19.04.2024

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02.03.13 / Überall nur Bannerträger und Ulknudeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-13 vom 02. März 2013

Moment mal!
Überall nur Bannerträger und Ulknudeln
von Klaus Rainer Röhl

Der Wahlkampf für 2013 hat begonnen. Viele Politiker der Opposition hoffen auf eine Wende und damit auf Teilnahme an der Regierung. Für viele der älter gewordenen Grünen ist es ihre letzte Chance. Aber es gebe keine Wechselstimmung im deutschen Volk, berichtete letzte Woche die Leiterin des Allensbacher Instituts für Demoskopie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“). Die Menschen sind zufriedener als vor den Wahlen 2009. Die positive Entwicklung der Wirtschaft hat dazu geführt, dass sich viel mehr Bürger als Wohlstandsgewinner fühlen als 2009.

Allem Krisengerede der Medien zum Trotz ist die Mehrheit der Deutschen guten Mutes. Denken sie an Deutschland in der Nacht, sind sie keineswegs um den Schlaf gebracht. Die meisten sehen den nächsten zwölf Monaten zuversichtlich entgegen. Die große Mehrheit erwartet eine stabile Entwicklung auch auf dem Arbeitsmarkt.

Die Erwartung kommt nicht von ungefähr. Die deutsche Wirtschaft ist zurzeit geradezu Europameister im Optimismus. Der Geschäftsklima-Index vom Münchner Ifo-Institut machte im Februar einen unerwarteten Sprung nach oben. Während die Arbeitslosigkeit überall im Euro-Raum steigt – Spitzenreiter sind Griechenland und Spanien mit je 27 Prozent –, liegt die Arbeitslosigkeit in Deutschland bei 5,7 Prozent.

Vor allem die deutsche Kanzlerin geht als Siegerin aus allen Umfragen hervor. Schon 2009 hielten 47 Prozent der Bundesdeutschen Merkel für eine starke Kanzlerin. Heute sind es 61 Prozent. Selbst 45,5 Prozent der SPD-Anhänger und sogar 54 Prozent der Grünen-Wähler halten Merkel für eine starke Kanzlerin. Nur 35 Prozent wünschen einen Regierungswechsel. Aber nur 27 Prozent wünschen sich eine rot-grüne Allianz, 33 Prozent würden eine Koalition aus Union und SPD gut für Deutschland finden, während nur 19 Prozent der Befragten für die gegenwärtige Koalition sind. Die Deutschen wünschen sich eine große Koalition unter der starken Mami Merkel. Können Peer Steinbrück oder Jürgen Trittin in den nächsten acht Monaten daran noch etwas ändern? So meint das Allensbacher Institut: „Ein erfolgreicher Wahlkampf aus der Opposition heraus setzt entweder verbreitete Unzufriedenheit und Ängste vor schmerzhaften Reformen durch die Regierungsparteien voraus oder eine mitreißende Vision für die weitere Entwicklung des Landes. Mitreißende Visionen, die den Wunsch nach einem Wechsel stimulieren könnten, sind nicht zu entdecken.“

Vielleicht hatte Bundespräsident Joachim Gauck – oder war es seine Pressesprecherin Ferdos Forudastan, früher Korrespondentin der „taz“ und der „Frankfurter Rundschau“ – die Idee, in seiner ersten großen Rede am 22. Februar eine Vision zu verkünden: Für Europa! Herausgekommen ist eher eine den Zuhörern mitunter peinliche Beschwörung, trotz des Fehlens einer gemeinsamen Geschichte, einer Sprache und Kultur mehr Europa zu wagen. Auf Deubel komm raus. Bannerträger zu sein. Lieber Bannerträger als Bedenkenträger. Keine Angst vor Deutschland, rief er den eingeladenen Diplomaten und den gut und korrekt sortierten Jugendgruppen zu. Keine Angst vor Deutschland, beschwor er sein Publikum. Europa solle nicht deutsch werden, sondern Deutschland europäisch. Ein Satz wie eine Glocke, klingt gut, ist aber hohl. Nichts an diesem Satz stimmt. Denn niemand in Europa fürchtet, dass Deutschland ihr Land eingemeinden will, eher würden viele gern zu Deutschland gehören und unternehmen die abenteuerlichsten Reisen, um dieses Ziel zu erreichen. Und Deutschland soll europäisch werden, was meint der Präsident denn damit? Unsere Identität ablegen wie einen Mantel an der Garderobe, während alle anderen Völker nichts so sehr fürchten, wie ihre Eigenart zu verlieren? Deutschland voran, Augen zu und durch? Tatsächlich liefen die praktischen Vorschläge Gaucks darauf hinaus, die nationalen Sprachen langsam zu behandeln wie in früheren Zeiten die Dialekte und eine einheitliche Sprache in Europa einzuführen. Englisch. Man solle alle Bevölkerungsschichten ermuntern oder anleiten, Englisch zu sprechen. Der englische Botschafter, dessen Land nicht nur den Euro, sondern die weitere Ausdehnung der EU strikt ablehnt und sogar mit dem Gedanken an einen Austritt liebäugelt, lachte beifällig ins Mikrofon: „Ja, Englisch lernen!“

Er denkt wie die meisten Engländer nicht im Traum daran, seine Sprache durch Deutsch oder sagen wir Bulgarisch zu ersetzen. Wie alle seine Landsleute erwartet er, dass die übrigen Europäer Englisch sprechen.

Dem wegen seiner Rolle als Mitglied der Opposition gegen die DDR-Machthaber hochgeschätzten gelernten Prediger ist bei seiner Suche nach einer mitreißenden Vision etwas entgangen: Dass die Sprache eines Volkes, außer seiner Herkunft und seiner Geschichte, seine Identität bedeutet – „tiutsche zunge“ nennt Walther von der Vogelweide um 1220 die Deutschen. Deutsch ist, wie Griechisch oder Rumänisch, kein Dialekt.

Englisch lernen. War das die Vision? Eher war es eine Halluzination. Viel mehr Vorschläge gab es nicht. Dann sollte es noch einen gemeinsamen Fernsehsender für Europa geben. Beim europäischen Schlagerwettbewerb (Contest) gebe es das ja auch. Wahrhaftig eine Vision, ein Europasender mit Stefan Raab als Sprecher und Ulknudel Anke Engelke als Assistentin. Kein Scherz. Der Schlagersänger und Showmaster bei RTL war ja allen Ernstes als Moderator für das geplante Rededuell zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer im Gespräch. „Wattehaddedudeda“? Hattuda neue Vision für Europa?

Keine Angst: Die Bürger Deutschlands haben ziemlich klare Vorstellungen davon, worum sich die nächste Bundesregierung kümmern sollte: Beendigung oder wenigstens Revision der überhastet beschlossenen Energiewende, die noch in diesem Jahr einen Preisanstieg für Heizung und Strom gebracht hat, der für Rentner und Arbeitslose lebensgefährdende Folgen hat. Sicherung der Renten vor den Folgen des ebenso überhastet eingeführten Euro-Rettungsschirms, Schutz der Jugend vor dem ungebremsten Wachstum von elektronischen Suchtmitteln, Sicherheit auf den Straßen und vor den zu erwartenden Millionen „Armutsflüchtlingen“ aus Bulgarien und Rumänien, auf gut altdeutsch auch Zigeuner genannt.

Vielleicht brauchen wir wirklich mitreißende Visionen. Eine neue demokratische Rechte zum Beispiel. Nachdem die CDU nahezu alle konservativen Positionen einer fast hingebungsvollen Sozialdemokratisierung geopfert und durch die Abschaffung der Atomkraftwerke die Forderungen der Grünen sogar übererfüllt hat, verschwammen die Unterschiede zwischen den Parteien bis zur Verwechselbarkeit.

Über zwei Millionen Stammwähler hat die CDU bei der letzten Wahl verloren 1,1 Millionen an die FDP – aber 900000 Millionen Stimmen verlor die Union an die „Nichtwähler“. Die 900000 waren Menschen, die 2009 nicht gewählt haben, weil sie sich in der CDU nicht mehr wiedererkennen konnten.

Auf 15 Prozent beziffert das Allensbacher Institut das Wählerpotenzial für eine rechte Mitte. Lernen wir von Europa. In jedem Land Europas gibt es linke und rechte Positionen und Parteien, die sie wahrnehmen. In Deutschland ist an der Stelle, wo eine demokratische Rechte sein müsste, ein Vakuum. Eine neue Partei, das wäre eine mitreißende Vision. Aber die konnten wir nicht von Präsident Silberzunge erwarten.


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