29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.04.13 / Weil die Mittelschicht fehlt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Weil die Mittelschicht fehlt
von Manuela Rosenthal-Kappi

Russlands Staatsfeind Nummer 1, Boris Beresowskij, ist von der Bildfläche verschwunden. Es wird gemunkelt, dass Beresowskij seit Jahren an seiner Biografie schreiben ließ, in der kompromittierendes Material veröffentlicht werden könnte. Die meisten Politiker und Journalisten glauben aber nicht, dass Beresowskij den Mächtigen in Russland noch gefährlich werden könnte.

Mit Beresowskijs Tod haben Russlands Mächtige ihr wichtigstes Feindsymbol verloren, auf das sie alle Schuld für Missstände abwälzen konnten. Ein neuer Sündenbock muss her und der scheint bereits in Alexej Nawalnyj, einem Vertreter der neuen Generation von Putin-Gegnern, gefunden zu sein. Der kokettiert offenbar sogar mit seiner Rolle, indem er selbst Vergleiche zwischen sich und dem inhaftierten Ex-Oligarchen Michail Chodorkowskij anstellt. In Interviews mit ausländischen Zeitungen spricht Nawalnyj offen aus, dass er sich auf eine Haftstrafe einrichtet und scherzt darüber, was er in seine Tasche einpacken wird, wenn es soweit ist.

Sollte Nawalnyj mit einer großen Protestwelle nach seiner Verhaftung rechnen, könnte er sich verkalkuliert haben, denn seit das Demonstrationsgesetz in Russland verschärft wurde, gehen in Mos-kau nur noch wenige Menschen auf die Straße. Auf Hilfe von außen hatte einst auch Chodorkow-skij gehofft. Der Ausgang ist bekannt.

Dass Demokratie in Russland anders verstanden wird als bei uns, machte Präsident Putin kürzlich in einem Interview deutlich, das er WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn vor seiner Reise zur Hannover-Messe gab.

Auf die Kritik am Umgang mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Russland reagierte Putin gelassen, indem er auf entsprechende Gesetze in den USA hinwies. Auf die ewig wiederkehrenden Fragen nach Demokratie und Menschenrechten in Russland antwortete Putin rhetorisch überlegen. Er ließ keinen Zweifel daran, dass Russland vom Weg der Demokratie nicht mehr abweichen werde. Allerdings machte er auch deutlich, dass Russland selbst bestimmt, was als Recht und Ordnung gilt. Eine starke Opposition müsse sich nicht vom Ausland finanzieren lassen, sagte Putin. An dieser Politik wird sich so schnell nichts ändern, auch wenn Idealisten wie Nawalnyj ein Land mit gleichberechtigten Menschen anstreben. Für Russen ist Demokratie relativ. Sie sind zufrieden mit den Freiheiten, die sie im Vergleich zu früher erreicht haben.

Ein Internet-Blogger brachte es auf den Punkt: „So lange es keine sich selbst achtende Mittelschicht gibt, wird sich nichts ändern. Die Menschen interessiert weder Pussy Riot noch sonst irgend etwas. Sie interessiert das Stück Brot, das sie abends ihren Kindern geben können. Deshalb unterstützen sie Putin.“


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren