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06.04.13 / Königsberger Backfische / Jugendbuchautorin Käthe van Beeker vor 100 Jahren geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-13 vom 06. April 2013

Königsberger Backfische
Jugendbuchautorin Käthe van Beeker vor 100 Jahren geboren

Backfischliteratur ist die einschlägige Bezeichnung für Mädchenbücher, deren „Heldinnen“ junge Mädchen in der Entwicklungszeit sind, Backfische eben. Seit weit über 100 Jahren sind derartige Bücher Verkaufsschlager, wenn auch die Bezeichnung „Backfisch“ längst aus der Mode gekommen ist. Eine in der Kaiserzeit sehr erfolgreiche Autorin von Romanen dieser Kategorie war Käthe van Beeker, die am 1. April 1863 auf einem ostpreußischen Landgut nahe Königsberg zur Welt kam.

Von ihr wie von anderen Schriftstellerinnen, die seinerzeit wie am Fließband Unterhaltungsliteratur für junge Mädchen verfassten, weiß man nur sehr wenig. Seit ihrem dritten Lebensjahr wuchs Käthe van Beeker in Königsberg auf. Von 1884 bis 1914 lebte sie unverehelicht in Wiesbaden. Ab 1899 veröffentlichte sie Romane und Erzählungsbände für junge Mädchen, zunächst bei den renommierten Stuttgarter Verlagen Levy & Müller und Loewes Verlag Ferdinand Carl. Bis 1913 erschienen von ihr jährlich ein bis zwei Bücher, was darauf hindeutet, dass sie von den Tantiemen ihren Lebensunterhalt bestritt. Die meisten ihrer Werke wurden mehrfach aufgelegt, teils bis in die 1930er Jahre und noch nach 1945. Einige wurden in die schwedische und die niederländische Sprache übersetzt. Käthe van Beeker starb am 21. Juli 1917 im Meran-Obermais, einem Park- und Villenviertel der Stadt Meran (Süd-Tirol). Postum erschien von ihr 1925 der Frauenroman „Die Reise in das Land des Glücks“, der 1935 zum achten Mal aufgelegt wurde.

In ihren ersten Backfischroman „Die wilde Hummel“ aus dem Jahr 1899 hat Käthe van Beeker wohl Elemente ihrer eigenen Biografie aufgenommen. Es ist möglich, dass sich die Bezeichnung „wilde Hummel“ für ein lebhaftes junges Mädchen aufgrund der Beliebtheit dieses Buches im allgemeinen Sprachgebrauch fest verankert hat. Es erschien in sechster Auflage nochmals 1922. Geschildert wird als Auftakt die Lebensweise der fast 15-jährigen, mutterlos aufgewachsenen Alexandrine auf einem Rittergut in Masuren. Ihr Vater, Baron von Kannenberg, behandelt seine Lex wie einen Jungen, und sie benimmt sich auch so. Außer ihm sind die gutmütige Hauswirtschafterin und der Pfarrer die einzigen Bezugspersonen der sympathischen jungen „Marjell“. Ein Aufenthalt bei Verwandten in Wiesbaden, wo Alexandrine endlich „Schliff“ in der Erziehung erhalten soll, bringt den Kontrast zwischen Stadt und Land, zwischen natürlichen und gekünstelten Umgangsformen ins Spiel. Die Standesdünkel der adeligen Verwandten erscheinen in einem negativen Licht.

Um 1900 er­reichten Romane wie „Die wilde Hummel“ junge Mädchen aus bürgerli­chen und so­gar proletarischen Schichten. Ursprünglich waren sie allerdings nur für Töchter aus wohlha­benden Kreisen be­stimmt. Den Anfang machte 1885 Emmy von Rhodens be­rühmte Pensionatsgeschichte „Der Trotzkopf“ mit ihren zahlreichen Fortsetzungsbänden. Aufgrund seines anhaltenden Erfolgs diente „Trotzkopf“ zeitgenössischen Autorinnen als Muster zur Produktion ähnlicher Romane. Auch Käthe van Beekers „Die wilde Hummel“ weist inhaltliche Parallelen dazu auf.

Die 14- bis 15-jährigen Protagonistinnen dieser programmatischen Entwicklungsromane verlangen ihr Recht auf eine „richtige“ Kindheit und Backfischzeit. Sie wollen sich nicht frühzeitig auf die Hausfrauenrolle festlegen lassen und weisen die Vorstellung einer frühen Heirat von sich. In bestimmten Grenzen dürfen sie leichtsinnig handeln, gesellschaftlich ungelenk sein und gegen die Erwachsenenwelt aufbegehren.

Aber die Autorinnen dieser Bücher hatten natürlich auch einen erzieherischen Aspekt zu berücksichtigen. Die junge Romanheldin hat das Herz am rechten Fleck, daher kann die gleichaltrige Leserin ihr Verhalten durchaus richtig einordnen. Und so enden diese Geschichten häufig damit, dass die Hauptfigur nach einigen Irrungen und Wirrungen in die gesellschaftliche Frauenrolle hineinwächst. Sie heiratet und wird Mutter; schließlich ist die Liebe ein wichtiges, wenn auch nicht immer zentrales Thema der Backfischliteratur.

Käthe van Beeker war in einer frühfeministischen Phase schriftstellerisch tätig, als sich die gesellschaftliche Stellung der bürgerlichen Frauen zunehmend veränderte. Unverheirateten Frauen bot sich die Möglichkeit, einen Beruf zu ergreifen und somit finanziell unabhängig zu werden. Diese Neuerungen fanden auch in der Backfischliteratur ihren Niederschlag. Reise- und Abenteuergeschichten sowie Mädchenkolonialromane waren um 1900 noch ein Novum, doch die häufigen Neuauflagen solcher Bücher lassen erkennen, dass sie bei den jugendlichen Leserinnen glühende Begeisterung weckten.

Einen weiteren bedeutenden Erfolg erzielte Käthe van Beeker mit ihrem Roman „Heddas Lehrzeit in Südwest“. Hedda ist ein munteres, etwas großspuriges Mädchen, das nach dem Tod seines Vaters von der verarmten Mutter zu ihrem Bruder nach Deutsch-Südwestafrika geschickt wird. Im Rahmen des Geschehens werden Frauen in erweiterten Handlungsspielräumen gezeigt: als Farmerin, Lehrerin, Erzieherin, Kranken- und Kindergartenschwester, als Hausdame, Sekretärin und sogar als Spekulantin im Diamantenhandel. Letztendlich förderte das Buch die politische Zielsetzung, bei den jungen Mädchen Interesse für ein Leben in den deutschen Kolonien zu wecken, wo deutsche Frauen für diese Berufe dringend gebraucht wurden. Auch als Heiratskandidatinnen waren sie natürlich willkommen.

Fazit: Die Jugendliteratur wandelte sich mit der Zeit – etwas, woran sich bis heute nicht geändert hat. Dagmar Jestrzemski


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