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09.02.13 / Vergeigte Fördergelder / Dem Gerangel von Bund und Ländern sei »Dank«: Zuschüsse für Musiker erreichen nicht immer die richtigen Adressaten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-13 vom 09. Februar 2013

Vergeigte Fördergelder
Dem Gerangel von Bund und Ländern sei »Dank«: Zuschüsse für Musiker erreichen nicht immer die richtigen Adressaten

Eine verwirrende Vielzahl an Zuschüssen und Zuwendungen an höchst profitable oder gemeinnützige Gruppen kennzeichnet  die deutsche Musikförderung, bei der Bund, Länder und Kommunen unterschiedliche Ziele verfolgen und nicht immer eindeutige Rahmenbedingungen setzen.

Mit mehr als sechs Millionen verkauften CDs galt „Tokio Hotel“ 2010 als eine der kommerziell erfolgreichsten Bands Europas. Aus „außenpolitischen Erwägungen“ bezuschusste das Auswärtige Amt dennoch einen Auftritt in Japan mit 25738 Euro. Dabei darf bezweifelt werden, dass die Magdeburger Pop-Band „gesamt­staatliche Bedeutung“ be­sitzt, um die ohnehin guten Beziehungen zwischen Deutschland und Japan noch weiter zu verbessern.

Zudem geschah der Auftritt als Jugendbotschafter in der Tokioter Botschaft für „150 Jahre Freundschaft zwischen Deutschland und Japan“ zeitgleich mit einem Konzert der Gruppe in dem Land, so dass die Höhe der Zuwendung kritikwürdig war, weil die Repräsentation des eigenen Landes ein Ehrenamt sein sollte und Aufwendungen für Flug und Übernachtung ohnehin angefallen wären. Wie sich als Antwort auf Anfrage der SPD 2011 herausstellte, gibt es keine übergreifende Strategie: Auswärtiges Amt, die anderen Bundesministerien sowie der Kulturstaatsminister koordinieren ihre Aktivitäten unzureichend.

Die historisch gewachsene Musikförderung des Bundes reicht von den Bayreuther Festspielen, über die Bewahrung des Erbes und der Auseinandersetzung mit dem Werk Richard Wagners bis zur Rock- und Popmusik. Seitdem der Bundesrechnungshof 2011 bei den Festspielen, die zuletzt 2,3 Millionen Euro erhielten, die Vergabe von Gratis-Eintrittskarten und festen Kartenkontingenten an Politiker und Prominente rügte, sollen mehr Karten in den freien Verkauf gelangen.

Zur „Förderung der (professionellen) populären Musik“ gab der Bund 75000 Euro als „einmalige Anschubfinanzierung“ für den Musikpreis „Echo Jazz“ aus. Die Deutsche Phono-Akademie des Bundesverbandes Musikindustrie vergibt diesen Preis seit 2010, um ihre bekanntesten und erfolgreichsten Künstler zu ehren. Von 2013 bis 2015 wird der Echo Jazz in Hamburg verliehen und wird dann von der Hansestadt mit 100000 Euro jährlich unterstützt. Dabei tritt der gebührenfinanzierte Sender NDR bereits als Medienpartner auf und überträgt die Veranstaltung. „Mit der Verleihung des ,Echo Jazz‘ entwickelt sich Hamburg immer mehr zur deutschen Hauptstadt des Jazz“, freute sich indes Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler und übersah, dass der Steuer- und Gebührenzahler eine Werbeveranstaltung der privaten Musikindustrie mitfinanziert.

2012 bemängelte der Landesrechnungshof Niedersachsen den Einfluss des Landes auf den Norddeutschen Rundfunk (NDR). Im Einvernehmen mit dem Land verwendet der NDR einen Teil seiner Rundfunkgebühr für die Musikförderung als landesgesetzliche Zweckbestimmung, rund 600000 Euro jährlich. So dürfe nur der NDR über die ihm zugewiesenen Gebührenmittel entscheiden, mahnten die Rechnungsprüfer. Die Mitgliedschaft des zuständigen Landesfunkhausdirektors in der Vergabejury, in der auch das Land vertreten ist, sei alleine kein Beweis, dass der Programmbezug garantiert ist. Eine eindeutige Dokumentation in den Protokollen der Jury sei vielmehr notwendig. Die Staatskanzlei wies die Kritik zurück und teilte mit, dass sich die „partnerschaftliche Förderpraxis“ bewährt habe.

Einen neuen Weg der Musikförderung will das Land Berlin mit einem sogenannten „Musicboard“ gehen. 2013 stehen im Landesetat eine Million Euro für die Vermittlung zwischen Kultur und Wirtschaft zur Verfügung. Die Forderung nach einer Kontakt- und Förderstelle ging dabei von der Branche und nicht von der Politik aus, wie die neue Musikbeauftragte Katja Lucker in einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“ erklärte. Der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit zeigte sich begeistert: „Wir werden in innovative Projekte investieren, durch die sich positive Effekte für die Popmusikszene und -wirtschaft insgesamt ergeben.“

Dabei kann das hoch verschuldete Berlin nicht einmal die Versorgung des Nachwuchses an Musikschulen und Regelschulen sicherstellen. Zwar müssen die Bezirke laut Schulgesetz eine Musikschule anbieten, der Um­fang ist ihnen aber freigestellt. Der Deutsche Musikrat geht von insgesamt 8000 Kindern auf den Wartelisten der Musikschulen aus. Teilweise gibt es bereits Wartezeiten von bis zu drei Jahren. Der Berliner Landeselternausschuss kritisierte 2012, dass die Senatschulverwaltung den Stundenausfall an den Regelschulen nicht näher beziffern könne und die fachfremde Vertretungsquote 25 Prozent betrage. 

Die Beauftragte Lucker betonte, dass die Pop- und Rockmusik besonderer Förderung bedürfe, und überging dabei, dass der Berliner Senat bereits 300000 Euro jährlich für den Bereich der Unterhaltungsmusik ausgibt. In­wieweit es sich beim „Music­board“ eher um eine Kultur- als um eine Wirtschaftsförderung handelt, bleibt abzuwarten. Eine klare Vorgehensweise scheint noch nicht zu bestehen.

Das Eintreten der öffentlichen Hand für die heimische Musik sollte beispielsweise dann überdacht und genauestens begründet werden, wenn kommerzielle und finanziell erfolgreiche Veranstaltungen und Gruppen sich auch ohne staatliche Unterstützung tra­gen. Nach Anga­­ben der Künstler­sozialkasse be­trägt das durchschnittliche Jahreseinkommen der Versicherten gerade einmal 12005 Euro, so dass bereits anderweitig Förderungsbedarf bestehen könnte, nämlich für Künstler, die am Rande des Existenzminimums leben.

Das finanziell klamme Berlin arbeitet vor allem mit Honorarkräften und weniger mit festangestellten Lehrkräften im Musikbereich. Das spart, sorgt aber kaum für eine kontinuierliche Nach­wuchsarbeit. Auch eine „anlass­bezogene Ab­stimmung“ auf Bundesebene zeugt nicht gerade von viel Weitsicht, wenn die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Bundestages in ihrem Abschlussbericht bereits 2007 Empfehlungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen musischen Schaffens erarbeitet hatte.        Ulrich Blode


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