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13.04.13 / Ungewöhnliche Reise in die Heimat / Autoren reisten mit ihren Lesern nach Ostpreußen − Lesungen an unterschiedlichen Orten des Gebiets

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Ungewöhnliche Reise in die Heimat
Autoren reisten mit ihren Lesern nach Ostpreußen − Lesungen an unterschiedlichen Orten des Gebiets

Wäre das nicht etwas für Sie? Diese Frage von Stephanie Kuhlmann, einer ehemaligen Korrespondentin für eine deutsch-russische Nachrichtenagentur in Moskau, die seit 2003 regelmäßig nach Russland fährt, ließ mich nicht mehr los, und so bat ich sie um Informationsmaterial zu der Reise, einer Lesereise nach Königsberg. Allein schon die Tatsache, dass mit ihr auch Arno Surminski und Hans Graf zu Dohna, 1923 als jüngster Spross der adligen Familie im Schloss Waldburg-Capustigall bei Königsberg geboren, an dieser Lesereise teilnahmen, bestärkte meinen Entschluss, mich anzuschließen. Und es bedurfte auch nicht vieler Überredung, dass auch meine Freundin, Helga Albrecht, sich dieser Reise anschloss.

Die Autorenlesungen fanden an verschiedenen Orten statt. Zuerst im Deutsch-Russischen Haus, wo Stephanie Kuhlmann aus ihrem Erstlingswerk „Hoffnung heißt Nadjeschda“ las und Arno Surminski eine Einführung in sein Buch „Winter fünfundvierzig oder die Frauen von Palmnicken“ gab. Graf zu Dohna las im ehemaligen Dohna-Turm (jetzt Bernsteinmuseum) aus seiner Familiengeschichte. Dann folgte in den nächsten Tagen eine Lesung von Arno Surminski in Palmnicken, und zwar eine Fortsetzung von „Winter fünfundvierzig oder die Frauen von Palmnicken“, die Geschichte vom letzten Verbrechen des Holocaust, dem über 3000 jüdische KZ-Häftlinge zum Opfer fielen. Am letzten Tag kamen alle drei noch einmal vor Germanistikstudenten und Dozenten in der Kant-Universität zu Wort. Interessante Diskussionen mit den Besuchern und Teilnehmern begleiteten jede dieser Lesungen.

Natalja Romanowa und Agata Kern vom Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg haben mit dieser Reise bewiesen, dass exakte vorbildliche Planung in Verbindung mit hervorragender Vorbereitung und freundschaftlichem Kontakt mit allen Teilnehmern einen bleibenden Eindruck hinterlässt, für den alle Teilnehmer sehr dankbar sind.

Königsberg-Kaliningrad, das ist meine Geburtsstadt, in der ich ein Jahr zuvor auch endlich einmal meinen Geburtstag feiern konnte. Mit jedem Besuch empfinde ich immer mehr, dass es eine lebendige Stadt geworden ist, eine Stadt mit Atmosphäre, die einen gefangen nehmen kann. Und wenn ich jünger wäre, würde ich sehr gern dort leben. Die großen Geschäfte sind bis in den späten Abend geöffnet, in den Restaurants und Cafés ist immer Betrieb, Theater und Kinos werben mit bunten Plakaten um Besucher. Das viele Grün, der ehemalige Schlossteich und der Oberteich mit seinen Anlagen, die vielen Parks laden zu Spaziergängen und Picknicks ein. Und nicht zuletzt die Kaliningrader, unter denen wir bereits Freunde gefunden haben.

In den 30er Jahren lebten in Königsberg zirka 370000 Einwohner, heute über 430000, und es ist zu erwarten, dass sich diese Zahl noch weiter erhöhen wird – allein schon durch die Tatsache, dass die Kant-Universität immer mehr Zulauf hat und dass viele hier auch Arbeit suchen, die auf dem Land nicht mehr zu finden ist.

Die 750-Jahr-Feier von 2005 hat vieles verändert. Die Stadt hat Farbe bekommen, die Universität heißt jetzt Kant-Universität und jedes Jahr feiert man – so auch in diesem Jahr das 757. Jahr mit vielen bunten Veranstaltungen. Den Schriftzug Königsberg findet man an vielen Orten – vor allem aber auch auf immer mehr Nummernschildern der Königsberger Autos.

„Hast Du eigentlich Plattenbauten gesehen?“ So beginnt ein Buch von Harald Breede, der 20 Jahre mit seiner Frau regelmäßig Königsberg besuchte. Dieses Buch begleitete mich in meiner Stadt, und ich kann auf diese Frage auch nur wie im Buch antworten: „Du hast völlig recht, wir sind auch an diesen sogenannten Chruschtschow-Bauten vorbei gekommen, aber gesehen haben wir sie eigentlich nicht.“

Dieses Buch mit dem Titel „Eine etwas andere Stadtführung in Königsberg−Kaliningrad“ bringt einen viel näher an und in diese Stadt, als man sich vorstellen kann. Natürlich habe auch ich bereits vor Jahren das Haus in der Tiergartenstraße besucht, wo meine Eltern mit mir wohnten. Ich erinnere mich auch noch sehr genau an den Tiergarten. Aber alle Städte haben etwas Gemeinsames. Sie verändern sich im Laufe der Jahrzehnte – vor allem, wenn Krieg und Zerstörung das meiste dem Erdboden gleichgemacht haben. Und eine unwirtliche Sky-Line haben sie alle, seien es Plattenbauten oder unansehnliche Hochhäuser, die der damaligen Wohnungsnot entgegenwirken sollten.

Auch Insterburg [Tschernjachowsk], wo wir später wohnten, hat sich verändert. Aber eine Häuserzeile des berühmten Architekten Hans Scharoun ist noch sehr gut erhalten und soll bald restauriert werden. In den Ruinen des Insterburger Schlosses ist bereits Leben eingekehrt. Unter der Regie von Wlada Smirnowa, Tanzpädagogin, und Alexej Oglesnjow, Historiker, finden hier von Mai bis Mitte Oktober Kunstfestivals, Sommerschulen zur ostpreußischen Kulturgeschichte, Ritterspiele und Ballettvorführungen statt. Sozialpädagogen vom Internationalen Bund, einem der großen Vereine für Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in Deutschland, tauschen sich mit den Insterburger Jugendgruppen aus. Und so könnte man vielleicht noch vieles finden, über dem das Wort „Nadjeschda“ (Hoffnung) steht.

Ein Orgelkonzert im wieder aufgebauten Königsberger Dom ist für jeden Besucher ein Muss. Dieses einmalige Erlebnis sollte man sich nicht entgehen lassen. Als Artjom Chatschaturow aus Moskau nach Königsberg umzog, war sein künftiger Arbeitsplatz noch eine große Baustelle. Doch der junge Organist, Absolvent des berühmten Tschaikowkij-Konservatoriums und Preisträger mehrerer internationaler Wettbewerbe, wusste, worauf er sich einließ – auf die größte Orgel im Ostseeraum, die die Krönung des Wiederaufbaus des Königsberger Doms ist.

Regina Gronau


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