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23.02.13 / Dickschädel / aus Schwaben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-13 vom 23. Februar 2013

Porträt
Dickschädel
aus Schwaben

Als Hermann Lenz literarisch entdeckt wurde, war der Schriftsteller bereits 60 Jahre alt. Zu verdanken hatte er die Entdeckung einem jüngeren Kollegen, der bis dahin schon weit mehr Lorbeeren eingesammelt hatte: Peter Handke feierte 1973 in einem Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ den Stuttgarter Autor geradezu euphorisch.

Handke fühlte sich „kaum jemals so geborgen“ wie in den Büchern von Lenz, der am 26. Februar 1913 geboren wurde. Das sagte ausgerechnet einer, der von der Gruppe 47 regelrecht hofiert wurde, während Lenz dort selbst so etwas wie ein traumatisches Erlebnis hatte. 1951 erhielt er dort eine regelrechte Abfuhr, als er aus dem Roman „Der innere Bezirk“ las. Lenz lag einfach nicht auf der zeitgeistigen Linie der Gruppe, die sich mit der Kriegs- und Nachkriegszeit kritisch auseinandersetzen wollte.

Wo sich Autoren wie Ilse Aichinger, Heinrich Böll oder Wolfgang Hildesheimer die Elterngeneration als Zielscheibe vornahmen, suchte Lenz versöhnlichere Töne. Allein der Titel „Innerer Bezirk“ deutete den Rückzug in die Selbstreflexion und in eine der Realität abgewandte Traumwelt an. In der Folge fanden sich für Lenz’ Werke stets nur wenige hundert Käufer.

Dabei hätte Lenz es sich einfach machen und nur seine Kriegserlebnisse schildern können. 1941 stand er mit einer Infanterie-Einheit vor dem Kessel von Stalingrad. Er entkam der Katastrophe, wurde nach Frankreich beordert und kam dort in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft. Teile dieser Autobiographie baute er in sein Hauptwerk ein, einem zwischen 1966 und 1997 erschienenen zehnbändigen Romanzyklus um die Figur Eugen Rapp, die einen Alter Ego von Lenz darstellt. Darin erfährt der Leser, was den jungen Autor sein Leben lang geprägt hat: der geistige Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der ihn in Innenwelten flüchten ließ. Er sei ein „schwäbischer Dickschädel“, sagte er.

Genau dieses wird es gewesen sein, das Handke in seinem väterlichen Freund Lenz einen Seelenverwandten sah. Ausgerechnet in den politisch hochbrisanten 70er Jahren wurde ein sturer Vertreter der Innerlichkeit en vogue. Jetzt trat Handkes Verleger Suhrkamp auf den Plan und veröffentlichte die Bücher von Lenz. Ein Geheimtipp ist der 1998 in München gestorbene Autor trotz zahlreicher Auszeichnungen wie dem Büchnerpreis oder dem Bayerischen Verdienstorden bis heute geblieben. Und das, obwohl er nicht den Bekanntheitsgrad besitzt wie der in Livland geborene Klassiker und Dramatiker Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792) oder der aus Ostpreußen stammende norddeutsche Erzähler Siegfried Lenz. Tws


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