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30.03.13 / Der Bernstein und die Sudauer / Landstreifen entlang der Küste war Sperrgebiet − Friedrich Wilhelm III. löste Monopol auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-13 vom 30. März 2013

Der Bernstein und die Sudauer
Landstreifen entlang der Küste war Sperrgebiet − Friedrich Wilhelm III. löste Monopol auf

Das Samland, der Landvorsprung zwischen dem Frischen und dem Kurischen Haff, ist bekanntlich das Kerngebiet des Bernsteinlands entlang der preußisch-baltischen Ostseeküste. Durch einen Bericht des Königsberger Pfarrers und Reformators Johannes Poliander (1486−1541) ist Näheres über die Bernsteingewinnung der prußischen Sudauer oder Jadwinger im nordwestlichen Samland bekannt. Es waren die Nachkommen derjenigen Sudauer, die 1283 von den Rittern des Deutschen Ordens mit Gewalt aus ihrem ursprünglichen Stammesgebiet in die damals wüste Gegend an der samländischen Küste gebracht worden waren. In einem 52 Jahre andauernden Kampf gegen die aufständischen Prußen hatten die Ritter des Deutschen Ordens zuletzt die Sudauer besiegt, deren Wohngebiet sich einst von den Wäldern im Osten Masurens bis nach Weißrussland erstreckte. Die in das Samland umgesiedelte sudauische Restbevölkerung wurde zur Bernsteingewinnung verpflichtet, da das Bernsteinregal des Ordensstaates auf dem Frondienst der Bernsteinförderung durch die Küstenbewohner beruhte. Mit dem Bernsteinregal erklärte sich der Staat zum alleinigen Eigentümer des wertvollen Naturmaterials und verfügte über das Handelsmonopol. Die Menge des geförderten Bernsteins schwankte stark. Im Durchschnitt waren es 20 bis 30 Tonnen jährlich, in manchen Jahren jedoch wesentlich mehr, da nach einem schweren Sturm innerhalb weniger Tage bis 1000 Kilogramm und mehr davon aufgesammelt wurden. Einzelne Untertanen des Ordensoberhauptes wie der Bischof von Samland waren Pächter der Bernsteinförderung auf kleinen Strandabschnitten. Das Ankaufmonopol behielt jedoch der Orden, dessen Geschäftsführer, die sogenannten Bernsteinherren, an mehreren Orten die Annahmestellen kontrollierten. In Königsberg betrieb ein Großschäffer den Verkauf des Bernsteins. Sämtliche Bernsteinfunde waren abzuliefern. Strandvögte wachten darüber, dass die Männer, Frauen und Kinder, die den Strand und das Ufer regelmäßig nach dem „Gold der Ostsee“ absuchten, nichts beiseite schafften. Bei Unterschlagung drohte die Todesstrafe. Weithin sichtbar standen auf den hohen „Sandbergen“ die Galgen für die Bernsteindiebe. Zur Verhinderung des Diebstahls hatten die Ordensherren außerdem erwirkt, dass der Bernstein außerhalb des Landes verarbeitet wurde. Sehr gefragt waren in ganz Europa Rosenkränze, aber auch Brillengläser aus Bernstein. Weit entfernt von den Förderungsstätten wurden nach 1300 in Brügge und Lübeck die ersten Bern-steindreherzünfte gegründet, in denen die sogenannten Paternostermacher registriert waren. Ebensolche Zünfte entstanden später auch in Kolberg, Danzig, Stolp und Elbing. Erst der Große Kurfürst erlaubte auch in Königsberg die Errichtung einer Zunft der Bernsteindreher oder -drechsler.

Pfarrer Poliander vermerkte 1535, dass die Sudauer seinerzeit noch in einer kulturellen und sprachlichen Enklave im sogenannten Sudauischen Winkel lebten (lateinisch Sudavia). Auf einem sechs bis sieben Meilen langen Landstreifen bewohnten sie 30 Dörfer, darunter Palmnicken, wo der Bernstein seit Ende des

19. Jahrhundert im Tagebau und von 1907 bis 1924 auch im Untertagebau geschürft wurde. Als eifrigen Sammler von Einschlüssen interessierte Poliander neben der wirtschaftlichen Seite auch die Methode der von den Sudauern ausgeübten Bernsteingewinnung. Immer wenn der Westwind abgeflaut war, fischten die Männer mit großen, langstieligen Keschern in der Dünung nach Bernstein. In Decken gehüllt standen sie nackt am Ufer und warteten den Moment ab, wenn sich die Wellen zurückzogen. Dann warfen sie die Decken ab und liefen ins Wasser, um mit den Keschern möglichst viel Tang vom Meeresgrund abzuschürfen und ans Ufer zu schleppen. In dem Gemenge aus Tang und Holzstücken verfing sich der Bernstein.

Zwischendurch wärmten sich die Männer in ihren Decken an einem Feuer. Bis ins 20. Jahrhundert hinein ist diese Methode des Bernsteinschürfens von den samländischen Fischern ausgeübt worden, die dabei in ihrem Ölzeug bis zur Hüfte im Wasser standen. Nicht viel anders wird es auch heute noch gemacht. Bei Windstille wurde der Bernstein in alter Zeit auch mit langen Gabeln aus dem Meer geholt und man brachte ihn vom Boot aus mit Stangen zum Aufschwimmen. Sämtliche Mitglieder der Fischerfamilien waren mit der Beschaffung des Bernsteins beschäftigt, da auch in den Seebergen und weiter landeinwärts danach gegraben wurde.

Während die Sudauer zur Ordenszeit für ihren Aufwand teils mit Geld, teils mit Salz entschädigt wurden, waren sie nach der Umwandlung des Ordens in ein weltliches Herzogtum seit 1525 wesentlich schlechter gestellt. Der Generalpächter des Bernsteinregals, eine Danziger Kaufmannsfamilie, sparte Kosten bei der Förderung, indem die Sudauer bei Ablieferung ihrer Ausbeute nur Salz erhielten, wobei der Bernstein mit Salz aufgewogen wurde. Salz war ebenfalls hoheitliches Regal. Poliander berichtet, dass der Bernstein je nach der Güte zwischen 30 und 100 Rheinische Goldmark pro Tonne einbrachte. Da die Sudauer so kümmerlich entschädigt wurden, war das Misstrauen wegen möglicher Unterschlagung von Bernstein wohl besonders groß. Infolgedessen wurden ihre Wohngegenden zum Sperrgebiet erklärt. Auch unter dem preußischen Staat als Monopolisten des Bernsteins änderte sich daran nichts; Besuchern war das Betreten des samländischen Strandes verboten, wovon seit Anfang des 19. Jahrhundert nur eine kleine Strecke bei dem Badeort Cranz ausgenommen war. Dieser Zustand sorgte bei Einheimischen und Fremden zunehmend für Verärgerung. 1837 trat König Friedrich Wilhelm III. den Ortschaften des Samlands die gesamte Bernsteinnutzung von Danzig bis Memel gegen die Summe von 30000 Mark ab. D. Jestrzemski


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