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27.04.13 / Putin entdeckt Kant als Markenzeichen / Königsberger Gebiet soll Symbolkraft des deutschen Philosophen nutzen − Forscher Kalinnikow übt Kritik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-13 vom 27. April 2013

Putin entdeckt Kant als Markenzeichen
Königsberger Gebiet soll Symbolkraft des deutschen Philosophen nutzen − Forscher Kalinnikow übt Kritik

Wladimir Putin hat dem Direktor sowie Studenten und Dozenten der Königsberger Kant-Universität empfohlen, mit der Symbolkraft ihres Namensgebers für die Region zu werben. Anlass zu dieser Empfehlung bot ihm ein inoffizielles Treffen in seiner Residenz Nowo-Ogarjowo nahe Moskau, dem weitere mit Studenten und Dozenten der übrigen acht föderalen Universitäten der Russischen Föderation folgen sollen. Föderale Universitäten genießen in der russischen Hochschullandschaft insoweit eine herausgehobene Stellung, als sie autonomer sind denn andere staatliche Lehranstalten und über die Verwendung der Mittel, die sie aus dem Staatshaushalt erhalten, freier verfügen können.

Wörtlich sagte der Präsident seinen Gästen aus Königsberg: „Der Philosoph Immanuel Kant muss zum Symbol für die gesamte Oblast Kaliningrad werden. Die Figur Kants ist Symbol für das heutige Weltgefüge. Ich denke, dass Kant nicht nur das Symbol Ihrer Universität sein kann und muss, sondern auch das der gesamten Region, der Oblast Kaliningrad sein sollte.“

Putin vertiefte sich in die wissenschaftlichen Ansichten Kants und stellte Vergleiche zur Gegenwart an: „Eine seiner ersten fundamentalen Arbeiten ist der Entwurf ‚Zum ewigen Frieden‘. Im Grunde genommen ist das der erste Versuch einer Einigung Europas nach dem Siebenjährigen Krieg. Es ist die philosophische, religiöse und kulturelle Begründung für die Notwendigkeit eines Einigungsprozesses in Europa. In diesem Sinne ist die Figur Kants unbedingt symbolisch für das heutige Weltgefüge.“

Putin ließ es nicht bei allgemeinen Aussagen bewenden, sondern machte konkret Vorschläge zur Herausgabe der Werke des deutschen Philosophen in russischer Sprache, damit eine größere Zahl von Russen sich damit bekannt machen kann.

Diese Worte stießen im Königsberger Gebiet bei Politik, Wissenschaft und Gesellschaft auf große Resonanz. Gouverneur Nikolaj Zukanow beklagte, dass der Name Kant ein Markenzeichen von Weltrang sei, das bislang in der Region nicht effektiv genutzt worden sei. Nichtsdestoweniger werde schon seit einiger Zeit daran gearbeitet. Der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland im Königsberger Gebiet, Rolf-Fried­rich Krause, sagte: „Der deutsche Philosoph Immanuel Kant sollte Symbol für das Königsberger Gebiet sein ebenso wie die Büste der ägyptischen Königin Nofretete eines für das kulturelle Erbe Deutschlands wurde. Die Büste der Nofretete ist der schönste Botschafter der ägyptischen Kunst und der ägyptischen Kultur in Deutschland. Kant kann ein Botschafter der deutschen Kunst und Kultur in Königsberg und in Russland insgesamt werden.“

Leonard Kalinnikow, Professor an der Baltischen Föderalen Kant-Universität und einer der bekanntesten russischen Kant-Forscher, übte hingegen Kritik an den Ausführungen seines Präsidenten. Er warf ein, dass Kant ohne jede Eingabe von oben schon lange das Symbol Königsbergs sei. „Die gesamte kulturelle Welt verbindet Kaliningrad-Königsberg mit seinem Namen, nur die offiziellen Kreise verstehen das nicht.“ Alljährlich veranstalteten Mitglieder der Kant-Gesellschaft Feiern zu Ehren des großen Philosophen an dessen Geburtstag und Todestag. An diesen Tagen hielten Wissenschaftler aus Russland und dem Ausland Lesungen in der Universität und im Deutsch-Russischen Haus. „Diese Tradition“, so Kalinnikow weiter, „wurde bereits 1974 begründet, als man das 250. Jubiläum Kants feierte, und seit dieser Zeit ist sie nicht ein einziges Mal abgerissen.“

Demgegenüber fehle Stadt, Gebietsregierung und Universitätsleitung, so Kalinnikows Vorwurf, jegliches Interesse an der großen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung Kants. Für ihn sind die aktuellen Stellungnahmen aus der Politik zu Kant nur Ausdruck schnöden Materialismus. Für die Politiker sei der große Philosoph nur aus pragmatischen Gesichtspunkten interessant, als Markenzeichen einer Ware, die zusätzlichen Gewinn oder Vorteil bringen soll. Jurij Tschernyschew


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