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20.04.13 / Papa Hamlet aus Rastenburg / Kunst = Natur – x: So lautete die naturalistische Formel von Arno Holz, der vor 150 Jahren geboren wurde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-13 vom 20. April 2013

Papa Hamlet aus Rastenburg
Kunst = Natur – x: So lautete die naturalistische Formel von Arno Holz, der vor 150 Jahren geboren wurde

Neben Gerhart Hauptmann gilt Arno Holz (26.4.1863–26.10.1929) als Begründer des literarischen Naturalismus in Deutschland. Vor 150 Jahren wurde der Ostpreuße in Rastenburg geboren. Nachdem ihm 1885 für seinen Gedichtband „Buch der Zeit. Lieder eines Modernen“ der Schillerpreis verliehen worden war, zählte er jahrelang zu den führenden Köpfen der jungen Berliner Literatur- und Theaterszene. Holz hat fast alle Strömungen der Literatur des 20. Jahrhunderts vorweg genommen. Andererseits repräsentieren seine Lyrik, die Prosawerke und Bühnenschauspiele die ganze Vielfältigkeit seiner Zeit.

Seinen Themenkreis fand er im Leben der Großstadt, das er unter Verwendung der Alltagssprache schilderte. Ab 1890 stand Holz im Schatten von Gerhart Hauptmann, und es sollte ihm nicht gelingen, zur ersten Reihe der national und international ge­feierten Literaten aufzuschließen, was sicherlich auf das kom­plizierte Naturell des Ostpreußen zu­rückzuführen ist. Trotz seines bedeutenden Ranges in der deutschen Literatur als Dramatiker, Erzähler, Lyriker und Kunsttheoretiker hat sich bis heute daran wenig geändert; wie es denn fast nie geschieht, dass Werke eines un­terbewerteten Künstlers pos­tum zu Klassikern werden.

1875 zog Holz mit seinen Eltern und den neun Geschwistern von der ostpreußischen Kleinstadt nach Berlin, wo sein Vater eine Stellung als Apothekenverwalter annahm. Bis zu seinem Tod blieb er in der Reichshauptstadt. In einigen Gedichten und Novellen hat er Eindrücke und Erinnerungen aus seiner Kinderzeit verarbeitet, so in den autobiografischen „Phantasus“-Gedichten aus dem „Buch der Zeit“, an dem er insgesamt 30 Jahre gearbeitet hat, und in der Prosaskizze „Der erste Schultag“, erschienen 1889 im Novellenband „Papa Hamlet“. 1881 hatte Holz das Königstädtische Gymnasium mit miserablen Bewertungen und ohne Abgangszeugnis verlassen. Mit 18 Jahren entschied er sich für ein Dasein als freischaffender Künstler und Journalist. Seinen Lebensunterhalt konnte er anfangs nicht selbst bestreiten und wurde von Verwandten und Freunden finanziell unterstützt. Später erhielt er zeitweilig Zuwendungen von Förderern und Bewunderern.

1893 schloss Holz die Ehe mit Emilie Wittenberg und hatte mit ihr drei Söhne. Nie hat er sich aus den Zwängen einer prekären Existenz befreien können, was seine Verbitterung über die Karrieren mancher Künstlerkollegen noch steigerte. Besonders empörte und reizte ihn der gesellschaftliche Aufstieg Gerhart Hauptmanns, mit dem er noch bis 1890  befreundet war. Er ließ nicht davon ab, Hauptmann mit herabsetzenden Äußerungen öffentlich bloßzustellen, während dieser auf Holz als eine verkrachte Bo­hemegestalt herabsah. In der Komödie „Socialaristokraten“ von 1896 kritisierte Holz satirisch den „Friedrichshagener Dichterkreis“ um Hauptmann, dessen Mitglieder die soziale Problematik thematisierten, selbst aber eine elitäre Haltung entwickelten.

Es waren Ibsens überwältigende Erfolge auf den deutschen Bühnen, die dem naturalistischen Drama zum Durchbruch verhalfen. Auf der Suche nach dem idealen Ausdrucksmittel zur realistischen Wiedergabe der Wirklichkeit war auch der Berliner Schriftsteller Johannes Schlaf. Gemeinsam begründeten Holz und Schlaf in Theorie und Praxis den „konsequent naturalistischen Stil“. Ihr Schauspiel „Die Familie Selicke“ wurde noch vor Hauptmanns Drama „Vor Sonnenaufgang“ konzipiert, kam aber einige Monate später als dieses an der Freien Bühne in Berlin und zugleich im Stadttheater Magdeburg zur Aufführung. Geschildert werden die desaströsen Verhältnisse einer Familie im proletarischen Milieu. Einige Erfolge trug Arno Holz die Zusammenarbeit mit Oskar Jerschke ein.

1905 kam die Tragikomödie „Traumulus“ der beiden Autoren am Berliner Lessing-Theater zur Uraufführung. Das Stück avancierte zu einem der meistgespielten Bühnenwerken vor dem Ersten Weltkrieg. 1935 verfilmte Carl Froelich den Stoff mit Emil Jannings in der Titelrolle. Mehrfach hat sich Holz sarkastisch und respektlos mit sämtlichen Strömungen seiner Zeit auseinandergesetzt, am eindrucksvollsten in dem Weltanschauungsdrama „Ignorabimus“ von 1913, mit dem er sich nichts weniger als eine moderne „Faust“-Dichtung zum Ziel gesteckt hatte. Zweimal, 1912 und 1929, wurde er für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen. 1929 starb er kurz vor der Preisvergabe. Den Nobelpreis erhielt Thomas Mann.

Im Oktober 1924 schrieb Holz einen resignierenden Brief an den Freund Kurt Haertel: „Der Ignorabimus war ‚auf dem Gebiete des Dramas‘ meine ‚letzte‘ Arbeit: Seine Aufnahme oder vielmehr Nichtaufnahme … machte es mir wirtschaftlich unmöglich, noch weitere sozusagen Perlenberge vor die betreffenden ‚Säue‘ zu schütten.“   D. Jestrzemski


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