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30.03.13 / Spiel mit dem Terror / Neue Details über Nato-Agentennetzwerk »Gladio« lassen selbst Verschwörungstheoretiker staunen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-13 vom 30. März 2013

Spiel mit dem Terror
Neue Details über Nato-Agentennetzwerk »Gladio« lassen selbst Verschwörungstheoretiker staunen

Zu einem Gerichtsverfahren, das in Luxemburg als „Jahrhundertprozess“ gilt, herrscht in der bundesdeutschen Medienlandschaft weitgehendes Schweigen. Dabei könnte der luxemburgische Fall helfen, die vielen Ungereimtheiten im Fall der Terrorzelle NSU neu zu bewerten.

Es ist starker Tobak, was in der „Affaire Bommeleeër“ (Bombenleger), die derzeit in Luxemburg vor Gericht verhandelt wird, zutage kommt. Während lange Zeit Linksextremisten als Urheber mehrerer Bombenanschläge galten, die Luxemburg in den 80er Jahren erschütterten, sitzen nun zwei ehemalige Beamte der luxemburgischen Gendarmerie auf der Anklagebank. Zu den 20 Straftaten, die ihnen vorgeworfen werden, gehört ein Sprengstoffanschlag auf einen EG-Gipfel ebenso wie das Außerbetriebsetzen des Instrumentenlandesystems des Luxemburger Flughafens oder der Bau einer Sprengfalle. Sind die Vorwürfe schon brisant genug, hat der Prozess inzwischen noch eine spektakuläre Wendung genommen. Zur Entlastung der beiden Ex-Polizisten hat die Verteidigung eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt, die dafür spricht, dass die Anschläge im Auftrag von Geheimdienstkreisen erfolgt sind.

Notariell beglaubigt hat der deutsche Historiker Andreas Kramer wiedergegeben, was ihm von seinem Vater vor dessen Tod anvertraut worden war. Als Bundeswehroffizier und Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes soll der Vater Operationsleiter eines Agenten-Netzwerkes der Nato für den Kriegsfall gewesen sein. Bei der meist nach ihrem italienischen Ableger als „Gladio“ bezeichneten Nato-Truppe soll Kramer Senior den Angaben seines Sohnes zufolge nicht nur Einsätze in Deutschland, den Benelux-Staaten und der eigentlich neutralen Schweiz koordiniert haben, auch die Luxemburger Bombenleger-Aktionen sollen über seinen Schreibtisch gewandert sein. Vordergründig als Übung angelegt, soll mit den Bombenanschlägen ein politisches Ziel verfolgt worden sein: die Diskreditierung linker Kräfte.

Der nun beim Luxemburger Bombenleger-Prozess im Raum stehende Vorwurf, „Gladio“ sei für Terror eingespannt worden, um politische Zwecke zu verfolgen, ist nicht neu. Der Historiker Daniele Ganser, der sich an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich intensiv mit „Gladio“ beschäftig hat, kam schon – vor allem mit Blick auf Italien und die Türkei – zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: „In einigen Ländern, aber nicht in allen, mutierten die Sicherheitsnetze jedoch auch zu Terrorzellen.“

Durch Gerichtsverfahren nachgewiesen ist diese Kaperung „Gladios“ im Fall von Italien und der dort verfolgten „Strategie der Spannung“. Inszenierte Terroranschläge, die man wahlweise Links- oder Rechtsextremisten zugeschrieben hat, wurden dafür genutzt, die Stimmung in der italienischen Bevölkerung in die politisch gewünschte Richtung zu steuern. Eine weitere Erkenntnis die sich bei den „Gladio“-Prozessen in Italien herausgeschält hat: Während es sich eigentlich um ein Nato-Projekt handelte, hatte in der Praxis die CIA das Sagen.

Auch wenn die „Gladio“-Strukturen – zumindest nach offiziellen Angaben – seit Anfang der 1990er Jahre aufgelöst sind, spricht einiges dafür, dass die Diskreditierung politischer Gegner mittels inszeniertem oder gesteuertem Terror keineswegs ad acta gelegt ist. Es ist der Publizist Jürgen Elsässer, der den Verdacht äußert, dass unter umgekehrten Vorzeichen mittlerweile gezielt eine andere politische Strömung in Misskredit gebracht werden soll. „In den 70er Jahren kam der Antiamerikanismus von links, während die Rechte Nato-treu war.“ Während mittlerweile SPD, Grüne und selbst Teile der Linken ihren Frieden mit USA, Nato und Auslandseinsätzen der Bundeswehr gemacht haben, kommt Kritik heutzutage eher aus dem national orientierten Lager. „Dass dabei die Neonazis den Ton angeben, während vernünftige Patrioten zu Hause bleiben, hängt auch damit zusammen, dass unter den Radikalinskis genügend V-Leute sind, die die Irren anfeuern“, so Elsässers Diagnose.

Einzelne Geheimdienst-Seilschaften könnten inzwischen allerdings auch wieder auf das bei „Gladio“ schon erprobte Prinzip der Diskreditierung unliebsamer politischer Strömungen mittels Terror zurückgreifen, so der von Elsässer geäußerte Verdacht in einem aktuellen Sonderheft des „Compact“-Magazins. Der Titel „Neonazis, V-Männer und Agenten – Operation Nationalsozialistischer Untergrund“ deutet bereits den Schwerpunkt der sehr lesenswerten Analyse zum Themenkomplex NSU an. Detailliert wie bisher nirgendwo sonst sind die zahlreiche Ungereimtheiten der offiziellen Darstellung zusammengetragen worden, die in der Berichterstattung der meisten Medien kein Thema sind, die aber stark in eine bestimmte Richtung weisen: Vom hessischen Verfassungsschutzmitarbeiter, der bei sechs von neun „Dönermorden“ am Tatort oder in der Nähe war, bis zur Anwesenheit eines Observationsteams des US-Militärgeheimdienstes DIA während des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Norman Hanert


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