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30.03.13 / Göttliche Leinwand / Der Legende nach entstanden während der Passionszeit Bildnisse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-13 vom 30. März 2013

Göttliche Leinwand
Der Legende nach entstanden während der Passionszeit Bildnisse von Jesus, die bis heute als Reliquien verehrt werden

Wie sah Jesus aus? Diese Frage bewegt die Gläubigen seit Jahrhunderten. Dabei soll sein Antlitz für alle Ewigkeit auf mindestens zwei Tüchern gebannt worden sein, mit denen Jesus laut Bibel beim Kreuzweg und nach der Kreuzabnahme bedeckt wurde: der Schleier von Manopello und das Turiner Grabtuch.

Das Grab Jesu, gehauen in eine Felsenhöhle, war schwer bewacht. Bei Androhung der Todesstrafe hatten die römischen Soldaten dafür zu sorgen, dass niemand sich dort zu schaffen machte. Zusätzlich war ein tonnenschwerer Stein vor die Grabhöhle gewälzt worden, denn man wuss­te: Hier lag ein Prominenter, ein Rebell gegen die religiösen Autoritäten des Judentums, der einst Tausende von Menschen in seinen Bann gezogen hatte. Ihn hatte man auf die entwürdigendste und grausamste Art zum Tode am Kreuz befördert. Eine von ihm selbst angekündigte „Auferstehung von den Toten“ wollte man um jeden Preis verhindern.

Doch am Ostermorgen entwickelten sich die Dinge anders. Eine Frau, Maria aus dem Ort Magdala am See Genezareth, hatte sich noch im Dunkeln des Ostermorgens zum Felsengrab geschlichen und eine unglaubliche Entdeck-ung gemacht: Der runde Stein vor der Felsenhöhle war weggerollt worden; das Grab war leer und nur noch das Leinentuch, das um den Leichnam gewickelt gewesen war, lag im Grab! Bestürzt erzählte sie ihre Entdeckung den Jüngern um Simon Petrus, die etwas ratlos waren.

Was war von dieser Entdeckung zu halten? Eine Frau galt damals als nicht rechtsfähige Zeugin und Maria Magdalena stand nicht in bestem Ruf. Sie hatte, bevor sie Jesus begegnete, wahrscheinlich als Prostituierte gearbeitet und einmal sogar mit einem kostbaren Salböl vor aller Augen Jesus die Füße massiert. Konnte man ihr glauben? Zwei der zwölf Apostel, Simon Petrus und Johannes, machten sich immerhin zum Grab auf, um der Sache auf den Grund zu gehen. Der jüngere und etwas sportlichere Johannes, der auch den Originalbericht über dieses Geschehen in seinem Evangelium überliefert hat (Joh 20,1–10), kam schneller am Grab an und fand alles so vor, wie von Maria Magdalena berichtet, traute sich aber nicht in das leere Grab hineinzugehen. Der Mutigere der beiden, Simon Petrus, ergriff schließlich die Initiative und ging als erster in die Grabhöhle hinein, fand das Leinentuch und ein zweites kleineres Tuch vor, das man dem Leichnam auf das Gesicht gelegt hatte, wie es den jüdischen Begräbnissitten für bedeutende Persönlichkeiten entsprach.

Beide Tücher sind bis heute erhalten und gelten als kostbarste Reliquien der Christenheit. Das Leinentuch wird als „Turiner Grabtuch“ verehrt und zeigt alle in den Passionserzählungen der Bibel berichteten Verletzungen und Verwundungen Jesu. Die Echtheit des Tuches ist zwar umstritten, aber konnte mittels wissenschaftlicher Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit er­mittelt werden.

Das zweite Tuch wird heute als „Heiliger Schleier“ (ital. „Volto Santo“) in der Wallfahrtskirche von Manopello aufbewahrt und ist im Hochaltar zu sehen. Von 705 bis zum Jahr 1600 wurde es im Petersdom von Rom aufbewahrt, dann wurde es versteckt und galt lange Zeit als verschollen. Erst Ende des 20. Jahrhunderts tauchte das Tuch in den Abruzzen wieder auf. Über die Wiederentdeckung des „Volto Santo“ schrieb der Vatikan-Korrespondent der „Welt“, Paul Badde, den aufregenden Weltbestseller „Das göttliche Gesicht“.

Was aber ist auf dem Manopello-Tuch zu sehen? Anders als auf dem Turiner Grabtuch, das das Gesicht des toten und gemarterten Jesus zeigt, ist auf dem Schleier das Gesicht des Auferstandenen zu sehen. Die biome-trischen Ge­sichtsmaße auf beiden Tüchern stimmen genau überein. Mit weit geöffneten Augen schaut Jesus auf dem Manopello-Schleier den Betrachter an. Die geschwollene Backe, die gebrochene Nase sind noch zu erkennen, aber sein Blick ist einzigartig.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner, der Manopello im April 2005 aufsuchte, sagte: „Im ,Volto Santo‘ wird das Herz Gottes sichtbar. Pax Vobis. Er schaut uns nicht nur ins Gesicht, er schaut uns ins Herz. Doch nicht mit dem Blick eines Befehlshabers oder strengen Richters, es ist der Blick eines Bruders, eines Freundes. Es ist der Blick des guten Hirten. Sie haben hier mit diesem Schleier immer Ostern. Zweifeln sie nur ja nicht daran, dass es echt ist!“ Ähnlich äußerte sich Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch in Manopello am 1. September 2006, der die kleine Wallfahrtskirche zur päpstlichen Basilika erhob und vom „wahren Antlitz Jesu“ sprach.

Dieses göttliche Antlitz zu betrachten und dem Auferstandenen direkt ins Gesicht schauen zu können, ist einzigartig auf dieser Welt. Als der Apostel und Evangelist Johannes die beiden Tücher entdeckt hatte, „sah er und glaubte“, wie er selbst berichtete. Ähnlich ging es dem Verfasser dieser Zeilen, als er im Jahr 2005 einen Tag lang vor diesem Tuch meditierte. Um an den Auferstandenen, der das „Licht des Lebens“ schenkt, zu glauben, braucht man keine besonderen ekstatischen Erlebnisse. Das Osterfest bringt uns jedes Jahr ein inneres Erleben an Leben und Leiden von Jesus Christus nahe. Hinrich E. Bues


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