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30.03.13 / Noch regiert oft das Chaos / Ausbau der Kinderbetreuung führt zu spürbaren Missständen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-13 vom 30. März 2013

Noch regiert oft das Chaos
Ausbau der Kinderbetreuung führt zu spürbaren Missständen

Sie ist erst drei Jahre alt, doch die kleine Paula wird unfreiwillig – wie Hundertausende andere Kinder ihres Alters – Zeitzeuge eines gesellschaftlichen Wandels: dem massiven Ausbau der Kinderbetreuung. Was so großartig klingt, macht sich für das Mädchen jedoch vor allem in Form von Chaos bemerkbar. Vor dem Umzug ihrer Eltern in ein von den Mieten her günstigeres Stadtviertel besuchte die Kleine eine privat geführte Krippe. Dort war alles geregelt. Zwei Erzieherinnen betreuten zwölf Kinder unter drei Jahren, neben den festen Essenszeiten gab es jeden Tag ein Motto. Montags wurde gebastelt, dienstags stand musikalische Früherziehung auf dem Plan, mittwochs war Ausflugstag, donnerstags ging es in die Turnhalle und freitags durfte frei gespielt werden. Zudem gab es auch immer ein Wochenmotto. Mal wurde der Unterschied von Laut und Leise erklärt, mal der von Viel und Wenig, dann stand Farbenlehre auf dem Programm oder die Frage, welche Tiere im Wald leben.

Jetzt wird nur noch wenig erklärt. Schlicht, weil der neuen Erzieherin Julia die Zeit fehlt. Offiziell sollte in dieser Gruppe einer städtischen Kindertagesstätte noch eine weitere Erzieherin sein, doch ein hoher Krankenstand sowie Urlaubs- und Weiterbildungstage sorgen dafür, dass Julia nicht nur heute allein mit fast 20 Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren allein im Raum ist. Da ab August der Rechtsanspruch für unter Dreijährige gilt, hat die Stadt angeordnet, dass auch Kinder dieser Altersgruppe mit zu den Größeren in die Gruppe gesteckt werden. Einige der Kleinen sprechen jedoch noch nicht richtig, die kleine Arzu kann zudem nur Türkisch. Auch fehlen Wickeltisch und Schlafecke in dem Raum, beides ist für so kleine Kinder jedoch vonnöten. Zwar sind die baulichen Veränderungen bereits in Planung, doch noch muss Julia mit dem Provisorium arbeiten, so dass, wenn ein Kind gewickelt werden muss, sie eine Kollegin aus einer anderen Gruppe der Kita anrufen muss, in deren Raum ein Wickeltisch steht. Die holt dann das Kind ab, um es zu wickeln.

Während Paula versucht, ein Spiel aus einem der Regale zu nehmen, das jedoch so hoch liegt, dass sie nicht dran kommt, bricht ein Tumult aus. Der kleine Leon schreit wie am Spieß. Flugs unterbricht die Erzieherin das Gespräch mit der fünfjährigen Hadice über ihr Lieblingsbuch, steigt über den ständig am Boden liegenden Nazir, der nach einem Missbrauch durch seinen Vater schwer traumatisiert ist, und eilt zu Leon. Dessen Finger blutet und eine Schar von Kindern sammelt sich um den Jungen. Unter ihnen auch der fünfjährige Sinnan, der in seinen hinter dem Rücken verschränkten Händen eine Schere hält. Der zweijährige Leon habe ihn geärgert, rechtfertigt er später gegenüber Julia seine Tat. Derweil bricht Paula in Tränen aus, weil sie nicht an das Spiel kommt und niemand ihr hilft. Auch Remzi weint, weil Oleg ihn geschlagen hat. Doch Julia kann nicht helfen, muss sie doch erst Leons Finger verbinden.

„Wer hat den Keks aus der Dose geklaut“, stimmt Julia nach dem gemeinsamen Händewaschen ein Spiel an. Gleich kommt eine Kollegin und holt die Kinder zum Mittag ab. Bel


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