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16.02.13 / Sittenwächter ausgebremst / Saudi-Arabien: König bietet kleine Reform, um Unmut zu mildern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-13 vom 16. Februar 2013

Sittenwächter ausgebremst
Saudi-Arabien: König bietet kleine Reform, um Unmut zu mildern

Nach einer Meldung der in London erscheinenden arabischen Zeitung „Asharq Al-Awsat“ soll ein neues Gesetz die Befugnisse der saudischen „Behörde für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters“, der „Muttawa“ genannten Religionspolizei, einschränken. Sheikh Abdul Latif Abdul Aziz Al-Sheikh, seit Januar 2011 Vorsitzender der Religionspolizei, erklärte, dass das neue Gesetz vorsieht, einige Kompetenzen „anderen staatlichen Behörden zu übergeben, wie zum Beispiel Verhaftungen und Verhöre“. Die Sittenwächter müssen künftig ihre Verhafteten umgehend an die allgemeine Polizei übergeben. Diese wird dann entscheiden, ob die Festgenommenen der Staatsanwaltschaft übergeben werden. Das neue Gesetz ersetzt ein Dekret, nach dem bereits seit letztem Jahr die Vollmachten der einst übermächtigen Religionsbehörde beschränkt worden waren.

Die Religionspolizei ist für die Umsetzung der wahhabitischen Auslegung der Scharia im öffentlichen Leben im saudischen Königreich zuständig. Die Muttawiyyun ziehen durch Restaurants, Ein-kaufszentren und Cafés, um die strikte Geschlechtertrennung zu kontrollieren, nach der sich nur Ehepartner oder blutsverwandte Frauen und Männer gemeinsam im öffentlichen Raum bewegen dürfen. Sittenwächter überwachen auch die Einhaltung der Fasten- und Gebetszeiten sowie das Fahrverbot für Frauen und die Kleidungsvorschriften. Bei der Durchsetzung der Scharia kam es in letzter Zeit jedoch mehr und mehr zu Übergriffen und Belästigungen. Die Klagen über das Verhalten der Muttawa mehrten sich. Deshalb will die Religions- und Sittenpolizei in Saudi-Arabien jetzt mehr Frauen einstellen. Al-Sheikh hatte bereits kurz nach seiner Ernennung die Freiwilligen aus der Sittenpolizei entlassen und die Zahl der „Moralapostel“ auf 3500 gesenkt. Nach dem neuen Gesetz sollen auch Straftaten, welche die Religionswächter bei der Ausführung ihres Amtes begehen, verfolgt werden. Bislang standen sie über den Gesetzen. Die Reform der Religionspolizei wird aber in Absprache mit deren Führung durchgeführt, sie soll weiterhin eine unabhängige Institution bleiben, die nur dem König Abdullah Bin Abdulaziz und Kronprinz Salman Bin Abdulaziz Rechenschaft schuldig ist.

Trotz seines Ölreichtums ist Saudi-Arabien mit immensen gesellschaftlichen Problemen konfrontiert, die fast alle mit der Stellung der Religion und der Frauen im öffentlichen Leben zu tun haben. Trotz Ausbildung bleiben die Frauen aus religiösen Gründen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Ein Heer von ausländischen Arbeitsmigranten, die mittlerweile die Hälfte der Bevölkerung stellen, wird für niedrige Arbeiten ins Land gelassen. Jetzt sollen eigene „Arbeitsstädte für Frauen“ die allgegenwärtigen religiösen Hindernisse für die Berufstätigkeit der Frauen vermindern. Der König verschaffte den Frauen erstmals eigene Personalausweise und schränkte die Kompetenzen der Schariagerichte ein; er berief eine Frau in sein Kabinett, er eröffnete Schulen für begabte Mädchen und förderte Frauen, die studieren. Der Reformdruck in Saudi-Arabien steigt seit Ausbruch des Arabischen Frühlings 2011. Außer von Seiten der Frauen steigt auch bei der Jugend der Druck auf das Herrscherhaus. Drei Viertel der Saudis sind jünger als 30 Jahre, 40 Prozent von ihnen sind ohne Arbeit. In Saudi-Arabien herrscht eine große Wohnungsknappheit, unter der vor allem junge Familien leiden. Bodo Bost


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