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02.03.13 / Tierischer Migranten-Ansturm / Erst die Wölfe, jetzt die Elche – In die Mitte Deutschlands wandern früher dort heimische Wildtiere wieder ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-13 vom 02. März 2013

Tierischer Migranten-Ansturm
Erst die Wölfe, jetzt die Elche – In die Mitte Deutschlands wandern früher dort heimische Wildtiere wieder ein

Mit dem gleichzeitigen Auftreten von Elch und Wolf in Brandenburg könnten sich in Zukunft Wechselbeziehungen zwischen beiden Arten einstellen, wie sie Forscher in Nordamerika fest­gestellt ha­ben. Wölfe verringern dort den Elchbestand in dem Maß, wie der natürliche Bestand an jungen Elchen wächst.

Zwei Fußballfelder groß mit grotesk verlängerter Schnauze und großen Geweihschaufeln bauten Menschen in der Jung­steinzeit einen Elch als Geoglyph, als riesiges Erdbild, auf den Boden des Urals. Das jüngst wiederentdeckte Mauerbild machte sich gut in der Draufsicht von einem nahen Hügel aus. Lebendige Elchsichtungen verzeichnet derzeit Deutschland. Brandenburg ist offiziell zum „Elcherwartungsland“ aufgestiegen. Auch in Nordhessen und Bayern wurden die Großhirsche wieder mehrfach gesichtet.

Am Elch kommt kaum jemand vorbei, und das im doppelten Wortsinn. Die Schutzgemeinschaft Deutsches Wild kürte die zwischen 200 bis 800 Kilogramm schweren Kolosse schon 2007 zum „Tier des Jahres“, um auf „große Tierarten aufmerksam zu machen, die auf natürlichem Wege in ihre alte deutsche Heimat zurückkehren“. Zuvor verdienten sich bereits Wolf und Braunbär diese Auszeichnung.

Bei Elchen in Deutschland fällt das Stichwort Ostpreußen, das Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen, wo der Elch nicht nur identitätsstiftend wirkte, sondern selbst auch liebevoll gehegt wurde. Von den Mitte der 1940er Jahre gezählten 1200 Elchen zwischen Memel und Weichsel überlebten indes nur wenige die Kriegswirren am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Neben solch traurig stimmender Erinnerung an einst aufwendig gepflegte Jagd- und Schutzreviere tragen heute vor allem lustige Filme zur großen Beliebtheit der Tiere bei. Elchvideos gehören zum Meistgesehenen, was Videoseiten im Internet zu bieten haben, zum Beispiel den schwedischen Jogger, der gedankenversunken einem Elch auf einem Waldweg entgegenläuft. Kurz und sichtbar beherrscht schreckt der Mann auf, kehrt um und überlässt dem majestätischen Tier den Weg, das, ohne Notiz zu nehmen, gemächlich seiner Wege geht.

„Elche steh’n und lauschen in die Ewigkeit“, so verewigte Erich Hannighofer (1908–1945) das Wesen der Tiere im Text zum Ostpreußenlied nach der Melodie des Königsbergers Herbert Brust (1900–1968).

Die Internetwelt hat sich ebenfalls des Elchs angenommen: Hier ist ein „Elch“ ein Begriff für Teilnehmer an Diskussionsrunden, die mit provokanten Beiträgen eine Gruppe so aufmischen, dass sich ein dahindümpelndes Gespräch in leidenschaftliche Debatten verwandelt.

Mit Schulterhöhen von eineinhalb bis fast zweieinhalb Metern ist den echten Elchen solches Temperament eher fremd, zumindest außerhalb der Paarungszeit. Bei Brandenburgs bislang 45 dokumentierten Elchsichtungen seit 2010 spielt dieses Geschehen aber noch keine Rolle. Die in der Mark gesichteten Tiere sind über die Oder aus Polen eingewandert. Auf polnischem Gebiet leben nach aktuellen Schätzungen des World Wide Fund for Nature in Deutschland (WWF) derzeit rund 14000 bis 16000 Elche. Das größte Elch-Reservat liegt an der Bober im 1993 eingerichteten Biebrza-Nationalpark. Elche ge­nießen in Polen zwar keinen grundsätzlichen Bejagungsschutz, doch seit 2001 gilt dort ein Moratorium.

Deutsche Jagdbüros werben inzwischen mit Elchbildern für die Jagd in Masuren, Elche schauen darf man ja mal. Im Königsberger Gebiet sieht das anders aus. Glaubt man Berichten von Jägern aus der Region, ist der Bestand dort vor allem im Süden in den letzten Jahren gestiegen. Doch die Gegenwart der Elche im Samland ist traurig: Laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti lässt sich die einst stolze Population nur schwer wiederherstellen, wenn die Zahl der Tiere unter 15 sinkt. Zählungen ergaben demnach 2009 nur noch acht Tiere im Nationalpark Kurische Nehrung. Und 2010 wurden gar nur noch sechs gezählt. Ein Tier wurde bei einem Autounfall getötet, ein anderes fiel Wilderern zum Opfer. Selbst wenn noch 15 Tiere vorhanden sein sollten, wie manche Jäger aus der Region jüngst im Internet schrieben, so geht Abschuss hier offensichtlich vor wirksamen Naturschutz. Gouverneur Nikolaj Tzukanow kündigte immerhin an, dieses Jahr die Jagd auf Elche mit einem neuen Gesetz zu begrenzen.

In Brandenburg bieten viele Seen und Gewässer mit den von Elchen heiß geliebten Wasserpflanzen einen neuen Lebensraum. Brandenburgs Agrarministerium will daher einen „Ma-nagementplan“ mit Waldbesitzern, Bauern, Naturschützern, Jägern und Straßenämtern sowie Naturkundemuseen erarbeiten. Ein Entwurf liegt nun vor. In Ostbrandenburg und Teilen Mecklenburgs waren die Hirsche auch früher heimisch. Eine aktive Ansiedlung der Neuelche soll dennoch nicht stattfinden – unerwünscht sind sie allerdings auch nicht, wie auch die bayerische Politik betont. Aus Tschechien wandern dort Elche ein.

Den Neuankömmlingen fällt es mitunter aber noch schwer, sich zurechtzufinden: Im September zweigte ein Elch auf die Autobahn nach Berlin ab und wurde überfahren. Auch die bayerische Landesregierung erarbeitete bereits einen Elch-Management-Plan. Ziel ist nicht der Abschuss, vielmehr gilt es, auf den enormen Nahrungsbedarf der Tiere zu reagieren. Um rund 30 Kilogramm Baumtriebe, Blätter und Gras erleichtert ein Elch täglich den Wald. Da auch der Wolf eingewandert ist, hoffen die Umwelt-Experten, dass die Natur die Elch-Population von selbst regelt. Wölfe gelten als natürliche Feinde der größten Hirschart.

Auch Brandenburgs Plan befasst sich mit Verkehrssicherheit sowie Schäden in Land- und Forstwirtschaft. Der berüchtigte Elch-Test, der einst die A-Klasse von Mercedes ins Trudeln brachte, stellt neben Begegnungen mit Elchkälbern im Gefolge ihrer Mutter die wirklich gefährliche Begegnung mit den Vierbeinern dar. Denn anders als Rotwild bleiben Elche nämlich einfach auf Straßen oder Wegen stehen. Sie haben eingebaute Vorfahrt und erkennen in Fahrzeugen keine Gefahr. Abgesehen von solcher Sturheit genießen sie in Deutschland eine ganzjährige Schonzeit. Sverre Gutschmidt


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