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13.04.13 / Zu allem fähig, aber zu nichts (mehr) zu gebrauchen?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Zu allem fähig, aber zu nichts (mehr) zu gebrauchen?
von Jan Heitmann

Kommiß kommt von komisch, heißt es. Doch wenn man verfolgt, was die Politik mit und aus der Bundeswehr macht, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Beim Militär ist bekanntlich nichts so beständig wie der Wandel. Seit Bestehen der Bundeswehr hat es viele Reformen und Strukturänderungen gegeben. Truppenteile wurden aufgestellt, nach kurzer Zeit aufgelöst, wieder aufgestellt und erneut aufgelöst, Dienststellen geschaffen und wieder geschlossen, Unterstellungsverhältnisse immer wieder geändert. Getreu dem Motto: „Nicht unbedingt besser, Hauptsache anders“. Und jedes Mal wurde das als der Weisheit letzter Schluss ausgegeben.

Keine Frage, Streitkräfte müssen veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen angepasst werden, auch wenn das für die Soldaten und Zivilbediensteten schmerzhafte Einschnitte mit sich bringt. Allerdings haben sich diese Rahmenbedingungen in den vergangenen 20 Jahren nicht so gravierend geändert, als dass man die Bundeswehr wiederholt hätte „transformieren“ müssen. Die als „Neuausrichtung“ umschriebene Umkrempelung, die sie derzeit durchleiden muss, gleicht daher eher einer finanzpolitisch motivierten Demontage. Sicherheitspolitisch lässt sie sich schon deshalb nicht begründen, weil die Politik seit Ende des Kalten Krieges nicht willens oder in der Lage ist, die sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands eindeutig zu definieren. Stattdessen gibt es wohlklingende, aber inhaltsleere Phrasen wie die vom „gestaltenden Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft, das sich für eine bessere und sichere Welt einsetzt“. Ein Glanzstück blödsinniger Rhetorik ist das Wort von der „Verteidigung unserer Demokratie am Hindukusch“. Dahinter steht kein roten Faden, sondern das ist Sicherheitspolitik, die je nach Lage aus der Hosentasche gefahren wird. So müssen sich unsere Soldaten mal hierhin, mal dorthin schicken lassen, ohne dass ihnen Bundesregierung oder Parlament schlüssig erklären, wofür sie in deren Auftrag fern der Heimat ihr Leben riskieren.

Trotzdem ist die „Neuausrichtung“ ganz wichtig und richtig. So steht es jedenfalls auf der Internetseite des Verteidigungsministeriums. Denn: „Die deutsche Politik nutzt die Bundeswehr seit geraumer Zeit aktiv und gezielt als eines ihrer unverzichtbaren sicherheitspolitischen Instrumente.“ Ach ja? Also wohl erst, seit unser Land „als verlässlicher Partner in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dient“? Als was hat die Politik die Bundeswehr denn bisher gesehen, wenn nicht als friedenserhaltendes außenpolitisches Instrument? Als Trachtengruppe auf dem Kriegspfad? Der verbale Verdummungsversuch geht aber noch weiter: „Die Streitkräfte … führen weitestgehend ihre spezifischen Fähigkeiten in fähigkeitsbezogenen Strukturen … in Fähigkeitskommandos und -zentren zusammen.“ Das wurde aber auch Zeit, denn früher war demnach bei der Bundeswehr Unfähigkeit Trumpf. Wie gut, dass es keinem bösen Nachbarn in den Sinn gekommen ist, unser Land anzugreifen. Der hätte doch nur seinen Landsturm zwölften Aufgebots schicken müssen, um der Bundeswehr mit den Klappspaten die Huke vollzuhauen. Doch damit ist jetzt Schluss. Für das Heer bedeutet das: „Beim Ausplanungsrational des Heeres ist der Ansatz zur Bildung von Fähigkeitskommandos zu erkennen, wenn man die Division als ‚Fähigkeitskommando Kampf‘ betrachtet.“ Alles klar? Am Himmel wird es in Zukunft nicht nur fähiger, sondern auch friedlicher zugehen, denn die Luftwaffe verlagert ihren Schwerpunkt „im Fähigkeitsprofil vom Kampf gegen das gegnerische Luftkriegspotenzial“ weg und soll nur noch „zur Not gegnerische Flugzeuge bekämpfen“. Sie folgt dabei dem Leitgedanken „Einsatzorientierung, Effizienz, Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit“. Nachhaltigkeit? Na klar, die Luftwaffe fliegt mit Rapsöl und wirft nur noch nachwachsende Bomben. Auch die Marine wird auf „innovative Wege“ geschickt: Sie gestaltet ihr „Fähigkeitsprofil zu Wasser, zu Land und in der Luft“ zukunftsfähig und konzentriert sich noch stärker auf Einsätze. Na endlich, wo doch die Schiffe und Boote sonst nie bewegt wurden und in den Stützpunkten vergammelten. Und: „Die neue Struktur der Marine konzentriert maritime Expertise.“ Donnerwetter! Wo hat die bloß bisher gelegen, wenn nicht bei der Marine?

So kann nur einer formulieren, der entweder zumindest grenzdebil, wenn nicht gar total enthirnt ist, der nichts zu sagen hat und versucht, diese Tatsache durch sprachlichen Bombast zu bemänteln, oder der ein intelligenter Blödmannsgehilfe ist, der Schwachsinn zu rechtfertigen hat, der bei Verwendung einfacher Worte sofort als solcher entlarvt würde. An dieser Stelle soll wohlwollend von der letzten Möglichkeit ausgegangen werden.

Bizarr ist auch das Bestreben der „Neuausrichter“, durch Umbenennungen alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Es ist ja auch ganz einfach: Fritz heißt ab sofort Uschi, und weil Uschi weiblich ist, hat Fritz jetzt gefälligst Milch zu geben. Beispielsweise kümmern sich um die Nachwuchsgewinnung jetzt Karrierecenter. Was für ein schönes Wort, wo man doch schon lange den Eindruck gewinnen muss, dass in der Karriereplanung der Grundsatz „heute versprochen, morgen gebrochen“ zu herrschen scheint. Eine böswillige Übertreibung? Bestimmt nicht in den Augen derjenigen, die im Beförderungsstau stecken, deren berufliche Perspektiven durch einen Federstrich Makulatur geworden sind oder die kurz vor einer Versetzung noch immer nicht wissen, wohin es sie verschlägt.

Die schönsten Phrasen und Wortschöpfungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir ein entmanntes Militär bekommen werden, dessen Marine vermutlich weniger schwimmende Einheiten als die New Yorker Wasserschutzpolizei hat, dessen Luftwaffe von der Anzahl des fliegenden Geräts her von jedem besseren Aeroclub in den Schatten gestellt wird und von dessen Heer jedes nationale Militärmuseum behaupten kann, mehr Kettenfahrzeuge auf die Straße bringen zu können. Damit wird die Landesverteidigung, die ureigenste Aufgabe von Militär, endgültig zum Auslaufmodell.

Kein Wunder, dass bei all dem selbst bundeswehrinterne Studien nicht verschleiern können, dass mehr als die Hälfte der Soldaten ihre Berufswahl bereut. Aber als Angehörige einer Parlamentsarmee, die strikt dem Primat der Politik unterliegt, haben sie das zu tun, was diese ihnen aufträgt. Und dann sind da noch die als „Mittler zwischen Streitkräften und Gesellschaft“ geschätzten Reservisten. Auch bei denen ist die Stimmung überwiegend mies, denn sie werden nicht weniger an der Nase herumgeführt als ihre aktiven Kameraden. Sie wenden peinlich berührt das Haupt, wenn es heißt: „Was läuft da eigentlich bei der Bundeswehr? Sag mal was dazu, du bist doch bei dem Verein.“ Aber was soll man dazu sagen? Die Sprachregelung aus dem Ministerium nachplappern? Wenn man Uniform trägt, muss man das. Der Reservist hat aber die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob er das tut. Wenn er zu dem Schluss kommt, dass er zwar nach wie vor zur Institution Bundeswehr steht, aber das, was man aus ihr und mit ihr macht, nicht mehr vertreten kann, sollte er sich dagegen entscheiden. Das offizielle Motto der Bundeswehr lautet: „Wir.Dienen.Deutschland“. Bei vielen Aktiven, Reservisten und dem potenziellen Nachwuchs heißt es mittlerweile dagegen „ohne mich!“ Das hatten wir doch schon mal.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Die Bundeswehr ist eine in Frieden und Einsatz hochbewährte Truppe, in der tolle Männer und Frauen dienen. Sie hat Besseres verdient.


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