26.04.2024

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09.03.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-13 vom 09. März 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

immer wieder nehme ich meine Geburtstagspost zur Hand und freue mich über die herzlichen Worte, die den grauen Spätwintertag erhellen. Und wundere mich über die so unterschiedlichen Formulierungen, mit denen die Gratulanten unsere Redaktionsarbeit anerkennen und auch unterstützen wollen. So schreibt Frau Christel Glindemann: „Danke für alle Wochenenden mit Ihnen!“ Solche Worte machen froh, aber auch nachdenklich. Das bedeutet, dass man vielen Leserinnen und Lesern so vertraut geworden ist, dass sie einen als verlässlichen Gast empfinden, der ihnen im Gespräch die Heimat zurückbringt und mit ihnen Fragen erörtert, die sonst nicht an sie herangetreten wären. Um mit Frau Glindemann zu sprechen: „Womit sie ons Landslied möt de Erinnerung manch­moal tom Griene, meistens aber tom Freie bringe!“ Ach ja, „Lache on Griene en eenem Sack“ – das alte Sprichwort hat noch immer seine Gültigkeit, gerade in unserer Ostpreußischen Familie. Sagen wir aber lieber „Krepsch“ – und greifen gleich tief hinein, denn da hat sich wieder so allerhand angesammelt, was zwischen den großen Suchwünschen, die ja viel Platz in unserer Kolumne benötigen, leicht versusst werden kann. Und da werden wir fündig – und wie! Unser Leser Peter Timnik aus Westerrönfeld fand während eines Ferienaufenthaltes in Dänemark in einem Antiquitätengeschäft einen alten Rettungsring, der ihm sofort ins Auge fiel, denn groß und deutlich stand da zu lesen „Frisches Haff“. Herr Timnik ist Ostpreuße, *1941 in Sensburg, und ist augenblicklich dabei, den Spuren seiner Familie nachzugehen und sie aufzuzeichnen. Da er als Drei- oder Vierjähriger seine Heimat verlassen musste, hat er keine Erinnerungen mehr an das Frische Haff, aber aus den Erzählungen seiner Eltern weiß er, dass die Familie dort öfters Urlaub gemacht hat, vielleicht in Kahlberg auf der Frischen Nehrung, dem bekanntesten Badeort. Herr Timnik erwarb sofort den Rettungsring und möchte nun seine Herkunft und Geschichte ergründen. Er meint, dass eventuell Fischer vom Haff mit dem Boot nach Dänemark geflüchtet sind, aber die Geschichte könnte auch noch weiter in die Vergangenheit zurück­führen. Gerade im vergangenen Jahr haben wir uns öfters mit der Geschichte der Fischer vom Frischen Haff beschäftigt, die bereits Anfang des vorigen Jahrhunderts an die Westküste Schleswig-Holsteins segelten, um dort in der Krabbenfischerei eine neue Existenz zu finden, aber auch an die Ostseeküste, wie Zuschriften bewiesen. Die Bezeichnung BX 706 auf dem Rettungsring dürfte zu einer Klärung führen, von welchem Boot der Ring stammt, wo es beheimatet war und wie das Schick­sal seiner Besitzer verlief. Das dürfte wieder eine interessante Geschichte werden, die nicht nur Herrn Timnik, sondern auch andere Leser beschäftigen wird. Wir sind gespannt! (Peter Timnik, Eichenhof 5 in 24784 Westerrönnfeld, Telefon 04331/80288.)

Zum Frischen Haff führen auch die Erinnerungen eines Lesers aus Clausthal-Zellerfeld, die er seinen Glückwünschen beifügte, einem „Jungspund“, wie er sich nennt – in Relation zu meinem Alter. Immerhin wurde er noch in Ostpreußen geboren – 1937 in Treczaken/Treufelde –, und so war der Junge sieben Jahre alt, als die Familie auf die Flucht ging. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm die Fahrt mit dem Pferdewagen über das zugefrorene Frische Haff, die endlosen Kolonnen und die Bomben werfenden, aus allen Rohren auf die Flüchtlinge schießenden sowjetischen Flugzeuge. Anlässlich eines Vortrages, den er im Jahr 1983 an der Universität Danzig hielt, spürte er das Verlangen, noch einmal den Spuren von damals nachzugehen. So machte er einen Abstecher zur Frischen Nehrung und versuchte die Stelle zu finden, wo sein Treck damals auf dem Haff-Eis dem sicheren Verderben entkam. An diesem Septembertag war das Haff sehr bewegt, große Wellen brachen sich am Strand, so dass man das andere Ufer kaum sehen konnte. „Es ist kaum vorstellbar, dass dieses Gewässer damals zugefroren sein sollte. Und doch war es so. Viele Flüchtende kamen bei dieser Tragödie um, aber viele schafften es, auch wir!“ Vielen Dank, lieber Herr Prof. Dr. F., für diese kurze Schilderung einer Wiederkehr, die zeigt, dass es für uns alle, die flüchten mussten, kein Vergessen gibt.

Auch für Frau Herta Fehner aus Bückeburg nicht, die als junges Mädchen von 15 Jahren das Kriegs­ende in Königsberg erleben und mit ihrer Mutter in den Trümmern der zerstörten Stadt hausen musste und, als die Mutter in ein Krankenhaus kam, in ein Heim nach Rothenstein eingewiesen wurde. Als sie mich anrief, um mir mitzuteilen, dass sie etwas „zu melden“ habe, stiegen diese Erinnerungen immer wieder auf – es wurde ein langes Gespräch, und ich hatte das Gefühl, dass es Frau Fehner gut tat, mit mir darüber reden zu können. Der eigentliche Zweck ihres Anrufes hing auch mit jenen schweren Nachkriegsjahren zusammen. Immer dem Hunger ausgesetzt, durchsuchten Mutter und Tochter die Trümmer nach etwas Essbarem und fanden dabei ein silbernes Essbesteck: Messer, Gabel, Löffel, Relikte einer vergangenen Tafelkultur, die einer Familie Rupprecht zuzuordnen war, denn dieser Name war auf jedem Besteckteil eingraviert. Sie nahmen es mit, um es vor der Vernichtung zu retten, weil sie insgeheim hofften, die rechtmäßigen Besitzer zu finden. Das war natürlich unmöglich, und so haben sie es durch all die schweren Zeiten bis heute bewahrt. Doch Frau Fehner würde sich freuen, wenn sich die Königsberger Rupprechts melden würden, die sich an ihr Tafelsilber mit Gravur erinnern, damit es wieder in die richtigen Hände kommt. Wobei man berücksichtigen muss, dass das Besteck in den Wirren jener Zeit auch von außerhalb nach Königsberg gelangen konnte. Den Fundort selber konnten Mutter und Tochter nicht mehr bestimmen, es war eben „irgendwo in den Trümmern“. (Herta Fehner, Im Höppenfeld 18 in 31675 Bückeburg, Telefon 05722/611.)

Jedes Ding hat seine Zeit – auch das kleine Fotoalbum, das wir vor drei Jahren von Herrn Hartmut Schickowsky aus Hamburg zugesandt bekamen und das damals nicht zugeordnet werden konnte. Es stammte aus dem Nachlass einer Ostpreußin, der Schwester Margarete Anna Herta Bubel aus Pronitten, die im August 2004 in Alter von 86 Jahren in Soltau verstarb. Es enthielt viele Fotos aus ihrem Familienkreis und Arbeitsbereich. Man soll ja die Hoffnung nicht aufgeben, und deshalb habe ich es gut verwahrt, und siehe da: Jetzt meldete sich eine Leserin, deren Tante aus Probitten stammte und deren Tochter nun das Album bekommen soll. Hier hat sich der Wunsch nach dem „In-die-richtigen-Hände-kommen“ erfüllt, wenn auch spät. Schneller dürfte es mit der Fotomappe gehen, die uns aus dem Leserkreis zugesandt wurde und die sicher sofort Interessenten finden wird. Es handelt sich um eines jener Mäppchen mit „Ansichten in echter Photographie“, die in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts sehr beliebt waren, da nicht jeder einen Fotoapparat besaß, die Fotos aber wie Eigenaufnahmen wirkten. Die Mäppchen wurden an besonders stark besuchten Stätten als Andenken verkauft, so auch am Reichsehrenmal Tannenberg bei Hohenstein. Eine alte Ostpreußin – Jahrgang 1909 – hat solch ein Tannenberg-Mäppchen ein Leben lang bewahrt, und als sie verstarb, fand ihre Enkelin es in ihrem Nachlass. Diese meinte, dass wir für dieses Andenken eine bessere Verwendung hätten als sie, womit sie absolut Recht hat, denn die Aufnahmen sind für museale Einrichtungen interessant, aber auch für Heimatforscher und Sammler, zumal sie sehr gut erhalten sind. Das Mäppchen enthält acht Innen- und Außenaufnahmen, die neben bekannten Motiven – so vom Hindenburgstandbild oder von den Sarkophagen des Ehepaares – auch seltene zeigen wie vom Tor zum Fahnenturm oder den Blick von der Balustrade in den Ehrenhof. Die kleine Mappe erschien im Verlag Emil Grüneberger, Inhaber Bruno Lipowski in Hohenstein. Es dürfte im Sinn der Übersenderin sein, dass wir diesen kleinen „Fund“ an unsere Leserschaft weiterreichen. Was wir hiermit tun. Wer möchte es haben? Und auch für den Brief des Fischerdichters Michael Kairies aus Schwarzort ist nun die Zeit gekommen, dass er seinen richtigen Platz findet – ja, Geduld muss man haben, und die hat seine Urenkelin bewiesen. Vielleicht hatte sie auch die Hoffnung aufgegeben, ihn zu erhalten, denn inzwischen war er in andere Hände gewandert – und ist nun wieder aufgetaucht. Es ist schon lange her, als uns dieser Brief des Schwarzorter Fischers zugesandt wurde mit der Auflage, ihn seinen Nachkommen zu übergeben. Michael Kairies hatte ihn im November 1942 geschrieben, und er gewährt einen Einblick in das harte Leben eines Nehrungsfischers. Der Schwarzorter schreibt, dass der Winter erstmals recht vorzeitig eingekehrt sei und die Fischerei zum Erliegen gebracht habe. Deshalb sei an eine ertragreiche Fischerei während des Winters nicht zu denken, und die nächste Fangperiode beginne erst im Mai. Aber das ist nicht der Hauptgrund seines Schreibens an einen Herrn Hörning, sondern seine geistigen Produkte, denn Michael Karies war in Schwarzort für seine Gedichte bekannt, die er auch vor Kurgästen vortrug. Anscheinend wollte Herr Hörning diese einem größeren Kreis bekannt machen und den Fischer anregen, weitere Poeme zu verfassen, denn Kairies hatte, wie er schreibt, seine geistigen Arbeiten auf diesem Gebiet seit längerer Zeit aus mancherlei Gründen eingestellt und es würde ihm schwer fallen, damit wieder auf das Neue zu beginnen. „Da Sie sich aber solche große Bemühungen auferlegt haben, um mich auch fernerhin mit Rat und Tat zu unterstützen, so will ich den eingeschlagenen Weg auch weiterhin zu beschreiten versuchen und auch alle Misshelligkeiten, die mir störend im Weg standen, zu beseitigen bemüht sein.“ Herr Hörning schien also so etwas wie ein Mentor von Michael Kairies zu sein – vielleicht weiß seine Enkelin darüber mehr zu sagen, wenn der Brief, den sie nun erhält, Erinnerungen in ihr weckt. Ihre Tochter, die sich vor drei Jahren mit der Bitte um Überlassung des Briefes an uns wandte, war jedenfalls sehr überrascht und erfreut, als ich ihr mitteilte, dass dies nun endlich erfolgen würde. Und ich bin froh, dass auch dieser Fund endlich in die richtigen Hände gekommen ist.

Das Zugunglück bei Grünhagen, über das wir in Folge 3/13 berichteten, hat einige Leserinnen und Leser veranlasst, sich an den Autor Heinz Timmreck zu wenden und ihm ihre Berichte zur Flucht zu übersenden. Außerdem erhielt er mehrere Anrufe, über die er sich sehr gefreut hat. Da er plant, ein weiteres Buch mit Berichten zur Flucht mit der Bahn zu erstellen, sind alle Zuschriften für ihn sehr wichtig. Bei anderen Lesern wirft die Dokumentation neue Fragen auf. So möchte ein Anfragender wissen, wann der letzte Zug vom Königsberger Nordbahnhof nach Pillau fuhr. Da er als Kind mit seiner Familie Ende Januar 1945 aus Königsberg flüchtete, meinte er, dass es der 28. Januar gewesen sei. Auf diese Frage werden wir in den nächsten Folgen noch näher eingehen.

Eure Ruth Geede


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