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16.03.13 / Helfer vieler Journalisten / Vor 100 Jahren erschien erstmals der »Munzinger« – Die Gründung des Verlages erfolgte in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-13 vom 16. März 2013

Helfer vieler Journalisten
Vor 100 Jahren erschien erstmals der »Munzinger« – Die Gründung des Verlages erfolgte in Berlin

Leser, Hörer und Zuschauer können damit wenig anfangen – viele „Macher“ bei Funk- oder Printmedien wären ohne ihn hilflos: den „Munzinger“, also das „Archiv für publizistische Arbeit“, das vor 100 Jahren, am 17. März 1913, erstmalig erschien. Sein Gründer Ludwig Munzinger (1877–1957) hat sich später gern daran erinnert, wie ihm im Februar die Idee kam, „für die Masse der deutschen Zeitungen“ ein Archiv zu schaffen, das laufend „bei erschwinglichen Kosten“ über aktuelle Entwicklungen und Personalien informiert.

Bevor es den „Munzinger“ gab, behalfen sich viele kleinere Zeitungen, die sich kein teures Kor­res­pon­den­ten­netz leisten konnten, mit unzureichenden „Ausschnittdiensten“ mittels Schere und Leimtopf. Das änderte sich rasch, als der im In- und Ausland erfahrene Journalist Ludwig Munzinger sein Lose­blatt-Archiv schuf und damit Erfolg hatte. Der ersten Ausgabe des „Archivs“ folgte eine Flut von Bestellungen, die auch anhielt, als Munzinger bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs als Reserveoffizier eingezogen wurde und bis 1918 diente – als Herausgeber von Armeeblättern. Das „Archiv“ führte derweil seine Frau Cora fort, die es aber wegen des Berliner „Kohlrübenwinters“ mit seiner Hungersnot nach Württemberg verlegte.

Die Idee einer Nachrichtenagentur lag damals in der Luft. Vor Munzinger verfolgte sie am eifrigsten dessen früherer Kollege bei der Münchner „Allgemeinen Zeitung“ Rudolf Dammert mit seinem „Berliner Dienst“ von 1911, der gebündelte Informationen vertrieb. Dammert bat seinen Ex-Kollegen Munzinger, sich am „Berliner Dienst“ zu beteiligen. Munzinger sagte zu, bereute die Zusage aber bald, da Dammert eine endlose Zersplitterung des Archivs nach Lesergruppen, Themen und politischen Richtungen betrieb. Munzinger erinnerte sich später: „Da blieb mir doch die Luft weg, ob dieses zum geistigen Warenhaus werdenden Betriebs … Ich konnte und durfte mit Dammert nicht zusammenbleiben.“ Sein „Archiv“ sollte alle Redaktionen rasch, zuverlässig und umfassend über Politik, Wirtschaft und Personalien informieren, und das „für einen Bruchteil des Gehalts einer Arbeitskraft“. So geschah es. Munzingers“Image des harmlosen, zurück­gezogenen und wissenschaftlich arbeitenden Archivars wurde so widerstandsfähig, dass selbst die NS-Zeit samt Joseph Goebbels’ medialer „Gleichschaltung“ ohne größere Blessuren überstanden wurde.

Mit einem „Sacharchiv“ und dem „Biographischen Informationsdienst“ war das „Archiv“ gestartet, das ab 1923 bei Zeitungen und bald auch im Rundfunk zum unentbehrlichen „Munzinger“ wurde. Eine flexible Palette der diversen „Dienste“ fand Zuspruch, allen voran das „Sportarchiv“, das 1928 zur IX. Olympiade in Amsterdam ins Angebot genommen wurde und die „Statistisch-politischen Blätter“, für die der Startschuss 1939 fiel. Auch in der Ortswahl gab sich die Redaktion mobil: Württemberg folgte 1926 Berlin und 1930 Dresden, wo das Verlagsarchiv den alliierten Luftangriffen am 13. Februar 1945 zum Opfer fiel.

Was von „Munzinger“ personell und materiell übrig blieb, flüchtete ins oberschwäbische Ravensburg. Dort bot ein befreundeter Bauer Asyl in einer Scheune. Im Herbst 1945 legte Munzinger senior seinem Sohn und Nachfolger ab 1957 Ludwig (1921–2012) ein Memo auf den Tisch: „Da, schreib das 75-mal ab!“ Der tat es auf einer geborgten Maschine, um der Medienwelt im In- und Ausland mitzuteilen: „Munzinger“ lebt und bereitet seinen Neustart vor.

Am 7. März 1946 war es so weit – wie früher publizierte man „Wichtiges, Richtiges und Wissenswertes“ über Personen, Länder, Sport, Politik und Musik. Wenn dem Unternehmen seitdem auch Kriegsverluste erspart blieben, so stand es doch auch im bundesdeutschen Teil seiner Geschichte vor Herausforderungen wie Zeitungssterben, Medienkonzentration und Internet. Die Anpassung verlief als Teilabschied vom Papier. Zu nennen sind hier stichpunktartig und in chronologischer Reihenfolge: 1980 Bildschirmtext; 1982 eigene EDV-Anlage; 1986 elektronische Suchfunktionen; 1990 direkte Kooperation mit Funkhäusern („Pop-Archiv“); 1995 Vertrieb von stets aktualisierten CD-ROMs; 1997 „Munzinger Online“ im Internet. Treibende Kraft alldessen war der Enkel des Firmengründers Ernst Munzinger. 1988 übernahm der 1953 geborene Diplom-Ingenieur die Leitung des Unternehmens. Er leitet den Familienbetrieb noch heute. Wolf Oschlies


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