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27.04.13 / Österreich-Ungarns bekanntester Spion / Am Ende sah der stellvertretende Leiter des k.u.k. Evidenzbüros Oberst Alfred Redl nur noch den Freitod als Ausweg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-13 vom 27. April 2013

Österreich-Ungarns bekanntester Spion
Am Ende sah der stellvertretende Leiter des k.u.k. Evidenzbüros Oberst Alfred Redl nur noch den Freitod als Ausweg

Am frühen Morgen des 25. Mai 1913 erschoss sich der österreichische Generalstabsoberst Alfred Redl in einem Zimmer des Wiener Hotels „Klomser“. Kurze Zeit zuvor hatte ihn in diesem Hotelzimmer eine Gruppe von vier hohen Offizieren, bestehend aus dem stellvertretenden österreichischen Generalstabschef Franz von Höfer, zwei Geheimdienstlern und einem Militärjustizoffizier, aufgesucht. Redl erwartete sie bereits und sagte: „Ich weiß schon, weshalb die Herren kommen. Ich bin das Opfer einer unseligen Leidenschaft; ich weiß, dass ich mein Leben verwirkt habe und bitte um eine Waffe, um mein Dasein beschließen zu können.“

Am 14. März 1864 kam Alfred Redl im damals galizischen und heute ukrainischen Lemberg (Lwiw) als Sohn eines mittleren Eisenbahnbeamten und vormaligen österreichischen Offiziers zur Welt. Wie es für Österreich-Ungarn typisch war, wuchs der kleine Alfred vielsprachig auf und erlernte während seines Militärdienstes über Deutsch, Polnisch und Ukrainisch hinaus weitere Sprachen, darunter Russisch. Wie einst der Vater trat auch der intelligente, äußerst ehrgeizige Alfred Redl ins österreichische Heer ein. Er absolvierte 1894 erfolgreich die Wiener Kriegsschule und wurde daraufhin in den Generalstab berufen. Es folgten verschiedene Truppen- und Generalstabsverwendungen, bis man im Jahr 1900 den perfekt Russisch sprechenden Hauptmann in das k.u.k. Evidenzbüro, den militärischen Nachrichtendienst, versetzte. Dort wurde Redl kurzzeitig als Auswerter für Informationen aus Russland beschäftigt, bis man ihm von 1901 bis 1905 die Leitung der „Kundschaftsgruppe“ anvertraute.

Redl war damit hauptamtlicher Nachrichtendienstoffizier geworden und hatte den österreichischen Agenteneinsatz, der sich in erster Linie gegen Russland und Serbien und in zweiter gegen Frankreich, Italien und die Balkanstaaten richtete, zu organisieren. Im Nachrichtendienst bewies Redl Eifer und ein „glückliches Händchen“ bei der Beschaffung von Informationen. Nachdem Major Redl ein zweijähriges Intermezzo als Stabs­chef der 13. Landwehr-Infanteriedivision in Wien durchlaufen hatte, wurde er für die Zeit von 1907 bis 1911 wiederum in das Evidenzbüro berufen, um nunmehr als stellvertretender Chef die Aufsicht über die Nachrichtenbeschaffung zu übernehmen, aber ebenso, um als militärischer Gutachter in Spionageprozessen vor österreichischen Gerichten aufzutreten.

Nach den neuerlich vom österreichischen Historikerduo Verena Moritz und Hannes Leidinger angestellten Untersuchungen geriet der als pflichtbewusst und verschwiegen geltende Offizier damals auf die kriminelle Bahn. Redl war homosexuell und unterhielt Verhältnisse sowohl mit seinen Offiziersburschen als auch mit jungen Offizieren, die er für ihre Dienste freigiebig belohnte. Da Redl keiner vermögenden Familie entstammte und seine Offiziersgage gleichfalls nicht üppig war, verfiel er dem Gedanken, sich durch den gezielten Verkauf militärischer Geheimnisse Geld zu verschaffen. Ihm waren die Anschriften der Spionagebüros des für gute Ware stets gut zahlenden russischen militärischen Nachrichtendienstes aus seiner dienstlichen Praxis bekannt. Redl glaubte gleichfalls, die nötigen Tricks zu beherrschen, um stets Herr der Lage zu bleiben. Er nahm in den Jahren nach 1907, wann genau ist bis heute nicht bekannt, brieflich über Postfachadressen mit dem russischen Nachrichtendienst Verbindung auf. Redl übersandte alsdann Fotos militärischer Geheimdokumente und ließ sich an seine anonymen Postfachanschriften Antwortbriefe schicken, die größere Geldbeträge enthielten. Redl wurde also nicht von den Russen zur Spionage erpresst und blieb stets so vorsichtig, dass er zwar militärische Geheimdokumente übersandte, aber niemals solche, die bei Nachforschungen konkret auf ihn hätten hindeuten können. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass Redl zwar allerlei österreichische Geheimbefehle und militärische Handbücher an die Russen übermittelte, aber wohl kaum Mobilmachungsunterlagen und natürlich keine Dokumente direkt aus dem Evidenzbüro. Die Russen ahnten, dass ihr geheimnisvoller Zuträger ein geldbedürftiger österreichischer Generalstabsoffizier war, wussten aber nicht, dass sie mit dem österreichischen Vizegeheimdienstchef und späteren Generalstabschef des 8. Armeekorps in Prag Geschäfte machten. Neuerdings weiß man, dass Redl auf dem gleichen anonymen Wege Informationen an den französischen und wahrscheinlich auch an den italienischen Nachrichtendienst verkaufte.

Redl zum Verhängnis wurde, dass vom deutschen Pendant des Evidenzbüros, der „Sektion IIIb“ des Großen Generalstabs, der grenzüberschreitende Postverkehr nach Russland diskret überwacht wurde. Dabei fiel ein Brief mit inliegendem hohen Geldbetrag an ein Wiener Postfach auf. Man vermutete russische Spionage, gab den Kollegen in Österreich einen Tipp und alles Weitere war das Ergebnis guter Polizeiarbeit.

Jedoch beging man in der Führung des österreichischen Generalstabs den Fehler, Oberst Redl zur Vermeidung eines öffentlichen Skandals die Möglichkeit zum Selbstmord zu geben, um die Affäre zu vertuschen. Die Sache kam natürlich dank der rührigen österreichischen Presse trotzdem heraus und führte genau zu dem öffentlichen Skandal, den man ängstlich hatte vermeiden wollen.

Die Historiker Leidinger und Moritz ermittelten, dass Redl die Jahre vor seinem Tode weit über seine Verhältnisse als Lebemann auftrat. Doch schien es bis zu dessen Selbstmord völlig undenkbar, dass ein so bewährter Offizier sich zu kriminellen Handlungen würde hinreißen lassen. Aus russischen Archiven erfuhr man hingegen, dass selbst die Russen erst nach Redls Selbstmord 1913 zu ahnen begannen, wer ihr geheimnisvoller Informant gewesen war. Jürgen W. Schmidt


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