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06.04.13 / Fürsten mit Kunstverstand / Jagiellonen-Schau in Potsdam: Als im Osten die Kultur aufblühte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-13 vom 06. April 2013

Fürsten mit Kunstverstand
Jagiellonen-Schau in Potsdam: Als im Osten die Kultur aufblühte

Vom 14. bis 16. Jahrhundert waren die Jagiellonen die Herrscher Ostmitteleuropas. Sie stellten viele polnische, ungarische, kroatische und böhmische Könige. Eine Ausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Ge­schichte in Potsdam zeigt noch bis zum 16. Juni den ganzen Prunk des Herrschergeschlechts und seine Rolle als geschichtliche Trittleiter Preußens.

Das tschechisch-polnisch-deutsche Ausstellungsprojekt „Europa Jagellonica“ fußt auf einem Forschungsprojekt, das von 2000 bis 2005 am Geisteswissenschaftli­chen Zen­trum Ge­schichte und Kultur Ostmitteleuropas der Universität Leipzig mit 60 internationalen Wissenschaftlern durchgeführt wurde. Dabei variiert die Auswahl der Werke von Station zu Station.

Nachdem die Schau zuvor schon im tschechischen Kuttenberg und in Warschau zu sehen war, zeigt Potsdam mit etwa 90 Werken zwar die zahlenmäßig kleinste Auswahl, doch sind die Exponate von höchster Qualität und oft die Arbeit namhafter Künstler wie Lucas Cranach d. Ä., Albrecht Dürer oder Veit Stoß.

Diese berühmten Künstler erscheinen jetzt in einem neuen Licht. Veit Stoß wirkte fast zwei Jahrzehnte in der damaligen polnischen Hauptstadt Krakau, wo er ab 1477 den grandiosen Flügelaltar der Marienkirche schuf. Albrecht Dürer d. Ä. kam als Goldschmied aus Oberungarn, dem damaligen Zentrum der Goldschmiedekunst, nach Nürnberg. Sein berühmter Sohn gleichen Namens, der zunächst auch dieses Handwerk gelernt hatte, schlug zwar zeitlebens Einladungen der jagiellonischen Herrscher aus, verkaufte an ihre Höflinge aber seine Grafiken und Tafelbilder. Sein Bruder Hans Dürer arbeitete hingegen direkt für den Jagiellonen-Hof in Krakau. Und auch Albrecht Dürers Schüler und Mitarbeiter, der bedeutende Renaissance-Maler Hans Süß von Kulmbach, erhielt beachtliche Aufträge in Krakau. Bei Lucas Cranach d. Ä. wurden durch den Bischof von Olmütz, Stanislaus Thurzo, einem engen Vertrauten der jagiellonischen Könige, zwei Flügelaltäre für seine Kathedrale in Auftrag gegeben.

Nach den Worten des Direktors des Hauses der Brandenbur­gisch-Preußi­schen Ge­schichte, Kurt Winkler, stellt die Son­der­schau „das bislang komplexeste und wichtigste Ausstellungsprojekt unseres Hauses dar“. Zu sehen sind Leihgaben aus Museen, Sammlungen und Kirchen in Oxford, Wien, Prag, Budweis, Brünn, Krakau, Pelplin, Gnesen, Posen, Breslau, Bautzen, Budapest, Warschau, Bratislava, Zagreb, Hermannstadt und anderen Städten. Einige der überwiegend sakralen Werke wurden zum ersten Mal von Kirchen entliehen, um in einer Ausstellung präsentiert zu werden.

Dem Ausstellungsort entsprechend, liegt der Schwerpunkt der letzten Station auf der historischen und kulturgeschichtlichen Verbindung der Jagiellonen zu Deutschland. Dazu reicht das „Material“ weit über die ausgestellten Exponate hinaus. Als echter Kunstführer schließt der Katalog wichtige am originalen Standort zu besichtigende Zeugen aus der Zeit der Jagiellonen mit ein, etwa die St.-Annen-Kirche zu Annaberg oder die „Beweinung Christi“ von Hans Olmützer aus der ehemaligen Franziskanerkirche in Görlitz. Zur weiteren Vertiefung des Themas wird ein umfangreiches Paket an Vorträgen, Exkursionen, Reisen und Partnerausstellungen angeboten, welche die eingefahrenen kunstgeschichtlichen Gleise immer wieder verlassen.

Dabei entpuppt sich der komplexe Katalog als überraschend vielseitiger Navigator. Er führt gleichzeitig durch die Herrschafts- und Familiengeschichte der Jagiellonen, beleuchtet die wirtschaftlichen und geistigen Grundlagen ihrer Zeit und zeigt damit „automatisch“, auf welchem breiten historischen und kulturellen Wurzelwerk das moderne Europa ruht.

Doch wer waren die Jagiellonen überhaupt? Als litauisch-polnisches Herrschergeschlecht regierten die Jagiellonen zwischen 1386 und 1572 weite Teile Ostmitteleuropas. Zur Zeit ihrer weitesten Machtausdehnung um 1500 besaßen sie eines der größten europäischen Herrschaftsgebiete, das die Königreiche Polen-Litauen, Böhmen, Ungarn und Kroatien umfass­te und vom Baltikum bis zur Adria und von Böhmen bis zum Schwarzen Meer reichte. Eine große Rolle spielte dabei die Heiratspolitik. Durch sie verbanden sich die Jagiellonen unter anderem mit den Hohenzollern in Franken und Brandenburg, den Wettinern in Sachsen und den Wittelsbachern in Bayern.

Die Fürstenhochzeiten waren gesellschaftliche Großereignisse, an denen alles teilnahm, was Rang und Namen hatte. Die Landshuter Hochzeit von 1475, die noch heute in regelmäßigen Abständen nachgefeiert wird, begründete zum Beispiel die Verbindung von Hedwig Jagiellonika mit Herzog Georg dem Reichen von Niederbayern. Ihre Schwester Sophia heiratete 1479 in Frankfurt (Oder) Friedrich den Älteren von Brandenburg-Ansbach. Die Schwester Barbara ging wiederum 1496 mit Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen in Leipzig die Ehe ein. Die Ober- und Niederlausitz, die heute zu Brandenburg und Sachsen gehören, waren böhmisch und damit Länder des Jagiellonen-Reiches. So findet man nicht von ungefähr bis heute in Kamenz in der Lausitz mit der Franziskanerkirche eine reich ausgestattete jagiellonische Stiftung.

Dass solche Verbindungen auch von Zuneigung geprägt sein konnten, bewiesen Markgräfin Sophia von Polen und ihr Gatte, Friedrich d. Ä. von Brandenburg-Ansbach. Diese erste erfolgreiche Eheverbindung zwischen Hohenzollern und Jagiellonen befriedete nicht nur das Verhältnis zwischen den beiden Häusern nachhaltig. Der Kinderreichtum dieser Ehe sicherte den Ansbacher Hohenzollern durch geschickte Heiratspolitik auch weitreichenden Einfluss. Sophia hat in 33 Ehejahren 18 Kindern das Leben geschenkt, wovon 13 das Erwachsenenalter erreichten.

Das alles bedeutete Nachwuchs, der auch mit Preußens Geschichte aufs Engste verbunden ist. Markgraf Georg der Fromme von Brandenburg-Ansbach, der aus der oben erwähnten Verbindung hervorging, korrespondierte mit Martin Luther, von dem ein Schriftstück in der Ausstellung gezeigt wird. Georg sorgte mit dafür, das Preußen hohenzollerisch und dann protestantisch wurde: Er riet seinem Bruder Albrecht, Hochmeister des Deutschen Or­dens, den Or­densstaat Preußen in ein weltliches Herzogtum umzuwandeln, und wirkte auf Joachim II. von Brandenburg ein, zum Protestantismus überzutreten. Das war eine der Grundlagen da­für, dass Brandenburg dann nach 1701 im preußischen Königreich aufging. Helga Schnehagen

Haus der Brandenburg-Preußischen Geschichte, Kutschstall, Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam, Dienstag bis Donnerstag 10 bis 17 Uhr, Freitag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Besucherservice Tel. (0331) 6208550, Eintritt 8 Euro, ermäßigt 6,50 Euro. Internet: www.europajagellonica.de


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