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23.02.13 / Ganz im Sinne von Gregor Gysi / »Spiegel« kritisiert Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde – PAZ prüft nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-13 vom 23. Februar 2013

Ganz im Sinne von Gregor Gysi
»Spiegel« kritisiert Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde – PAZ prüft nach

Laut Jahn-Behörde erschweren Fehleinschätzungen des Bundes die Arbeit und auch die Unterstützung durch andere Behörden sei ausbaufähig.

So richtig überraschen die Stasi-Vorwürfe gegen den Spitzenkandidaten der Partei „Die Linke“, Gregor Gysi, nicht. Beachtenswert ist jedoch der Augenblick, in dem sie offenbar so stark sind, dass sogar seine Immunität als Bundestagsabgeordneter aufgehoben wird. Da die Vorwürfe aus dem von der SPD allein regierten Hamburg kommen, mutmaßt so mancher, die Sozialdemokraten wollten ihren politischen Konkurrenten schwächen. Nur wenn „Die Linke“ bei der nächsten Bundestagswahl nicht allzu viele Stimmen aus dem rot-grünen Lager bekommt, ist eine Regierungskoalition von SPD und Grünen überhaupt möglich.

Noch interessanter als die jetzt erneut aufgetauchten Vorwürfe gegen Gysi dürfte jedoch der gewählte Zeitpunkt der Kritik im „Spiegel“ an der Amtsführung von Roland Jahn sein, der seit März 2011 Chef der Stasi-Akten-Behörde ist. Laut dem Hamburger Magazin waren Mitte letzten Jahres zwei Ministerialbeamte der Bundesregierung bei Jahn in der Behörde, um unter anderem die schleppende Antragsbearbeitung zu thematisieren. Auf den Besuch der Beamten angesprochen, erwidert die Pressesprecherin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Dagmar Hovestädt, dass es diesen nie gegeben habe. Allerdings gebe es regelmäßig Beratungen zwischen der Jahn-Behörde und ihrer Dienstaufsicht, dem Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann. Dabei ginge es immer um die Antragszahlen und die Erledigung. Und in der Tat sorge der bereits in den späten 90er Jahren beschlossene Personalabbau bei der Behörde dafür, dass die Antragsbearbeitung nicht das Tempo erreicht, dass man sich wünsche. „Der Personalabbau geht seither kontinuierlich voran, aber gleichzeitig, entgegen der Erwartung, sind die Antragszahlen hoch geblieben und in manchen Jahren auch steigend, so dass eine klare Schere zwischen Nachfrage und Kapazität zur schnellen Erledigung schon seit Jahren besteht. Der jetzige Bundesbeauftragte, wie auch seine Vorgängerin, mühen sich, durch interne Umsetzungen, Effizienzsteigerungen und mögliche zusätzliche Mittelbeantragung, Abhilfe zu schaffen“, schildert die Pressesprecherin die Ursachen für die Verzögerungen.

Und noch andere Kritikpunkte gegen den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und SED-Gegner Jahn werden hervorgebracht. Bei Amtsantritt hatte er medienwirksam verkündet, jene 47 Mitarbeiter in seiner Behörde, die zu DDR-Zeiten beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet haben, im Interesse der Stasi-Opfer nicht mehr dulden zu wollen. Der „Spiegel“ merkt nun an, dass Jahn trotz zahlreicher Willensbekundungen erst drei Mitarbeiter bei anderen Behörden untergebracht habe. Vier andere seien inzwischen in Rente, einer erwerbsunfähig und ein anderer verstorben. Nun mag es tatsächlich der Stimmung im eigenen Haus nicht dienlich gewesen sein, einige Mitarbeiter als nicht mehr tragbar zu bezeichnen. Allerdings überraschte Jahns Gang an die Öffentlichkeit insoweit, als kaum jemand damit gerechnet hatte, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter gerade an dieser sensiblen Stelle eingesetzt sein könnten. Und auch wenn diese nicht mit der Sichtung der Stasi-Akten beauftragt sind, so wirkt ihre Beschäftigung bei dieser Behörde doch deplatziert. Vieles spricht dafür, dass Jahn mit seinem Gang an die Presse versucht hatte, über öffentlichen Druck eine Lösung des Problems zu erzwingen, das seine Amtsvorgänger Joachim Gauck und Marianne Birthler still geduldet hatten. Doch Jahns Plan ging nicht auf. Offenbar ist es nicht möglich, in einem Land, das ganze Behörden verschiebt und im Rahmen von Privatisierung selbst Beamte von Post und Bahn an anderer Stelle untergebracht hat, der Stasi-Unterlagen-Behörde 47 Stellen für Mitarbeiter mit eher einfacheren Qualifikationen anzubieten. „Es hat mehrere Anfragen in den entsprechenden Zusammenhängen der Verwaltung der Bundesrepublik dazu unsererseits gegeben“, so die Pressesprecherin diplomatisch. Der nun vorhandene Stellen-Pool sei aber immer noch nicht ganz ausreichend für alle noch beschäftigten MfS-Mitarbeiter. Zeit sei dabei aber auch nicht der Erfolgsmaßstab, ergänzt Hovestädt.

Der „Spiegel“ unterstellt Jahn zudem eine planvolle Verschleppung bei der Schließung einiger Außenstellen der Behörde und behauptet, er wolle deren bereits beschlossenes Aufgehen im Bundesarchiv verhindern. Doch das, was das Magazin als gesetzt ansieht, ist so keineswegs vorgesehen. So ist das Bundesarchiv gar nicht in der Lage, den für die Stasi-Akten speziellen Datenschutz zu gewährleisten. Aus der Jahn-Behörde heißt es zudem: „Das Datum 2019 ist nirgendwo als ein End-Datum der Behördenarbeit festgelegt, es bezeichnet das Jahr, in dem laut Stasi-Unterlagen-Gesetz die Überprüfung des öffentlichen Dienstes ein Ende findet.“ Vielmehr sei es Aufgabe einer von den Regierungsparteien im Koalitionsvertrag angekündigten Expertenkommission, Vorschläge für die Zukunft der Behörde zu unterbreiten. Allerdings gibt es dieses Gremium bis heute nicht. Daher weiß derzeit keiner der Mitarbeiter im Hause Jahn, wie es um seinen Arbeitsplatz nach 2019 bestellt ist. Und wie Stasi-Opfer oder deren Verwandte dann erfahren können, ob es Stasi-Akten über sie gibt und was darin steht, ist ebenso ungewiss. Gewiss ist nur, dass die Hamburger Ermittler, die bezüglich Gysis Stasi-Vergangenheit recherchieren, auf Hilfe der Jahn-Behörde angewiesen sind. Ein in seiner Reputation geschwächter und eingeschüchterter Jahn hilft hier vor allem einem: Gregor Gysi. Rebecca Bellano


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