldmedaille fürs Pusten / Aus der Oberpfalz in die ganze Welt – Die alte Kunst des Glasmachens lebt in der Glashütte der Lamberts in Waldsassen fort

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-13 vom 02. Februar 2013

Goldmedaille fürs Pusten
Aus der Oberpfalz in die ganze Welt – Die alte Kunst des Glasmachens lebt in der Glashütte der Lamberts in Waldsassen fort

Wegen der Kaolin- und Kohlevorkommen in Böhmen florierte dort früher die Glasbläserei. Heute hat sich im direkt an der tschechischen Grenze gelegenem Waldsassen nur noch eine Glashütte gehalten, die deutschlandweit als einzige auf traditionelle Weise mundgeblasenes Flachglas herstellt. Die Erzeugnisse der Glashütte Lamberts sind jedoch weltweit gefragt und finden sich in Kirchen oder Shoppingzentren von Singapur bis in die USA.

Oft sind die Grenzen zwischen Handwerk und Kunst fließend. Für den einen Beruf gilt das mehr, für den anderen weniger. Und bei der Tätigkeit des Glasmachers müsste man sogar neben dem Handwerk auch von einem Mundwerk sprechen – aber dieser Begriff ist ja leider schon anders besetzt. Jedenfalls ist das Handwerk beziehungsweise die Kunst des Glasblasens für sich schon sehr diffizil, wenn „nur“ kleinere Gebrauchsgegenstände hergestellt werden.

Noch um vieles schwieriger ist – nicht nur für den Laien – die Herstellung von mundgeblasenem Flachglas auf traditionelle, handwerkliche Wei­se. Doch sie wird noch praktiziert, wenn auch weltweit nur in drei diese Technik einsetzenden Betrieben. Einer davon ist die Glashütte Lamberts im nordoberpfälzischen, dicht an der tschechischen Grenze gelegenen 7000-Seelen-Ort Waldsassen.

Glasmacher alten Schlages und traditioneller Ausbildung müssen nicht nur körperliche Kraft besitzen, sondern auch enormes Lungenvolumen. Und sie dürfen nicht hitzeempfindlich sein. Aber wie vollzieht sich nun das Herstellen von Glas? Der zunächst flüssigen Masse, die später zu Glas wird, werden Eisen, Nickel, Kupfer, andere Metalle oder auch Gold beziehungsweise Silber in einer bestimmten Dosis beigegeben. Diese Materialien sind dann für die Färbung verantwortlich. Mit ihren ganz speziellen Rezepturen kann die Glashütte Lamberts 5000 Standardfarben anbieten, bei Nachfrage sich aber auch auf gewünschte Nuancen und Sonderanfertigungen einstellen. Das Waldsassener Unternehmen nutzt für die Produktion immer noch die aus dem Jahr 1896 stammende denkmalgeschützte Ofenhalle.

An der alten, handwerklichen Technik des Glasmachens hält die Glashütte Lamberts ebenfalls fest. Mit einem langen Stahlrohr wird im Schmelzhafen eine große Portion zähflüssiges Glas „angefangen“. Diese bläst der Glasmacher mit seinem Mund zunächst zu einer Kugel auf. Danach wird sie dann zu einem Kolben geformt. Ein Ende wird geöffnet. Die Glasröhre wird dann wieder erhitzt, durch Pendeln in einer tiefen Grube gedehnt, von der Glasmacherpfeife abgeschlagen und dann der Länge nach aufgeschnitten. Durch nochmaliges Erwärmen in einem speziellen Ofen wird das Glas wieder flexibel, wird aufgebogen und schließlich durch „Bügeln“ zu Flachglas. Anwärmen und Abkühlen sowie das exakte Luftvolumen – diese Aspekte muss der Glasmacher verinnerlicht haben, um so wenig Ausschuss wie möglich zu produzieren.

Nur noch in Frankreich und Polen gibt es Unternehmen, die – wie die Glashütte Lamberts – auf traditionelle Weise mundgeblasenes Flachglas herstellen. Dieses Glas findet zum Beispiel Verwendung in Kunstglasfenstern von Bürogebäuden, Shopping-Malls, Flughäfen oder Kirchen. Spezielle Glasmalbetriebe, die in Kooperation mit Künstlern Kunstwerke herstellen, sind auf die Fertigung solchen Flachglases angewiesen. Das hier produzierte Flachglas ist auch für Verspiegelungen nutzbar. Verschiedene Gelbtöne verwandeln sich beispielsweise in Gold, weißes und klares Glas wird zu Silber. Eine weitere Anwendung ist die Verwendung als Isolierglas – im Kontext von Wärme- und Schallschutz gerade heute fast unverzichtbar. Und hinterleuchtet wird das mundgeblasene Glas in Decken- oder Wandverglasungen verwendet. Aber auch die Wölbung oder Anpassung an eine geschwungene Oberfläche ist gerade mit dem Flachglas gut möglich. Ebenso aber auch manche anderen künstlerischen Bearbeitungen.

Kunst beziehungsweise Ingenieurtechnik am Zenit der damaligen Zeit ist auch die ursprünglich im Jahr 1896 in Nürnberg für die damalige Landesgewerbe- und Industrieausstellung als Musterhalle erbaute Hallenkonstruktion mit Bogenfachwerkbindern. Zehn Jahre später wurde sie dort ab- und in Waldsassen wieder aufgebaut. In der vorliegenden Dimension mit einer Länge von 92 Metern und einer freien Überspannung von 28 Metern ist diese Konstruktion in Bayern und wohl auch darüber hinaus einzigartig. Doch nach mehr als 100 Jahren nagte der Zahn der Zeit an dem Gebäude. Der stärkere Schneefall in der Oberpfalz war ein Grund, dass durch Feuchte und Fäulniseinwirkungen an der Dach- und Bindekonstruktion Schäden an den Hölzern entstanden, die erhebliche Verformungen und letztlich den Bruch wesentlicher tragender Teile nach sich zogen.

Im Jahr 2009 zeigten sich diese Defizite überdeutlich. Bei einer Überprüfung der Standsicherheit wurde akute Einsturzgefahr festgestellt. Für den seit November 2009 neuen Eigentümer Hans Reiner Meindl galt es, die Holzkonstruktion zu verbessern, die Halle insgesamt zu sanieren und dafür ein passendes Konzept unter Bewahrung der alten Hallengeometrie zu finden. Bei laufendem Betrieb wurde die Ofenhalle saniert, was im Jahr 2012 mit dem Denkmalpreis der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau honoriert wurde. Zuvor war die Glashütte Lamberts bereits 2001 mit dem Bayerischen Staatspreis in Gold für künstlerische Gestaltung der mundgeblasenen Flachgläser in über 5000 verschiedenen Farben und 2008 mit der Goldmedaille für herausragende Leistungen in der Denkmalpflege in Europa gewürdigt worden.

Die Glashütte Lamberts wurde 1934 von Josef Lamberts in Waldsassen unter dem Namen Glasfabrik Lamberts gegründet, schon vorher hatte es in Waldsassen Glashütten gegeben, die jedoch in der Folge der Weltwirtschaftskrise nach 1929 stillgelegt wurden. Josef Lamberts spezialisierte sich auf Antik-, Bunt- und Signalglas. 1988 wechselte der Name des Unternehmens in Glashütte Lamberts, seit dem 1. November 2009 ist Hans Reiner Meindl Eigentümer und Geschäftsführer des Traditionsunternehmens. Heute ist die Glashütte Lamberts Weltmarktführer bei mundgeblasenem Farbglas und mundgeblasenem Fensterglas. Markus Bauer


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