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16.02.13 / Knapp daneben gestorben / Frisch saniertes Museum in Eisleben bezeichnet sich als Sterbehaus Luthers – ist es aber gar nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-13 vom 16. Februar 2013

Knapp daneben gestorben
Frisch saniertes Museum in Eisleben bezeichnet sich als Sterbehaus Luthers – ist es aber gar nicht

Am 18. Februar 1546 starb der Reformator Martin Luther in Eisleben in einem Haus, das heute nicht mehr existiert. Trotzdem gibt es ein Museum „Luthers Sterbehaus“, das Anfang Februar nach Sanierung und Erweiterung wie­dereröffnet worden ist.

Über dem Eingang des Gebäudes Andreaskirchplatz 7 in Eisleben befindet sich eine Gedenktafel: „In diesem Hause starb Dr. M. Luther den 18. Februar 1546.“ Das aber ist ein Irrtum, der im

18. Jahrhundert aufkam. Den machte vor gut zehn Jahren die Stiftung Luthergedenkstätten aufgrund wissenschaftlicher Neuerkenntnisse publik. In unmittelbarer Nachbarschaft zum heutigen falschen „Sterbehaus“ befindet sich das Hotel „Graf von Mansfeld“. An seiner Stelle stand das wahre Sterbehaus Luthers. Die Geschichte des falschen Sterbehauses, das gleichwohl seit 150 Jahren eine echte Luthergedenkstätte ist, wird in einer Abteilung der neu eingerichteten Dauerausstellung dokumentiert.

Nach zweijähriger Sanierung des historischen Gebäudes und der Errichtung eines Erwei­terungsbaues ist das Museum „Lu­thers Sterbehaus“ am 2. Fe­bruar wiedereröffnet worden. Die Kosten von fast sechs Millionen Euro brachten der Bund, das Land Sachsen-Anhalt, die Stadt Eisleben und die Stiftung Luthergedenkstätten auf. Den Entwurf zum hofseitig gelegenen Erweiterungsbau lieferte eine Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft. Der schnörkellose Nutzbau wirkt mit seiner kubischen Kantigkeit trutzig. Er ist außen mit Klinker in hellen Beigetönen verkleidet und weist Fensterzonen auf, die vom Fußboden bis zur Decke reichen. Im Inneren herrscht hochwertiger Sichtbeton vor.

Durch die Erweiterung ist die Ausstellungsfläche von 295 auf 1045 Quadratmeter gestiegen. Die neue Dauerschau „Luthers letzter Weg“ führt durch Alt- und Neubau. Sie beginnt mit spätmittelalterlichen Vorstellungen vom Jüngsten Gericht, von Himmel und Hölle sowie Luthers Glaubensreform. Dann berichtet sie von Luthers Sterben und Tod, bevor sie mit Einblicken in die protestantische Sterbe-, Trauer- und Erinnerungskultur endet. Die Inszenierung bringt historische Objekte und Dokumente, deren Nachbildungen, Texttafeln und Hörstationen zum Einsatz. Ja sogar eine Riechstation ist aufgeboten. Da steigt einem der Geruch von Rosenessig und anderen Essenzen in die Nase. Mit solchen Wassern wurde der sterbende Reformator gewaschen, um ihn zurück ins Leben zu holen.

Was war geschehen? Der 1483 in Eisleben geborene Luther war im eisigen Januar 1546 in seine Heimatstadt gereist, um Streitigkeiten zwischen den Grafen von Mansfeld schlichten zu helfen. Er war altersschwach, litt unter dem Grauen Star, Schwerhörigkeit, Blasensteinen und Angina pectoris. Der im Haus des Stadtschreibers Johann Albrecht logierende Luther fühlte sein Ende nahen und rief: „Doktor Jonas und Herr Michael (Cölius), ich bin hier zu Eisleben geboren und getauft, wie wenn ich hierbleiben sollte?“

So kam es: Am 18. Februar erwachte er um 1 Uhr in der Frühe mit starken Schmerzen und wurde von der Schlafkammer auf ein im Nebenraum stehendes Ruhesofa umgebettet. Mit einem letzten Gebet empfahl er sich Gott: „Mein himmlischer Vater ... nimm mein Seelchen zu Dir!“ Der Reformator Justus Jonas und der Mansfelder Hofprediger Michael Cölius übernahmen die Aufgabe der Sterbebegleitung. Nachts um 2.45 Uhr verschied Martin Luther an einem Herzinfarkt. Bereits eine Stunde später diktierte Jonas mit Unterstützung von Cölius den Sterbebericht. Eine unmittelbar nach dem Diktat angefertigte Abschrift wurde erst vor wenigen Wochen aus Privatbesitz für das Museum erworben und gehört nun zu den Glanzlichtern der Dauerausstellung.

Das irrtümlich für Luthers Sterbehaus gehaltene Gebäude stand 1861 zum Verkauf. In Eisleben kam die Befürchtung auf, die katholische Gemeinde könnte es erwerben und für ihre missionarischen Zwecke „missbrauchen“. Das veranlasste den späteren Kaiser Wilhelm I., das „Sterbehaus“ zu kaufen. Er beauftragte den preußischen Baubeamten Fried­rich August Ritter, das immerhin tatsächlich lutherzeitliche Haus „möglichst in den Zustand wieder zu versetzen, in welchem es sich bei dem Ableben Luthers befand“. Orientiert an dem von Jonas und Cölius verfassten Sterbebericht, entwarf Ritter die Aufteilung der Sterberäume in eine große, holzvertäfelte Stube und ein kleines Schlafzimmer mit Bettnische.

Eisleber Bürger gründeten 1886 die „Luther-Festspielgesellschaft“, um mit der Aufführung des Dramas „Luther“ Geld für eine angemessene Ausstattung der leeren Räume von Luthers „Sterbehaus“ einzuspielen. Von den Einnahmen finanzierte sie den Erwerb des originalen Bahrtuchs von Luthers Sarg und die Einrichtung der beiden „Sterberäume“ im Stil des 16. Jahrhunderts. Der Auftrag ging an Friedrich Wilhelm Wanderer, Professor an der Nürnberger Kunstgewerbeschule. Als R­eferenz konnte er auf seine historisierende Einrichtung zwei­er Räume im Nürnberger Dürer-Haus verweisen. Die nach seinen Entwürfen gestalteten beiden „Sterbezimmer“ Luthers wurden 1894 eingeweiht. An den holzvertäfelten Wänden hängen Kopien nach Gemälden Lucas Cranachs, die Luther, seine Frau, Mitstreiter, aber auch seinen Gegner Kaiser Karl V. darstellen. Den Mittelpunkt seiner Inszenierung bildet aber ein mächtiger Schrein, der unter Glas das originale Bahrtuch Luthers präsentiert.

Ein spektakulärer späterer Neuzugang ist das Riesengemälde „Luthers letztes Bekenntnis“ (1905), das der von Kaiser Wilhelm II. sehr geschätzte Historienmaler William Pape geschaffen hat. Um es unterzubringen, wurde das große Sterbezimmer 1907 umgeräumt. Weil mit den Jahren Wanderers historisierende Einrichtung als unzeitgemäß galt – und obendrein immer mehr Besucher glaubten, in ihr sei Luther tatsächlich gestorben –, wanderten mehr und mehr Objekte ins Depot. Die sentimentale Gedenkstätte wurde damit zum Museum versachlicht.

Nach der jetzigen Sanierung und Erweiterung aber will „Luthers Sterbehaus“ beides sein: Museum und Gedenkstätte. Deshalb wurden die beiden „Sterberäume“ wieder mit Wanderers Einrichtung ausgestattet, deren Objekte zu diesem Anlass aus den Geldspenden zahlreicher „Paten“ restauriert worden sind. Veit-Mario Thiede


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