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09.03.13 / Leere statt Karriere / Einseitige Fixierung auf Abitur- und Akademikerquote belastet das Handwerk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-13 vom 09. März 2013

Leere statt Karriere
Einseitige Fixierung auf Abitur- und Akademikerquote belastet das Handwerk

In Deutschland blieben 2012 Zehntausende Lehrstellen und Ausbildungsplätze unbesetzt. Neben der demografischen Entwicklung ist eine fehlgeleitete Bildungspolitik mit die Ursache.

Es war nur eine Meldung, doch sie ließ aufhorchen. Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), bedauerte, dass im Handwerk noch 15000 Ausbildungsstellen unbesetzt seien. Zudem machten so manche jungen Leute lieber den dritten Mann in einem Kiosk statt einer Lehre. In diesem Zusammenhang klang es, als wäre die Jugend von heute zu träge, um sich den Mühen einer Ausbildung zu unterziehen. Doch selbst, wenn es Einzelfälle geben möge, bei denen dies zutreffe, so sei dies nicht die Hauptursache für den Lehrlingsmangel im Handwerk, heißt es aus der Pressestelle des ZDH. Zudem stehe das Zitat Kentzlers im Zusammenhang mit einem türkischen Lehrling im Betrieb von Kentzlers Sohn. Kurz vor der Gesellenprüfung des jungen Mannes wollte seine Familie ihn aus der Ausbildung nehmen, damit er im Kiosk des Vaters zur Hand gehe. Nach einigen Gesprächen durfte der junge Mann die Ausbildung zum Klempner beenden und wurde sogar Bundesbester seines Jahrgangs im Leistungswettbewerb. Jetzt mache er seinen Meister – „und die türkischstämmige Familie ist natürlich stolz. Sie ist in ihrer Community, wo die Kultur der deutschen Ausbildung noch sehr unbekannt ist, ein echter Werbeträger für das Handwerk geworden.“

Dieses Beispiel zeigt, dass in einer Gesellschaft, in der Kinder ausländischer Herkunft eine immer größere Gruppe stellen, diese erst für die Vorzüge einer Lehre und Ausbildung gewonnen werden müssen. Offenbar sind die Feinheiten des deutschen Bildungssystems in diesen Milieus auch nach mehreren Jahrzehnten Aufenthalt in diesem Land nicht bekannt.

Ein weiterer Faktor, der die Zahl der für eine Lehre im Handwerk oder eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich infrage kommenden jungen Leute reduziert, ist schlicht die demografische Ent- wicklung. Immer weniger Geburten pro Jahrgang sorgen dafür, dass die Zahl der Schulabgänger weiter rückläufig ist. Auch ist der Umstand bedenklich, dass viele die die Schule verlassen, nicht ausbildungsreif sind. Und selbst jene, die einen Abschluss haben, weisen oft Bildungsdefizite auf.

Diese Probleme sind nicht wirklich neu, schon seit Jahren versuchen Ausbildungsbetriebe darauf zu reagieren. Doch nun kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der den Betrieben den starken Nachwuchs abspenstig macht. Das Motto „Bildung als Chance“ wird inzwischen von der Politik so verstanden, dass ein Abitur und eine hohe Akademikerquote das Maß aller Dinge seien. Inzwischen macht bundesweit jeder dritte Schüler Abitur. Viele davon wollen studieren und tun es auch, was zu überfüllten Universitäten führt (siehe Kasten rechts). Doch diese Politik bewirkt einen Verdrängungseffekt. Wer sein Abitur hat, wird sich kaum auf dem Bau als Lehrling für rund 600 Euro die Finger schmutzig machen wollen, da er dafür keine zwölf Jahre zur Schule hätte gehen müssen.

Handwerkspräsident Kentzler ärgert der Umstand, dass berufliche Bildung nach den jetzigen Massstäben weniger wertgeschätzt wird als akademische. „Abiturienten müssen in der Berufsberatung die Chancen im handwerklichen Mittelstand kennenlernen. Die hohe Zahl der Studienabbrecher und in Zwischenprüfungen Gestrandeten an den Hochschulen ist ein Alarmsignal. Wie gehen wir als Gesellschaft hier mit den Garanten unserer Zukunft um? Diese jungen Leute gieren nach einem Erfolgserlebnis! Eine Ausbildung im Handwerk kann das schnell vermitteln.“

Und was hat Deutschland am Ende erreicht, wenn ein Drittel eines Jahrgangs einen Uni-Abschluss hat, für die die Wirtschaft aber gar nicht genügend Jobs hat, aber den kleinen Unternehmen dafür der begabte Nachwuchs fehlt, der den Meister macht, um die Führung der Betriebe zu übernehmen? Rebecca Bellano


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