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20.04.13 / Dauerthema von Wahl zu Wahl / Gesundheitsreform: Außer den Patienten haben sich alle in dem System gut eingerichtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-13 vom 20. April 2013

Dauerthema von Wahl zu Wahl
Gesundheitsreform: Außer den Patienten haben sich alle in dem System gut eingerichtet

Gesundheit wird immer teurer. Mal kriselt es bei den Privaten, mal bei den Gesetzlichen. Eine grundlegende Reform des fragilen Systems ist überfällig, darin sind sich Gesundheitspolitiker jeglicher Couleur und Partei einig. Dies übrigens seit Jahrzehnten. Daran hatten die allwöchentlichen Ankündigungen der nunmehr erfolgenden ultimativen Reform durch die einstige Ministerin Ulla Schmid nichts geändert, und daran wird sich, so fürchten leidgeprüfte Beitragszahler, auch in den nächsten Jahrzehnten nichts ändern.

Derzeit erwischt es die privaten Krankenversicherer. Vier von ihnen haben allein in den letzten Tagen Tariferhöhungen angekündigt, weitere werden folgen. Zugleich klagen sie über die zunehmende Zahl von Mitgliedern, die im Ruhestand den Beitrag nicht mehr zahlen können.

Ein Randproblem, das nur eine kleine Minderheit tangiert, könnte man meinen – zudem ein Luxusproblem, da ja der Privatpatient in aller Regel zu den sogenannten Reichen zählt, also kaum Anspruch auf Mitgefühl hat. Die öffentlich-rechtliche Konkurrenz sieht die Entwicklung mit verhaltener Schadenfreude: Zwar schwimmen die gesetzlichen Krankenkassen derzeit in Milliardenüberschüssen, wissen aber genau, wie schnell dieser beneidenswerte Zustand ins Defizitäre umschwenken kann.

In Deutschland sind knapp elf Prozent der Menschen (knapp neun Millionen) privat krankenversichert. Der große Rest gehört einer der – immer noch viel zu vielen – 134 gesetzlichen Kassen an: 30 Millionen Arbeitnehmer, 18 Millionen Rentner, 17 Millionen mitversicherte Familienangehörige, fünf Millionen freiwillig Versicherte.

Ausgaben und Einnahmen sind allerdings ungleich verteilt. Von den rund 300 Milliarden Euro Gesundheitskosten im Jahr tragen die gesetzlichen Kassen nur 58 Prozent. Der Rest wird aus den Leistungen der privaten Kassen, der Eigenbeteiligung der hier Versicherten, Zahlungen anderer Leistungsträger sowie aus Steuermitteln finanziert. Der Privatpatient zahlt im Jahr durchschnittlich etwa 3500 Euro Beitrag, der gesetzlich Versicherte rund 300 Euro weniger. Dafür sind bei ihm nicht verdienende Familienangehörige mitversichert.

Ungleichheit herrscht auch auf der Empfängerseite. Üblicherweise berechnet der Arzt für ein und dieselbe Leistung beim Privatpatienten ein spürbar höheres Honorar, zum Beispiel das 2,3-Fache statt des 1,8-Fachen des Gebührensatzes. Zur Begründung wird darauf verwiesen, auf Grund der Gebührensätze müsse man bei Kassenpatienten meist „draufzahlen“; insgesamt sei die ärztliche Versorgung eben nur noch durch überhöhte Honorare der Privatpatienten bezahlbar. Dieses Argument mag oft zutreffen, wohl aber nicht immer.

Den betroffenen Patienten dürfte das weniger tangieren als der Blick aufs eigene Konto. Hier ein der Redaktion vorliegendes konkretes Beispiel: Ein 70-jähriger Privatversicherter reicht nach zweiwöchiger stationärer Intensivbehandlung Krankenhaus- und Arztrechnungen in Höhe von 9427,85 Euro ein. Erstattet werden ihm 6385,50 Euro. Das „Privileg“, in einem Zweibettzimmer allmorgendlich vom Chefarzt höchstpersönlich begrüßt zu werden, darf er mit 3042,35 Euro Eigenanteil bezahlen, was mehr als das Anderthalbfache seiner Monatsrente ausmacht. Ein anderes Beispiel: Eine ebenfalls 70-jährige, wegen zeitweiliger Selbstständigkeit privatversichert, zahlt bei 632,30 Euro Rente, 428,17 Euro Versicherungsbeitrag – im Standardtarif mit GKV-Leistungen. Als Kassenpatientin würde sie dafür nur knapp 43,02  Euro im Monat zahlen. Aber einen Weg zurück gibt es nicht.

Schon heute sind viele Privatversicherte durch Beiträge und Selbstbeteiligung überfordert. Und wegen der beängstigenden Zunahme teurer Volkskrankheiten bekommen auch die gesetzlich Versicherten die Grenzen der Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens zu spüren. Aber Politiker, private und gesetzliche Versicherer haben sich in dem System gut eingerichtet. So bleibt die Gesundheitsreform ein Thema für den Wahlkampf. Denn auch im Spätherbst 2013 gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Hans-Jürgen Mahlitz


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