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16.03.13 / Osterritt am Ostseestrand / Im Galopp über die Halbinsel: Bevor die Badegäste kommen, füllen in der kalten Jahreszeit viele Reiter die Küste von Fischland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-13 vom 16. März 2013

Osterritt am Ostseestrand
Im Galopp über die Halbinsel: Bevor die Badegäste kommen, füllen in der kalten Jahreszeit viele Reiter die Küste von Fischland

Wenn die Strandkörbe in den Scheunen überwintern, zeigt sich die Ostsee oft von ihrer schönsten Seite, ob zu Fuß oder auf dem Pferderücken. Denn Mecklenburg-Vorpommern mit seinen rund 1500 Kilometern Ostseeküste bietet – je nach Satzung der einzelnen Gemeinden – immer mal wieder die Gelegenheit, vom Strand ins Meer zu reiten.

Doch nicht überall ist es so schön wie auf der Halbinsel Fischland mit ihrem steinlosen, weißen, beinahe karibischen Sandstrand. Hier hat die Ge­meinde Dierha­gen Reitern er­laubt, noch bis Ostern einige Kilometer des Traumstrandes unter die Pferdehufe zu nehmen. Zusammen mit dem über 10000 Hektar großen Wald-, Moor- und Heidegebiet, dem Dierhagener Forst und der Rostocker Heide, zu Füßen der Landzunge sind die Wander- und Reit-Möglichkeiten in diesem Gebiet nicht nur besonders vielfältig, sondern auch besonders groß.

Vor über 100 Jahren waren das Fischland und der Darß, welche im Laufe der Jahrhunderte zur Halbinsel Fischland-Darß-Zingst zusammengewachsen sind, noch ein Geheimtipp, den zuerst die Künstler für sich entdeckten. Um 1890 bildeten sie in Ahrenshoop eine Künstlerkolonie, die den Ort bis heute prägt. Weit breitet neben der Strandhalle das mythische Pferd Pegasus seine Flügel aus. Welch ungewollte, aber hübsche Anspielung ist diese Steinplastik von Ingeborg Hunzinger aus den 90er Jahren auf die Reiter, die heute im Winter ein Stück weit im Galopp über die Halbinsel „fliegen“!

Ansgar Kurp hat es aus Niedersachsen nach Mecklenburg-Vorpommern verschlagen. Aus Liebe zu seiner Pferde liebenden Frau. Denn eigentlich hat Ansgar Kurp Forstwirtschaft studiert und war als Forstmann sogar in Kanada tätig. Dennoch ist das Hinterland der Ostsee seine Heimat geworden. Seit einigen Jahren betreibt das Ehepaar in Hirschburg, dem „Tor zum Darß“, und in Kloster Wulfshagen das Gestüt Nordvorpommern. Man kümmert sich um Zucht, Aufzucht, Ausbildung, Be­ritt, Unterricht, mit speziellen Kursen für Wiedereinsteiger ab 50 plus, und auf dem Gnadenhof um die Pflege für Pferdesenioren.

„In den ersten Jahren“, so Kurp, „sind meine Frau und ich fast täglich abends die vier Kilometer zum Strand geritten. Wir konnten gar nicht genug von Sand und Meer bekommen. Selbst im Winter bei Eis und Schnee. Im Schnee ist der Strand übrigens ganz besonders reizvoll.“ Heute bemüht sich Ansgar Kurp vor allem, jedem Pferde-Interessenten und jedem Reitgast seine individuellen Wünsche zu erfüllen. „Wir sind vollkommen flexibel. Nach Absprache kann man bei uns vom passenden (Leih-)Pferd bis zur passenden Ausbildung von Pferd und Reiter alles haben. Selbstverständlich muss man die Leistungen bezahlen.“

Auch wenn die Routine die Euphorie inzwischen gedämpft hat, die Freude, das Ostseewasser unter den Pferdehufen wieder einmal so richtig spritzen zu lassen, steht ihm ins Gesicht geschrieben. Dass es sich auf Fischland um ein besonders schönes Fleckchen Erde handelt, hatten schon die DDR-Oberen erkannt und es sich entsprechend gesichert. 1968 ließen sie auf einem Gelände von 100000 Quadratmetern direkt in den Dünen ein Gästehaus für Regierungsmitglieder und internationale Staatsgäste erbauen. Ein echtes Wellness-Hotel lange bevor dieses zum allgemeinen Trend wurde.

Die anspruchsvolle Ausstattung betrug drei Mastersuiten à 120, 18 Appartements à 60 und fünf Einzelzimmer à 30 Quadratmeter. Dazu gehören außerdem Trockensauna, Schwimmhalle, Arzttrakt, Physiotherapie, Kosmetik und Friseursalon sowie Wirtschaftstrakt mit eigener Wäscherei und Garagen. Das Personal für die maximal 60 Gäste bestand aus 72 Mitarbeitern und drei Auszubildenden.

Am Service dürfte bei dieser Quote nichts auszusetzen gewesen sein. Ab 1973 wurde das Haus noch exklusiver. Denn nach dem Ende der Veranstaltungsreihe „Ostseewoche“ wurde das Gästehaus als Gästeheim des Ministerrates genutzt. 1990 ereilte das „Juwel“ an der Ostseeküste das gleiche Schicksal wie die anderen „Regierungs-Juwele“ der DDR-Zeit, die alle Garanten für allerbeste Lagen waren.

Die Einrichtung wurde schließlich durch die Oberfinanzdirektion Rostock abgewickelt, verpachtet und später an einen privaten Investor verkauft. Daraufhin ließen 30 Millionen D-Mark und nach 2001 viele weitere Euros in den alten Grundmauern das funkelnagelneue Strandhotel Fischland entstehen, das mit seiner Lage direkt am Strand – „für die es heute nie und nimmer eine Baugenehmigung mehr gäbe“, so Hoteldirektorin Isolde Heinz – nicht nur die alten DDR-Zeiten toppt, sondern zu­sammen mit seinem 800 Meter entfernten Schwesterhaus „Dü­nenmeer“ Maßstäbe in der unübersichtlichen Wellness-Hotel-Landschaft setzt.

So wurde das eine doch zum besten und das andere unter die besten Wellness-Hotels von Meck­lenburg-Vorpommern ge­kürt. Das Gestüt Nordvorpommern als Partner bedeutet auch nicht wirklich Neues. Denn die Reiterei ist in der Region tief verwurzelt. Davon zeugt das Tonnenabschlagen, das an der mecklenburg-vorpommerschen Küste alle gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten Jahrhunderten überstand. Der lebendige Brauch hat Ähnlichkeit mit dem Ringstechen in Schleswig-Holstein und wird vermutlich seit Ende des Dreißigjährigen Krieges mit Begeisterung auf der Halbinsel ausgeübt. Sichere schriftliche Do­kumente finden sich 1774 in Barther Protokollbüchern.

Alljährlicher Höhepunkt ist seit 1927 das abschließende Bezirks-Tonnenabschlagen, welches ab­wechselnd in Wustrow, Ahrenshoop, Born, Wieck und Prerow veranstaltet wird. Von Juni bis August kann man das aufregende Spektakel an fast allen Wochen­enden auf und um die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst erleben. Dazu frönt man dem Brauch neuerdings auch schon im Februar: mit dem Fastnachts-Tonnenabschlagen in Born. (Alle Termine unter www.fischland-darss-zingst.de.) Helga Schnehagen


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