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02.02.13 / Papierberg voller Zeitzeugen / Historiker hat Abhörprotokolle aus US-Gefangenenlager ausgewertet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-13 vom 02. Februar 2013

Papierberg voller Zeitzeugen
Historiker hat Abhörprotokolle aus US-Gefangenenlager ausgewertet

Für alle, die wissen möchten, ob unsere Vorfahren zwischen 1933 und 1945 in moralischer Hinsicht völlig versagt haben, ist das Buch „Kameraden. Die Wehrmacht von innen“ von Felix Römer ein Glücksfall, mit dem niemand mehr gerechnet hat. Viele Zeugen konnten schon bisher befragt werden, aber nun sind Tausende hinzugekommen, die mit ihren Bekundungen das Urteil auf eine noch breitere Basis stellen.

Rund 17 Millionen deutsche Soldaten dienten in der fraglichen Zeit in den deutschen Streitkräften, Hunderttausende gerieten in US-amerikanische Gefangenschaft, 3000 wurden in Fort Hunt bei Gesprächen mit Mitgefangenen heimlich abgehört. So entstanden über 100000 Seiten Protokoll, die unbeachtet verwahrt wurden, bis sie durch Zufall wieder auftauchten.

Rechneten die „Prisoners of War“ damit, dass sie abgehört werden? „Einzelne ahnten es, viele diskutierten darüber, die meisten aber konnten es sich nicht vorstellen“, so Römer. Verglichen mit den Feldpostbriefen, deren Kontrolle naheliegend war und daher Vorsicht gebot, sind die Gespräche daher durch Vorsicht kaum getrübte Quellen. Zusammen mit Hilfskräften hat sich der Historiker Felix Römer an den Papierberg gewagt, die Äußerungen zu einzelnen Themen zusammengefasst und kommentiert. Die Grobstruktur bietet die Kapitelfolge: „Gefangenschaft“, „Ideologie“, „Soldatenethos“. „Kameradschaft“, „Kampfmoral“, „Truppenführer“, „Kämpfen und Töten“, „Kriegsverbrechen“. Unter dem Gesichtspunkt der Vergangenheitsbewältigung sind vor allem die Stichworte „Ideologie“ und „Kriegsverbrechen“ aufschlussreich. Wir erfahren: „Für die Wehrmachtssoldaten stellte sich die Loyalität zu Hitler und dem NS-Staat als unhinterfragter Normalzustand dar“, das heißt, dass sich die Mehrheit mit den politischen Gegebenheiten abgefunden hatte. „Auch der Konformismus war jedoch voller Abstufungen.“ Konkret, einen besonders brisanten Topos betreffend, besagt das: „Auf die Beobachtungen, Gerüchte und Nachrichten über den Massenmord an den europäischen Juden reagierte die Mehrheit der Soldaten spontan mit Ablehnung.“

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass 2011 ein ähnlich umfangreiches Buch mit dem Titel „Soldaten“ erschienen ist, das die geheimen Abhörprotokolle von Soldaten, die in britischer Gefangenschaft einsaßen. Es kommt zu ähnlichen Einsichten, lediglich eine Minderheit von 30 Personen wird als „Weltanschauungskrieger“ bezeichnet. An dieser „Minderheit ist allerdings interessant, dass sie mehrheitlich aus jungen Offizieren … bestand, die 1933 noch Kinder waren …“ und deshalb – weil ohne weltanschauliches Fundament – von den Kündern der neuen Zeit leichter in die Irre geführt werden konnten. Konrad Löw

Felix Römer: „Kameraden. Die Wehrmacht von innen“, Piper, München 2012, 544 Seiten, 24,90 Euro


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