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09.03.13 / Politik lässt Deutschland vergammeln / Die Investitionen des Staates sind negativ – Unter Industrienationen europaweit Schlusslicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-13 vom 09. März 2013

Politik lässt Deutschland vergammeln
Die Investitionen des Staates sind negativ – Unter Industrienationen europaweit Schlusslicht

Was sich aktuell rund um die Rheinbrücke bei Leverkusen abspielt, kann als Vorgeschmack auf eine Entwicklung gelten, die in einigen Jahren ganz Deutschland erfassen wird.

Das 60 Jahre alte Bauwerk ist so sanierungsbedürftig, dass das Verkehrsministerium in Nordrhein-Westfalen keinen anderen Weg sah, als die Brücke Anfang Dezember für schwere Fahrzeuge zu sperren. Die rund 11000 Lkw, die bisher das Nadelöhr über den Rhein täglich genutzt haben, sind nun gezwungen, einen 20 Kilometer langen Umweg in Kauf zu nehmen, wenn Unternehmen wie Bayer oder Ford beliefert werden sollen. Die marode Brücke ist in Deutschland längst kein Einzelfall mehr: „Kein Land in Westeuropa hat seine Investitionen in die Straßeninfrastruktur im letzten Jahrzehnt so verringert wie Deutschland“, so der Befund von Stefan Gerwens, Geschäftsführer des Infrastrukturverbandes Pro Mobilität. Bei einer Untersuchung des Verbandes auf Grundlage von Zahlen der OECD brachte es Deutschland im Zeitraum von 2000 bis 2009 bei Straßenbauinvestitionen nur auf den vorletzten Platz. Mit 134 Euro pro Kopf und Jahr lag Deutschland gerade noch vor dem Tabellenletzten Großbritannien. Für erforderlich hält der Verband Pro Mobilität jährlich 18 Milliarden Euro für Erhalt und Ausbau an Deutschlands Straßennetz – nur rund zwölf Milliarden Euro werden aufgebracht.

Ähnlich sieht es bei den Schienenwegen aus. Bei den Investitionen ins Schienennetz ist Deutschland mit 53 Euro pro Kopf mittlerweile Schlusslicht in Europa. Der Spitzenreiter Schweiz gibt 308 Euro jährlich pro Einwohner aus. Bereits Ende 2012 hat eine von den Länderverkehrsministern gegründeten Kommission eine alarmierende Bilanz gezogen. Um den angefallenen Sanierungsstau bei den Verkehrswegen aufzulösen, würden schon jetzt 15 Jahre gebraucht. Der ernüchternde Befund kommt nicht von ungefähr. Der Investitionsstau an Deutschlands Infrastruktur hält mittlerweile seit über einem Jahrzehnt an. Noch alarmierender ist eine andere Tatsache. Auch im abgelaufenen Jahr 2012 waren nach Zahlen der EU-Kommission die staatlichen Nettoinvestitionen Deutschlands wieder negativ. Mit anderen Worten: Der deutsche Staat saniert und baut weniger neu, als vom Zahn der Zeit weggenagt wird. Die Substanz wird aufgezehrt.

Inzwischen ist Deutschland bei den Investitionen das Schlusslicht unter den Industrieländern. In Spanien und Großbritannien stieg nach Berechnungen des „Handelsblatts“ zwischen 2002 und 2012 das staatliche Anlagevermögen inflationsbereinigt um 200 Milliarden Euro, in Frankreich um 115 und selbst in Italien um 55 Milliarden Euro. In Deutschland sank das staatliche Anlagevermögen dagegen um rund 30 Milliarden Euro.

Kaum Zufall dürfte es sein, dass der Beginn dieser Entwicklung in Deutschland – das Jahr 2002 – mit der Einführung des Euro zusammenfällt. Beim Versuch, den Musterknaben der Währungsunion zu geben, war das Ansetzen des Rotstifts bei Geldern für die Infrastruktur für die deutsche Politik oft das erste Mittel der Wahl. Während sich Konsolidierungsergebnisse bei den staatlichen Finanzen schnell einstellen, werden die Folgen erst langfristig spürbar. Nach einem Jahrzehnt beginnen sich allerdings die unterbliebenen Investitionen immer mehr bemerkbar zu machen. Für die Bürger bei den Schlagloch übersäten Straßen und für Deutschland insgesamt, indem Investoren die deutsche Infrastruktur zunehmend skeptischer sehen.

Das Kontrastprogramm zur deutschen Entwicklung war im letzten Jahrzehnt in Südeuropa zu besichtigen. Infrastruktur, die in beachtlichem Maß am Bedarf vorbei errichtet wurde – von der EU bezuschusst, und letztendlich zu einem erheblichen Teil mit deutschen Steuergeldern bezahlt oder auf Pump gebaut. Noch offen ist die Frage, wessen Strategie am Ende erfolgreicher sein wird: Deutschlands Vorhaben, mit eigenem Vorbild den Rest der EU zu Sparsamkeit anzuhalten – auf die Gefahr hin, sich selbst dabei ins Abseits zu sparen –, oder das Kalkül, das einige südeuropäische Staaten durchaus im Hinterkopf haben könnten. Die hochmodernen Flughäfen, Autobahnen oder Bahnstrecken, die in diesen Ländern mit EU-Geldern und auf Pump gebaut wurden, baut niemand mehr ab. Bei der dadurch aufgehäuften Staatsverschuldung besteht wiederum mittlerweile berechtigt die Aussicht, dass am Ende ein Schuldenschnitt à la Griechenland steht oder Deutschland zur Kasse gebeten wird.

Zumindest in Frankreich scheint man begriffen zu haben, wie das Spiel läuft. Fast zeitgleich zur Mitteilung, dass Frankreich das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts zunächst einmal auf das Jahr 2017 verschoben hat, kündigte die französische Regierung ein milliardenschweres Programm für den Ausbau des Breitband-Internetnetzes in Frankreich an. Im Gegensatz dazu ist die Begleitmusik zur Sperrung der Leverkusener Rheinbrücke für Lkw die Ankündigung von Finanzminister Wolfgang Schäuble, dass er nun bereits 2014 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen wolle. Norman Hanert


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