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13.04.13 / Einfach klingeln lassen / Fleißige Hausfrauen kochen und telefonieren nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Einfach klingeln lassen
Fleißige Hausfrauen kochen und telefonieren nicht

Leider gehörte ich bisher nicht zu den Frauen, die das Telefon einfach klingeln lassen und bei sich denken: „Wer was Wichtiges von mir will, wird schon noch mal anrufen!“ Aber jetzt habe ich mir doch vorgenommen, nicht immer gleich zu dem vertrackten Apparat zu sprinten, wenn er losrattert. Immer mit der Ruhe! Schließlich will ich keinen Herzinfarkt riskieren!

Heute Morgen nun: „Rrrrrrrrr – schnarrrr!“ Im ersten Impuls springe ich auf, aber dann … Ich geh nicht ran! Ich geh nicht ran! Bin ja auch gerade beim Kartoffelschälen. Tapfer befreie ich die Knollen weiterhin von ihrer mit Augen bedeckten Haut. Schreck-lich, dieses Schnarren! Aber eigentlich – als Hausfrau ist man ja ziemlich einsam. Wer spricht schon mit einem? Höchstens der Wellensittich. Und dem hat man vorher mühsam ein paar nette Worte beigebracht, damit er keinen Unsinn verzapft. Wenn aber das Telefon klingelt, hat man plötzlich Verbindung mit der interessanten Welt.

Nein, ich lasse es klingeln! Habe ja auch gar keine Zeit zum Quatschen. Muss noch so viel tun. Das Essen will gekocht werden, denn mein Mann rollt pünktlich um 12 Uhr an, um genau nach einer halben Stunde satt und zufrieden wieder zu verschwinden. Danach trudeln schon die Kinder ein mit ihrem Riesenhunger und gespickt mit Neuigkeiten aus der Schule. Nein, ich muss voran machen!

Irgendwann hört das nerventötende Geschnarre auf. Heilige Stille! Aber die Stille ist plötzlich so laut, irgendwie unangenehm. Ach was, ich habe Zeit gespart, und das allein zählt! Die letzte Kartoffel plumpst ins Wasser. Ich schabe die Möhren und wende den Braten. Doch dann halte ich es nicht mehr aus, renne an den verhassten Apparat und rufe meine Eltern an. Mutters Stimme: „Hallo, Kind! Ist was?“ − „Hast du eben nicht angerufen?“ − „Ich? Nö! Was ist denn los?“ − „Ach nichts. Ich dachte nur!“

Oh je, vielleicht hat mir mein Mann etwas Wichtiges mitteilen wollen, zum Beispiel, dass er heute Abend später kommt oder so. Ich zapple allmählich vor Nervosität und melde mich bei ihm im Büro: „Hans, ich konnte eben nicht ans Telefon gehen, weil ich gerade die Kartoffeln abschütten musste. Du warst so schnell wieder weg! – Wie, du hast gar nicht angerufen?“ Der Lehrer meines Sohnes war es auch nicht. „Nein, mein Handy hat eben gestreikt, ich konnte Sie gar nicht anrufen, Frau Piependonk! Jetzt geht’s allerdings wieder, gottlob!“

Seltsam, wer war es – verflixt nochmal –, der da vorhin etwas von mir wollte? Wenn es nun wichtig war? Wenn nun ein von mir geliebter Mensch in einen Unfall verwickelt war, und es war eine Ärztin aus dem Krankenhaus? Meine Freundin aus den USA verneint: „Schön, dass du mal wieder an mich gedacht hast, aber ich habe nicht …“ Mein kranker Bruder freut sich, dass ich mich an ihn und sein Leiden erinnere. „Ich habe bis jetzt geschlafen, nein …“

Besorgt wähle ich unsere Kleine an. Susi ist gerade auf dem Schulhof. Gut, dass ich ihr zum Geburtstag ein Handy geschenkt habe. „Nein, Mama, es ist alles in Ordnung. Du, ich muss aufhören, hier ist es so laut!“

Am Nachmittag, mein Liebster will gerade den Fernsehknopf drücken, blättere ich hektisch im Telefonbuch. „Wen willst du denn jetzt anrufen, Amalie?“ Ich erzähle ihm von meinem Problem. „Wie – was – wen willst du anrufen, die Queen von England? Und du glaubst wirklich, die hat heute Morgen was von dir gewollt? Weißt du was, lass mich mal ran, Amalie! Ich rufe mal eben den Nervenarzt an.“

Nie, nie wieder lasse ich das Telefon einfach klingeln! G. Lins


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