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02.03.13 / Zügel zu locker gelassen / Mit mangelnden Kontrollen von Lebensmitteln hat die EU den Pferdefleischskandal ermöglicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-13 vom 02. März 2013

Zügel zu locker gelassen
Mit mangelnden Kontrollen von Lebensmitteln hat die EU den Pferdefleischskandal ermöglicht

Nicht die unter einem Mangel an Kontrolleuren leidenden deutschen, sondern irische Behörden brachten den europaweiten Skandal um heimlich in Nahrungsmittel gemischtes Pferdefleisch im Januar ans Licht. Das Ausmaß überrascht Verbraucher, zeigt Mängel bei Tests auf und offenbart die Folgen falschen Sparens bei der Kontrolle.

Die Deutschen wünschen sich mehr Lebensmittelkontrollen: Rund 84 Prozent der aktuell vom ZDF-Polit-Barometer Befragten befürworten strengere Gesetze, nur 41 Prozent glauben, dass es die auch geben wird. Die Werte zeugen vom

Misstrauen der Verbraucher in den Umgang der Politik mit Lebensmittelsicherheit. Auslöser ist der aktuelle Skandal um nicht ausgewiesenes Pferdefleisch in Fertignahrung – ein überraschender Skandal, ist doch Pferd eigentlich teurer als Rind oder Schwein. Vom Skandal betroffen sind vor allem tiefgekühlte Hack-fleischgerichte. Bei solchen Fertiggerichten ist das Schummeln leicht, denn hier müssen Hersteller die Herkunftsländer der Ware nicht angeben.

Der Skandal rückt die Vernetzung im grenzenlos Fleisch verschiebenden Europa ins Licht. Diese Vernetzung ist ein Irrgarten: Riesige Fleischlager und lange Vertriebswege von Handelskonzernen und Auftraggebern von Zypern bis in die Niederlande sorgen dafür, dass Fleisch oft lange und schwer nachvollziehbare Wege nimmt, bevor es den Verbraucher erreicht. War Pferd für Rheinischen Sauerbraten oder eine Salami einst eine geschätzte Zutat, so empört der aktuelle Skandal nicht nur, weil die Fleischsorte aus der Mode ist und der Pferdeschlachter längst unüblich. Das als Freizeitpartner und nicht als Nahrung wahrgenommene Pferd tritt unerwartet auf den Speiseplan. Der bewusste Pro-Kopf-Verbrauch von Pferd als Nahrung in Deutschland liegt seit Jahrzehnten bei mageren 0,1 Kilogramm im Jahr. Vor allem der Etikettenschwindel der Branche, die statt der angegebenen Sorten teils 30 bis 100 Prozent Pferd in Fertig-essen mengt, empört jetzt Verbraucher. Hinzu treten die Tierquälerei auf langen Transporten sowie die Zustände in manchen Schlachtanlagen und Lagern.

Verdächtigten britische Medien anfangs eine rumänische „Pferdemafia“, die gezielt falsch ausgewiesene Ware nach Frankreich gebracht habe, sind inzwischen viele europäische Konzerne nachweislich in den Skandal verwickelt. In mehr als zwei Dritteln der Mitgliedsstaaten spürten Tester falsch ausgewiesenes Fleisch auf. Wie viel davon verzehrt wurde, lässt sich nicht einmal schätzen.

Bei der Frage der Herkunft steht Rumänien weiter in der Kritik. Laut der britischen Zeitung „Daily Mail“ exportiert das Land jährlich gut 14000 Tonnen. Seit Pferdefuhrwerke gesetzlich von den Straßen des Landes verbannt seien, steige die Rate weiter, so das Blatt. Gut zehn bis zwölf Millionen Euro verdient Rumänien jedes Jahr mit den Exporten, schätzen Experten. Bukarests Landwirtschaftsministerium bestätigt für 2012 einen Exportanstieg um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die landesweite Pferdezahl sank von 800000 im Jahr 2008 auf derzeit 600000. Die Armut der Bauern nährt diese Entwicklung. Die spielt auch in Polen eine Rolle. Das Land hält weltweit den sechsten Platz bei der Pferdeschlachtung, ist Nummer zwei in Europa mit rund 40000 Schlachtungen jährlich, so die Tierschutzorganisation Humane Society International. Im Land selbst wird das dortige Nutztier aber genauso zurückhaltend verzehrt wie in Rumänien. Der erste Verdacht irischer Politiker gegen Polen zerschlug sich, als belastete Proben auch bei irischen Konzernen ohne Geschäftsverbindung nach Polen auftauchten.

Ein Überangebot von Schlachtpferden in Osteuropa fällt so als alleinige Ursache des Schwindels aus. Rumänische Politiker sagten, ihre Exporte seien korrekt als Pferd ausgewiesen nach Frankreich gelangt. Funde solcher korrekt bezeichneten Proben bestätigten diese Sicht. Auch Polens Veterinäre entdeckten bisher keine falschen Ausfuhren. Dass die Verantwortung nicht allein bei den Exporteuren liegt, zeigt auch der Fall eines niederländischen Händlers, der gezielt Pferd als Rind verkaufte, obwohl er bereits einschlägig vorbestraft war. Und selbst Verbraucher, die billige Lasagne schon bisher aus Argwohn vor dem Preis-Leistungsverhältnis mieden, sind nicht sicher: Der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé hat Pferdefleisch in „Buitoni“-Produkten entdeckt. Der Skandal beruht somit auch nicht allein auf Verbraucherwünschen nach günstiger Nahrung, denn bei der Marke handelt es sich nicht um ein Billigprodukt. Vielmehr kontrolliert Europa zu wenig. DNA-Tests sind nicht Standard, Binnengrenzen als einstige Kontrollstellen abgeschafft. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure, Martin Müller, mahnte zudem die deutsche Politik, mehr Geld für Kontrolleure auszugeben: „Das Sicherste bleibt die Probenahme. Dabei ist es absolut kein Problem, Fleischsorten zu erkennen.“ Sverre Gutschmidt


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