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23.03.13 / Der Heimat verbunden / Journalist besucht Schlesien auf der Suche nach deutschen Spuren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-13 vom 23. März 2013

Der Heimat verbunden
Journalist besucht Schlesien auf der Suche nach deutschen Spuren

Es ist die typische Gemengelage, die man fast überall im Osten antrifft. Breslau, so sagt es dem Autor Peter Pragal ein polnischer Gesprächspartner, sei piastisch, böhmisch, ungarisch, österreichisch sowie deutsch gewesen und heute nun polnisch. Was gibt da Orientierung? Das ist mitunter schwer für die Menschen, sowohl für jene, die jetzt dort leben als auch für jene, die von dort vertrieben wurden, sich aber ihrer Heimat noch immer verbunden fühlen. „Hier in Schlesien entsteht eine neue Offenheit“, sagt es dem Autor eine Frau, und das ist vielleicht eine der hoffnungsvollsten Perspektiven, die man nach der Lektüre des Buches „Wir sehen uns wieder, mein Schlesierland. Auf der Suche nach Heimat“ mitnimmt.

Die Familie des 1939 in Breslau geborenen Autors musste nach Kriegsende die Stadt, in der sie seit Generationen zu Hause war, verlassen. Nach vergleichsweise glimpflicher „Umsiedlung“ begann im Siegerland ein neues Leben, das anfangs unendlich mühsam war, aber ab den 50er Jahren besser wurde. Pragal studierte Publizistik und absolvierte die renommierte Journalistenschule in München; er wurde Redakteur, erst der „Süddeutschen Zeitung“, dann des „Stern“, in den letzten Berufsjahren nach der Wende, bei der „Berliner Zeitung“. Für „Süddeutsche“ und „Stern“ war er zweimal für mehrere Jahre deren Korrespondent in der DDR; heute lebt er im Westteil der deutschen Hauptstadt.

Wer Pragal aus seinen journalistischen Beiträgen kennt, mag überrascht sein von der großen Emotionalität, mit der er das Thema angeht. Schlesien, das er als knapp Siebenjähriger verließ, muss sich ihm tief eingeprägt haben, denn nie hat es ihn losgelassen. In den intensiven Berufsjahren in München, Bonn und Ost-Berlin trat die Heimat wohl in den Hintergrund, aber schon in der DDR zog es ihn an die Grenze. Und nach der „Wende“ fuhr er immer wieder nach Breslau, erinnert sich in anrührend geschriebenen Kapiteln an Stadt und Straßen vor 1945 und vergleicht früher Gekanntes mit dem heutigen Stadtbild. Und er bleibt nicht nur in Breslau. Man nimmt ihm ab, wenn er von „Mythen“ spricht, vom Mythos Riesengebirge, dessen Schönheit ihn noch immer bezaubert, vom „schlesischen Elysium“ im Hirschberger Tal, wo mehr Schlösser als an der Loire oder in England stehen, von Städten wie Liegnitz und Oppeln, in denen heute eine rührige deutsche Volksgruppe wieder Kultur und Brauchtum pflegen kann.

Ohne Politik geht es dabei freilich auch nicht. Als Journalist hat er aggressive Attacken Andersdenkender erlebt, die strikt gegen jede Anerkennung der politischen Situation nach 1945 waren. Trotz mancher Distanz nimmt er die Vertriebenenverbände in Schutz vor dem Verdacht, sie seien von rechts unterwandert; und ein faires Porträt der BdV-Präsidentin Erika Steinbach (der er freilich eine etwas diplomatischere Wortwahl nahelegt) wird ergänzt durch ein anerkennendes Bild des früheren BdV-Vize Herbert Hupka, dem er sich ganz offensichtlich im Gedenken der alten Heimat verbunden fühlt.

Das Buch zeichnet ein heute weltoffenes, kulturell tolerantes und wirtschaftlich prosperierendes Schlesien. Die deutsche Vergangenheit wird nicht mehr geleugnet, sondern, wie Pragal erlebt hat, „zunehmend als Teil und Bereicherung der eigenen Geschichte“ begriffen. Es ist heute EU-Land und damit problemlos erreichbar. Nur manchmal kommt der Schmerz über die verlorene Heimat durch. Aber damit steht Pragal nicht allein. Er zitiert ausgerechnet Willy Brandt, der seinerzeit an die „Zeit“-Herausgeberin Gräfin Dönhoff geschrieben hatte, vor der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages im Dezember 1970 sei ihm beim Sichten der Dokumente „das Heulen gekommen“. Anderen wohl auch. Dirk Klose

Peter Pragal: „Wir sehen uns wieder, mein Schlesierland. Auf der Suche nach Heimat“, Piper Verlag, München 2012, geb., 397 Seiten, 22,99 Euro


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