28.03.2024

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16.03.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-13 vom 16. März 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

manchmal dauert es jahrelang, manchmal aber auch nur wenige Tage, bis eine Antwort auf eine veröffentlichte Suchfrage eintrifft, die sogar eine Klärung von unbekannten Lebensläufen beinhaltet. So konnte Frau Barbara Palfner aus Lilienthal schon zufrieden sein, dass sie kurz nach dem Erscheinen ihres Suchwunsches nach ihren vermissten Verwandten – dem Ehepaar Fritz und Lise Lilienthal aus Königsberg, und deren Sohn Dr. Gerhard (Gerd) Lilienthal, Arzt an der Barmherzigkeit – bereits ein Antwortschreiben in den Händen hielt. Dieses Schreiben machte sie aber leider nicht sehr glücklich, denn es enthielt die Mitteilung, dass die gesuchten Angehörigen in der DDR gelebt haben, aber dort schon früh verstorben sind. Wenn auch somit die Gewissheit besteht, dass die Betreffenden noch aus dem Königsberger Inferno herausgekommen sind, so ist das nur ein schwacher Trost. Zumal noch die vielleicht wichtigste Frage offen bleibt: Was wurde aus Dr. Gerd Lilienthal? Über sein Schicksal gab es bisher noch keine Klärung, es fehlt jede Spur. Frau Palfner, die aus Battau, Kreis Samland stammt und sich schon sehr lange unserer Ostpreußischen Familie verbunden fühlt, denkt jetzt oft an die Heimat und die Angehörigen, die einfach nicht mehr da sind – verschollen, verschleppt, durch entsetzliche Seuchen dahingerafft, eines gewaltsamen Todes gestorben. Aber wie hieß doch das Leitmotiv, nach dem vor nunmehr 48 Jahren unsere Ostpreußische Familie ins Leben gerufen wurde: „Du bist nicht allein!“ Und das tröstet doch sehr!

Ja, sie ist schon ein eigenartiges Netzwerk, unsere Ostpreußische Familie, an dem ununterbrochen gestrickt wird, so dass dadurch immer neue Querverbindungen entstehen. Das beweisen viele Zuschriften, in denen gerade ältere Leserinnen und Leser ihren Dank aussprechen. Frau Gisela Kaulfuß möchte ihn nicht nur für sich sagen, denn sie schreibt: „Ich bin nicht autorisiert, aber ich möchte Ihnen den Dank aller Ostpreußen aussprechen, die heute in Heimen oder allein leben oder nicht mehr telefonieren oder schreiben können. – Mein Bericht über mich in der letzten Weihnachtsnummer hat für vielfache freudige Erregung gesorgt. Es gibt also doch noch die kleinen/großen Freuden des Alltags“. Und dazu gehören auch unsere Extra-Geschichten, in denen sich die Heimat widerspiegelt. Jedenfalls habe ich Frau Kaulfuß mit meinem Beitrag „Ostpreußen-Schlittenland“ eine „Riesenfreude“ bereitet, denn die geborene Berlinerin erinnert sich noch gut an das Gemälde „Die Reise des Großen Kurfürsten über das Kurische Haff“, das sie als kleines Mädchen im Berliner Zeughaus gesehen und das sie sehr beeindruckt hatte. Solch einer Schlittenfahrt wohnte für sie ein besonderer Zauber inne, sie selber durfte sie nie erleben, wie sie ja überhaupt erst spät zu ihren ostpreußischen Wurzeln fand – dafür umso heftiger.

Jeder pickt sich aus unserer Familienseite das Stück Heimat heraus, das ihm besonders am Herzen liegt. Für einen Leser aus Mindelheim war es der Beitrag über den Heilsberger Sender: „Danke für Radio-Heilsberg, da kommen Erinnerungen auf – und so wird das auch bleiben!“

Ein Leser aus Alt-Mölln, Nachfahre eines Fischers aus Masuren, dankt der PAZ besonders dafür, „dass sie sich der unendlich vielen Schicksale aus Flucht und Vertreibung in besonderer Weise annimmt und deren Opfer in einen würdevollen historischen Rahmen stellt“.

Das gilt auch für unsere nächste Suchfrage, die wieder eines jener ungewissen Schicksale behandelt, die kaum zu lösen sind, weil die letzte Spur beim Russeneinmarsch endet. Aber immer bleibt ein Fünkchen Hoffnung, so auch für Herrn Artur A. Kinzel aus Hamburg, für den die schon früher gestellte und nie geklärte Frage nach dem Verbleib seines Vaters Artur Kinzel jetzt wieder aufflammte, als er durch Zufall einige Unterlagen mit Angaben entdeckte, die seine Mutter vor über 60 Jahren aufgeschrieben hatte. In diesen Unterlagen, die Frau Anna Margarete Kinzel damals für den Lastenausgleich erstellt hatte, wird ganz penibel aufgeführt, was alles bei Kriegsende auf dem elterlichen Hof in Rosengarth, Kreis Heilsberg an „festem und beweglichem Inventar“ vorhanden war. Auch alte Versicherungsunterlagen waren noch dabei. Ein weiterer Zufall: Im Internet fand Herr Kinzel Herkunftsdaten seines Vaters, die wohl aus einem alten Einwohnerverzeichnis stammen. Das gab den letzten Anstoß zu einer erneuten, wenn auch sehr späten Suche nach dem Verbleib des Vermissten und führt nun somit zu unserer Ostpreußischen Familie. Für den Sohn wäre jeder Hinweis wichtig, denn er hat seinen Vater nie gekannt, er wurde erst nach dessen Verschleppung geboren. Rollen wir also die Geschichte auf, soweit sie noch nachweisbar ist. Es geht um den Landwirt Artur Kinzel, *8. Oktober 1903 in Langwiese, Kreis Heilsberg, aus Rosengarth [Rozynka]. Dieses Kirchdorf liegt etwa 30 Kilometer südwestlich der Stadt Heilsberg und hatte bei Kriegsende 776 Einwohner. Der Hof von Artur Kinzel lag etwas abseits in südlicher Richtung. Beim Russeneinfall wurde der 42-jährige Landwirt sofort verschleppt, auf dem Hof blieb seine schwangere Frau mit der zweijährigen Tochter zurück. Den Aussagen seiner Mutter nach ist zu vermuten, dass sein Vater bereits kurze Zeit später erschossen wurde, denn aus einem Wald, in den die Russen ihre Gefangenen getrieben hatten, waren Schüsse zu hören. Die Leiche seines Vaters wurde aber nie gefunden, so dass es möglich ist, dass der 42-jährige in ein Gefangenenlager transportiert wurde. Für die schwangere Frau begann eine furchtbare Zeit, ihre kleine Tochter verstarb noch vor der Geburt des Sohnes an Typhus. Für Anna Margarete Kinzel war der Sohn, der am 22. Juni 1945 zur Welt kam und nach dem Vater benannt wurde, nun der einzige Halt. Sie blieben noch bis 1947 in der Heimat, dann mussten sie den Hof verlassen und kamen in den westlich von Oder und Neiße gelegenen Teil Deutschlands. Frau Kinzel und später auch ihr Sohn haben nie einen Hinweis erhalten, was mit dem Vermissten geschehen ist. Seit jenem Tag, an dem er von seinem Hof verschleppt wurde, fehlt jede Spur. Artur Kinzel wurde am 23. August 1958 für tot erklärt. Wie gesagt, es dürfte nach so langen Jahrzehnten schwer sein, noch Zeitzeugen zu finden, die mit Artur Kinzel irgendwann und irgendwo zusammen waren, oder die Hinweise geben könnten, was mit ihm damals vermutlich geschah. Vielleicht erinnern sich noch ehemalige Bewohner des Ortes an Artur Kinzel und seine Frau Anna Margarete geborene Radau, *1905 in Wusen, Kreis Braunsberg. (Artur A. Kinzel, Wullwisch 12 in 22529 Hamburg, Telefon 040/5892196, E-Mail: ArtKinzel@aol.com)

Manchmal sind es nur wenige Zeilen, die den langen Zeitraum von Gestern zu Heute überspannen, die aber mehr erzählen als lange Ausführungen. So lässt sich auch gut in dem kleinen Brief von Frau Waltraut Weber geborene Zühlke aus Dortmund zwischen den Zeilen lesen. Die 1926 in Johannisburg Geborene setzt eigentlich nur Stichworte, aber sie sind die Marksteine ihres nun fast 87-jährigen Lebensweges. Ihre Großeltern waren Besitzer des Gutes Allmoyen bei Sensburg. Die Enkelin machte in Allenstein das Notabitur und da sie 1948 in Dortmund geheiratet hat, müssen dazwischen die Vertreibung und der Neubeginn im Westen liegen. Heute ist die Mutter von vier Kindern neunfache Großmutter und doppelte Urgroßmutter, aber noch immer sehr agil, denn sie reist in jedem Jahr in die Heimat, allein oder mit der ganzen Familie. Und wohnt dann wieder in dem Gutshaus von Allmoyen, das in den letzten Jahren renoviert wurde, und in dem Frau Weber ein gern gesehener Gast ist. Zwischen der heutigen Besitzerin, einer Danzigerin, und der Enkeltochter der früheren Besitzer ist eine sehr beglückende Freundschaft entstanden. „Heimat, die ich wieder zurück bekommen habe“, so empfindet Waltraut Weber diese zeitlich begrenzte Heimkehr im späten Alter. Und man verspürt ihre Dankbarkeit dafür, dass sie die Wege ihrer Kindheit wieder gefunden hat und sie begehen kann.

Unter meinen vielen Geburtstagsglückwünschen war auch der von Knut Walter Perkuhn gewesen, der mir geraten hatte, seiner bis zum Schluss geistig regen, neugierigen und resoluten Tante Eva nachzueifern! Und die hatte schließlich das sagenhafte Alter von 107 Jahren erreicht! „Was muss das für eine Frau gewesen sein?“, habe ich mich gefragt, und manche Leser und Leserinnen sicherlich auch. Die Antwort auf diese nicht öffentlich gestellte Frage kam dann ganz unerwartet und „aus freien Stücken“ – und hat mich deshalb doppelt beglückt (frei nach Goethe)! Und ich muss sie einfach weitergeben, weil sie das Leben einer ungewöhnlichen Frau umreißt, die sich selber bis zu dieser Höchststufe eines menschlichen Lebensalters treu geblieben ist. Herr Dr. Friedrich Gastell aus Isernhagen hat ihr Lebensbild aufgezeichnet, und ich will diesen kurzen Abriss weitergeben, wenn er auch an mich gerichtet ist. Herr Dr. Gastell meint, dass ich nicht zu zögern brauchte, der Empfehlung von Herrn Knut Walter Perkuhn zu folgen, denn ich würde mir dabei eine bewundernswerte und sehr verehrungswürdige Frau zum Vorbild nehmen. Er schreibt: „Ich habe mich über den achtungsvollen Hinweis auf sie in der Ostpreußischen Familie sehr gefreut. Sie verdient eine etwas nähere Würdigung. Eva Ortmann geborene Perkuhn war eine vorbildliche Ostpreußin. Sie liebte unsere Heimat bis zuletzt über alles, wie sie ebenso bis zur Flucht 1945 das Leben auf dem Land geliebt hatte. Sie war nicht nur resolut, sondern auch außerordentlich tüchtig. Seit dem Tode ihres Mannes 1942 bewirtschaftete sie selbst mit Leidenschaft und Geschick ihr 640 Hektar großes Gut Schönwiese im Kreis Gerdauen. Ein Beispiel für ihre zu Recht hervorgehobene Resolutheit – und ihren nicht geschwundenen Stolz – bis in ihr hohes Alter möchte ich hier beisteuern. Frau Ortmann versorgte sich fast bis zu ihrem Tode allein in ihrer Wohnung in Hannover, hatte aber in den letzten Jahren wegen ihrer körperlichen Gebrechlichkeit Unterstützung durch einen sozialen Dienst. Als eine ihr bis dahin unbekannte männliche Aufsichtsperson dieses Dienstes in ihrer Wohnung kurz auf sie warten musste und sich bei der Begrüßung nicht erhob, beschied sie den Besucher, sie sei zwar alt und hilfsbedürftig, aber noch nicht geistesschwach. Er möge ihre Wohnung verlassen, wenn er sie dennoch so behandele.“ Das ist Gradlinigkeit bis in das hohe Alter, auch wenn der Rücken krumm geworden ist. Herr Dr. Gastell hat „Tante Eva“ sehr gut gekannt, denn die Ortmanns aus Schönwiese waren Gutsnachbarn seiner Großeltern und Eltern in Adolfswalde, Kreis Gerdauen. Wir danken Herrn Dr. Gastell sehr für diese uns übermittelten Erinnerungen an eine Ostpreußin von echtem Schrot und Korn.

„Ich möchte Ihnen sagen, wie gerne ich als junge Leserin die Ostpreußische Familie lese und mich immer wieder freue, wie gut Sie und die Familie weiter helfen können“, mailt uns Frau Inge Stuertz, und da sie auch ihren Jahrgang angibt – 1987 –, gehört sie zu dem Kreis unserer jüngsten Leser und so ist die Freude auch auf unserer Seite. Dass die in Dithmarschen Lebende sehr genau unsere Seite liest, kann ich ihren Zuschriften zu einigen speziellen Themen entnehmen, die brauchbare Hinweise enthalten. So zu der Frage von Herrn Koßwig, ob der Name „Gergaut“ französischer Herkunft sei, die wir in Folge 45/2012 veröffentlichten. Frau Stuertz weist in diesem Zusammenhang auf eine Internetseite hin, die sie in dem „Buch der Namen“ von Professor Udolph gefunden hat. Es handelt sich hierbei um eine französische Seite, die bei Eingabe des Familiennamens dessen Häufigkeit und die Verteilung in Frankreich darstellt. Auf dieser Seite hat sie zweimal den Namen „Gergaut“ gefunden. Dies hat sie inzwischen auch Herrn Koßwig mitgeteilt. Mit dem Schreiben an uns wollte sie diese Suchmöglichkeit vorstellen, da es sicherlich noch mehr Familien gibt, die sich dafür interessieren könnten. (http:/www.genealogie.com/nom-de-famille)

Eure Ruth Geede


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