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13.04.13 / Volkserhebung oder konventioneller Staatenkonflikt? / Ausstellung im Haus Schlesien zu den Befreiungskriegen und deren Rolle in der deutschen Geschichtsschreibung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Volkserhebung oder konventioneller Staatenkonflikt?
Ausstellung im Haus Schlesien zu den Befreiungskriegen und deren Rolle in der deutschen Geschichtsschreibung

Das Haus Schlesien von Königswinter-Heisterbacherrott hatte sich dazu entschieden, das ernste und kontroverse Thema der Befreiungskriege durch ein interessantes Vernissage-Programm etwas auf­zu­lo­ckern. So wurde zur Eröffnungsveranstaltung der neuen Sonderausstellung „Revolution, Reform oder Restauration. Die Befreiungskriege und ihre Rolle in der deutschen Geschichtsschreibung“ das Tambourcorps Thomasberg eingeladen. Als musikalische Begleitung gab es thematisch passende Stücke, darunter der „Yorck­sche Marsch“ von Ludwig van Beethoven, der „Zapfenstreichmarsch“ und der Marsch „Gruß an Kiel“ von Friedrich Spohr. Die Musiker trugen übrigens ihre Gardeuniform, die der Uniform des preußischen Regiments von Vittringhoff Frankenstein nachempfunden ist.

In historischen Kostümen traten auch Klaus D. Hinner – als ein schlesischer Landwehrmann – und Ingrid Leonhard – als ein schlesischer freiwilliger Jäger – auf. Die beiden Vertreter der „lebendigen Geschichtsdarstellung“ zeigten anhand einer Auswahl von Gegenständen und Waffen, wie die Soldaten in der Zeit der Befreiungskriege lebten. Die Ausstellungskuratorin Silke Findeisen führte das Publikum mit einem ausführlichen Bild-Vortrag in die Thematik der Sonderschau ein und hob dabei Höhepunkte der politischen und militärischen Auseinandersetzungen hervor. Bei einem Rundgang durch den Ausstellungssaal können sich die Besucher von der Vielfalt der Exponate überzeugen. Teils handelt es sich um Leihgaben, teils sind es Objekte aus dem breiten Sammlungsbestand des Hauses.

In den vergangenen 200 Jahren ist die Deutung der deutschen Erhebung durch die Geschichtsschreibung mehrfachem Wandel unterlegen. Je nach politischweltanschaulicher Position wurden unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund gerückt, sei es der konventionelle Krieg und der Sieg der Koalitionsmächte, sei es die Rolle des Volkes oder das Engagement der bürgerlichen Bildungsschicht. Die Ausstellung erläutert zum einen die Zusammenhänge, die von 1813 bis 1815 zu den Befreiungskriegen führten, zum anderen das Geschehen selbst. Im Fokus steht jedoch auch die Auseinandersetzung mit der Rezeption des historischen Ereignisses. Dabei wird unter anderem auf verschiedene Jubiläumsfeierlichkeiten eingegangen und anhand von Beispielen die Behandlung des Themas in der Kunst und Literatur beleuchtet.

Nach der Konvention von Tauroggen und dem Bündnisschluss mit dem russischen Zaren markieren die Kriegserklärung Preußens an Frankreich und der Aufruf des Königs „An mein Volk“ im März 1813 in Breslau den Anfang der deutschen Erhebung gegen die Fremdherrschaft Napoleons. Die anfängliche Begeisterung für den Kaiser der Franzosen schlug bei der Bevölkerung bald in Unmut und Hass gegen die französische Hegemonialmacht um. Erst der verlustreiche Rückzug Napoleons aus Moskau führte zur Kriegserklärung Preußens an Frankreich. In der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 besiegten die Truppen der Koalition das französische Heer. Mit der Niederlage Napoleons 1815 in der Schlacht bei Belle-Alliance (Waterloo) war Europa endgültig von der französischen Besatzung befreit.

Durch Dokumente, Malereien, Bücher und Münzen wird belegt, dass Schlesien und die schlesische Armee unter der Führung des Generalfeldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher in der Geschichte der Befreiungskriege eine bedeutende Position einnahmen.

Über die Rolle des Volkes zu Beginn der Bewegung streiten sich Geschichtswissenschaftler auch heute, ob, wie Heinrich Clauren (1771–1854) schrieb, „der König rief und alle, alle kamen“, oder der König erst kam, als alle riefen. Fest steht, dass gerade zu Beginn der Befreiungskriege das Volk eine wichtige Rolle spielte. Viele folgten dem Appell zur Bildung freiwilliger Jägercorps, zur Einführung der Wehrpflicht und zur Aufstellung der Landwehr.

Ein breiter Bereich der Ausstellung ist der Deutung und Rezeption der Befreiungskriege sowie deren europäischer Dimension gewidmet. Für die Deutschen, insbesondere die Preußen, hatte der Krieg über die Beendigung der französischen Vorherrschaft hinaus große innenpolitische Bedeutung. Man verband damit die Hoffnung auf eine größere Freiheit der Bürger sowie die Bildung eines deutschen Nationalstaates.

Während der Zeit der Befreiungskriege standen die Schlachten, die Siege und Niederlagen, die Unterdrückung durch Napoleon und das aufkeimende Nationalbewusstsein der Deutschen im Mittelpunkt vieler Gedichte und Schriften. In der Ausstellung finden Dichter wie Ernst Moritz Arndt, Theodor Körner oder Max von Schenkendorf Erwähnung. Ausreichend Stoff für zahlreiche Mythen und Legenden boten nicht zuletzt die Freiwilligenkorps, insbesondere die Lützower Jäger. Dieter Göllner (KK)

Die Sonderausstellung zu den Befreiungskriegen ist im Haus Schlesien, Dollendorfer Straße 412, 53639 Königswinter-Heisterbacherrott, Telefon (02244) 886-0, E-Mail: info@hausschlesien.de bis zum 30. Juni dienstags bis freitags von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr sowie am Wochenende und feiertags von 11 bis 18 Uhr zu besichtigen. Begleitet wird die Präsentation unter anderem von der Exkursion „Auf den Spuren des legendären Rheinübergangs Blüchers bei Kaub“ am 20. April, dem Bild-Vortrag „Kampf um den Rhein“ am 28. April sowie einer Bildungsreise auf den Spuren der Ereignisse des Jahres 1813 durch Niederschlesien vom 8. bis zum 14. Mai.


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