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06.04.13 / Von wegen rückständig! / »Museum der Modernität« wider die Kommunisten-Mär vom unterentwickelten südlichen Ostpreußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-13 vom 06. April 2013

Von wegen rückständig!
»Museum der Modernität« wider die Kommunisten-Mär vom unterentwickelten südlichen Ostpreußen

Allenstein soll kommendes Jahr ein „Technik- und Entwicklungszentrum der Region ,Museum der Modernität‘“ (Centrum Techniki i Rozwoju Regionu „Muzeum Nowoczesnosci“) erhalten. Es soll die zivilisatorische Entwicklung des südlichen Ostpreußen im 19. und 20. Jahrhundert zum Thema haben. Als Standort wurde Raphaelsohns Sägewerk in Allenstein ausgewählt, das zu dem ehemaligen Industriegebiet an der Gartenstraße [ul. Knosały] gehört, in dem auch Allensteins Gaswerk stand.

Im Gegensatz zum Freilichtmuseum in Hohenstein wird in dem Allensteiner Museum die städtische Kultur gezeigt werden. Fünf Dauerausstellungen sind bislang geplant: „Stadtentwicklung“, „Bauwesen“, „Stadtbauwesen“, „Produktion“, „Maschinen“.

In der Volksrepublik Polen wurde die Meinung verbreitet, dass das südliche Ostpreußen nur agrarisch geprägt und industriell wie technisch unterentwickelt gewesen sei. Ihre große Chance habe die Region erst unter der kommunistischen Regierung bekommen. Dies war natürlich eine Lüge und das „Museum der Modernität“ will das beweisen, indem es die Geschichte der Region von der industriellen Revolution bis heute zeigt.

Ein Beispiel der industriellen Entwicklung im südlichen Ostpreußen war das zu seiner Zeit moderne Gaswerk Allensteins. Dessen Geschichte hat Rafał Betkowski in einem Referat im Städtischen Kulturzentrum seinen Zuhörern vor Augen geführt. Der Allensteiner Lokalhistoriker und Buchautor, der beim Städtischen Kulturzentrum für das „Museum der Modernität“ zuständig ist, hat die Entstehung und anschließende Entwicklung der Gasanstalt bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges geschildert und seine Zuhörer auf eine Zeitreise durch die Epoche der Industrialisierung mitgenommen, in der die Nutzung von Gas zum Zwecke der Beleuchtung den Forschergeist in diversen Ländern Europas beschäftigte.

Die Errichtung des Allensteiner Gaswerks vor fast eineinviertel Jahrhunderten gehörte zu den vielen Verdiensten des damaligen Bürgermeisters Oskar Belian und ist beispielhaft für den Wirtschaftsaufschwung im wilhelminischen Deutschland. Die offizielle Inbetriebnahme erfolgte am 15. Ok-

tober 1889. Das Betriebswerk wurde an der Gartenstraße in der Nähe der Postbrücke [Most Sw. Jakuba] errichtet. Das Grundstück hat die Stadt von der Familie Flakowski gekauft, die beiden Schwestern Natalia und Anna hatten dort eine Badeanstalt betrieben. Ab 1885 gab es in der Nachbarschaft schon zwei Sägewerke von Josef Orlowski und Louis Raphaelsohn. Das Darlehen für den Gaswerkbau wurde von der Preußischen Central-Boden-Kredit-Aktiengesellschaft in Berlin gewährt. Zu den Firmen, die beim Bau der Anstalt beteiligt waren, gehörten: A. Bischoff aus Gutstadt, M. Toffel und Lorkowski aus Allenstein sowie Schulz & Sackur aus Berlin. Für die Projektrealisierung war der Direktor des Königsberger Gaswerkes Foerster verantwortlich. Der erste Leiter der Allensteiner Gasanstalt war Stadtbaurat Friedrich Luckhardt.

1889 war das Gasnetz fast zwölf Kilometer lang und versorgte Marienbrücke, das Garnisonslazarett, den späteren Bahnhof Vorstadt (Westbahnhof), Funk’s Etablissement, das Civil-Kasino sowie die Ecke Wartenburger- und Bahnhofstraße. Das Gaswerk produzierte 650 Kubikmeter Gas pro Tag. Zur Ausstattung gehörten vier Retor­ten­öfen. Das Gas wurde anfangs vor allem von Privatverbrauchern für die Wohnungsbeleuchtung benutzt und nur ein Drittel für die Straßenbeleuchtung. Die Petroleumleuchten wurden durch die Gaslaternen ersetzt. 1889 hatte Allenstein schon 194 Gasleuchten. 1891 wurde die Gasbeleuchtung auch am Hauptbahnhof eingeführt.

Nach der Erfindung des sogenannten Auerstrumpfes im Jahre 1885 wurde diese Innovation auch in Allenstein eingeführt. 1897 gab es 138 Gasglühlichtlampen in der Stadt und zwei Jahre später leuchteten alle 247 städtischen Gaslaternen mit Auerlicht. Die Erfindung fand auch in die Privatwohnungen Einzug.

Allenstein entwickelte sich in einem rasanten Tempo. Die Stadtfläche erweiterte sich, die Einwohnerzahl wuchs und somit auch die Zahl der Gasverbraucher. Deswegen wurde das Gaswerk 1899 umgebaut und vergrößert. 1900/1901 wurde das Gas zu 273 Laternen und 4549 Privatwohnungen geleitet. In den kommenden Jahren erlebte die Anlage viele Modernisierungen und Investitionen.

1907 entstand in Allenstein das Wasserkraftwerk. Von der Konkurrenz durch die Elektrizität war die Gasbeleuchtung anfänglich noch nicht bedroht. Vielmehr entwickelte sich das Gaswerk weiter, weil die elektrische Straßenbeleuchtung in Allenstein anfänglich noch in der Experimentphase war.

1908 gab es schon 430 Gasglühlichtlampen und 10754 Privatverbraucher. Das Gaswerk vermietete 317 Gasherde und Kocher. Gemäß einer Preisliste aus dem Jahre 1913 kostete das Gas damals 14 Pfennige pro Kubikmeter für Beleuchtung und Kochen, für die Industrie und Heizung hingegen nur zehn Pfennige pro Kubikmeter, für die Straßenbeleuchtung elf Pfennige pro Kubikmeter.

1916 bekam das Allensteiner Gaswerk zwei Vertikalkammer-öfen und eine Kohlenlagerhalle im Industriegebiet an der Karl-Roensch-Straße hinter dem Güterbahnhof. Vertikalkammeröfen waren damals erst kurze Zeit bekannt und das Allensteiner Gaswerk erst das dritte Werk in ganz Deutschland, das diese Öfen in Betrieb setzte. Während des Ersten Weltkrieges hat das Betriebswerk normal funktioniert und im letzten Kriegsjahr 1918 produzierte es sogar 3402740 Kubikmeter Gas. 1924 erfolgte der Einbau von drei weiteren Vertikalkammeröfen anstelle der restlichen Generator­öfen. 1930 gab es in Allenstein 560 Gaslaternen und 175 elektrische, die bei Einbruch der Dämmerung eingeschaltet wurden. Die Gasproduktion betrug 3411830 Kubikmeter. Die Leistungsfähigkeit hatte sich deutlich verbessert. Aus 100 Kilogramm Kohle produzierte man mittlerweile etwa 50 Kubikmeter Gas, 1890 waren es noch nur 28 Kubikmeter gewesen. Während des Zweiten Weltkrieges lief die Gasversorgung weiter und das Gaswerk produzierte rund 4,5 Millionen Kubikmeter Gas. In den 70er Jahren wurde das Gaswerk in der Gartenstraße abgerissen.

Betkowski sucht immer noch weitere Informationen über das Allensteiner Gaswerk und Raphaelsohns Sägewerk, sowie Exponate für das geplante „Technik- und Entwicklungszentrum der Region ,Museum der Modernität‘“. Vielleicht können hier auch PAZ-Leser helfen. Interessant wären technische Dokumentationen, Fotos, Baupläne sowie Erinnerungen (auch Aufnahmen). Ansprechpartner hierfür ist die Landsmannschaft Ostpreußen, Verbindungsbüro Allenstein/Biuro w Olsztynie, ul. Okopowa 25, 10-075 Olsztyn, Telefon 0048/89/5340780. E-Mail: gladkowska@ostpreussen.de Edyta Gładkowska


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