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27.04.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-13 vom 27. April 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

die lauen Lüfte sind nun endlich erwacht, es zwitschert, flötet und piept schon am frühen Morgen – leider auch auf meinen Bronchien. Mich hat es nun doch noch erwischt, und das bekommen auch die Leser zu spüren, die mit mir telefonisch Kontakt aufnehmen wollen. Zwar habe ich es versucht, doch mein Gekrächze konnten höchstens Nebelkrähen verstehen, aber nicht meine Telefonpartner, so dass es – wenn überhaupt – nur zu irreführenden Gesprächsversuchen kam. Als schließlich ein Teilnehmer meinte, er würde lieber mit Frau Geede sprechen, und ich verzweifelt in den Hörer krächzte: „Aber ich bin doch Frau Geede!“ und er daraufhin auflegte, beschloss ich, erstmals zu schweigen. Was meinen Bronchien gut tat, aber weniger den nun auf Warteposition geschobenen Rückrufheischenden. Also, ich bitte die Betreffenden, sich noch ein wenig zu gedulden. Verständlicherweise!

Bei Frau Gerda Fritz aus Steinhagen zwitschert es auch, jedenfalls in der Erinnerung. Meine Storchengeschichte in Folge 13 ließ sie an das Storchennest auf dem Scheunendach des elterlichen Hofes im Kreis Tilsit-Ragnit denken, zu dem sie als Kind immer aufschaute. Genau wie zu den Schwalbennestern, an die sie ganz besondere Erinnerungen hat. Die Ankunft der „Schwoalkes“ wurde ebenso wortreich begrüßt wie die der Störche. Ihr Gezwitscher hatte es Gerdas Vater besonders angetan, er konnte es wunderbar nachmachen, und er wusste dazu auch einen plattdeutschen Vers, den die damals Fünfjährige bis heute nicht vergessen hat. Da sie meint, dass es sich um eine Vogelstimmenversion handelt, die in Ostpreußen bekannt war, schrieb sie ihn auf und sandte ihn uns mit. Und ich muss sagen: Der Vers stimmt, liebe Frau Fritz. Vor allem diejenigen unter unseren Landsleuten, die tohuus plattdeutsch sprachen, werden sich daran erinnern, wie den Schwalben zugerufen wurde: „Wie eck wegtog, wie eck wegtog, wäre Kiste on Kaste voll. Wie eck wedderkäm, wie eck wedderkäm, wär allet rutjeschmeete, oppjefräte, utjescheete!“ Frau Gerdas Vater hängte aber noch einen reichlich derben Nachsatz an: „Freet, datt du di terwärgst!“ Also, futter so viel, bis es dir zum Hals rauskommt!“ Na ja, der war wohl weniger für die Schwoalkes bestimmt, als für einen menschlichen „Gierschlung“. Soviel zu dieser Deutung. Frau Fritz meint, dass es in Ostpreußen auch weitere Vogelsprachversionen gab und hat bisher vergeblich nach ihnen gesucht. Mit einigen können wir helfen wie mit der Deutung des Kiebitzrufes: „Kiewick, wo bliew eck?“ Er geht zurück auf eine alte Sage, dass das Haus des Vogels – der ein verzauberter Korbflechter war – zerstört worden war. Den Nester bauenden Singvögeln wurde zugerufen: „Driew, Peterke, driew. Häst e gode Wirt, denn bliew. Häst e schlechte Wirt, denn teh (zieh fort) wiet-wiet-wiet-wiet-wiet!“ Diese und andere Versionen kann ich Frau Fritz übermitteln, und sie wird sich wohl freuen.

Freude kam auch bei Frau Margot Gehrmann auf, als sie unseren Beitrag über das Kochbuch „Reise durch das kulinarische Hohenhorst“ las, für das sie als Mitherausgeberin und Co-Autorin zeichnet – und noch mehr, als sie die Reaktionen unserer Leserinnen und Leser zu spüren bekam. Denn da waren einige von diesem „kulinarischen Europa in der Einbauküche“ so angetan, dass sie das Kochbuch gleich bestellten. Was Frau Gehrmann besonders erfreute: Sogar aus Arys kam eine Anforderung, die Bestellerin allerdings ist für die Herausgeberin des Kochbuchs keine Unbekannte, denn diese enthält seit 15 Jahren persönliche Geburtstagsgrüße von Margot Gehrmann, die sie im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Betreuungsarbeit versendet. Und da auch die Arbeit an dem nun großartig gelungenen Kochbuchprojekt ehrenamtlich von der Ostpreußin geleistet wurde, interessierte sich eine Hamburger Regionalzeitung für Margot Gehrmann und machte ihre Tätigkeit zu einem Titelthema: Im hohen Alter von 77 Jahren noch ehrenamtlich tätig! Anerkennung ist eben auch ein „Honorar“ – ein Ehrensold, selbst wenn er nicht in klingender Münze ausgezahlt wird, aber er zählt eben viel, viel mehr.

Und das zeichnet auch unsere „Ostpreußische Familie“ aus, wie uns Frau Edelgard Hesse aus Crivitz bestätigt: Dieses für einander da sein zeigt, dass die Seite zu Recht ihren Namen trägt. Sie selber hat es nun auf vielseitige Weise erfahren, denn Frau Hesse hatte uns vor einiger Zeit mehrere Fragen vorgelegt, auf die sie von verschiedenen Seiten Antwort bekam. Ausschlaggebend – weil am leichtesten zu beantworten – war die Frage nach der Lage der Hindenburgstraße in Lyck, zu der wir ein Luftbild der Stadt veröffentlicht hatten. „Seitdem erhielt ich mehrere Anrufe und Briefe. Ich möchte all jenen Dank sagen, die mir Auskunft über das Wohnhaus und die Straße, in der meine Eltern wohnten, gegeben haben. Obwohl ich selber nie dort sein konnte, ist es mir, als wäre ich jetzt dort angekommen!“ Aber es gibt noch einen anderen Ort, der für Frau Hesse Bedeutung hat und nach dem sie gefragt hatte: Riesenburg, die Stadt, in der sie 1943 geboren wurde. „Beide Städte werden für mich immer gleichbedeutender, wohl auch weil es Gemeinsamkeiten gibt. In beiden Städten wohnten einst meine Eltern. In beiden Städten wurde der einstige Wasserturm zur Gedenkstätte über die Geschichte der Stadt. Durch die mir zugesandten Stadtpläne kann ich jetzt in Gedanken durch die Städte und ihre Umgebung wandern.“ Die Veröffentlichung war zu einer Zeit erfolgt, in der sich Edeltraut Hesse im Krankenhaus befand. Als sie entlassen wurde, fand sie bereits die ersten Briefe vor. Das war für sie „wie ein Schluck guter Medizin“! Ihr Dank gilt nun allen, die sich bemüht haben, ihr schriftlich oder telefonisch Auskunft zu geben. „Stellvertretend für alle möchte ich mich besonders bei Frau Edeltraud Grüncke aus Halsenbach bedanken. Sie hielt beim Heimattreffen nach möglichen Verwandten von mir Ausschau und wurde sogar fündig: Erich Bendig und Ernst Bendig tragen den gleichen Namen wie Edelgards Vorfahren, die aus dem Kreis Johannisburg stammen. Urgroßvater Jakob Bendig wurde 1828 in Sulimmen geboren, heiratete in Drigallen. Sein Sohn Adam Bendig, *1880 in Jurgasdorf, der Großvater von Frau Hesse, war anscheinend der einzige männliche Nachkomme, er hatte aber noch zwei Schwestern. Die gefundenen „Namensvettern“ könnten Nachkommen unbekannter Geschwister ihres Urgroßvaters sein. „Das macht mich neugierig“, schreibt Frau Hesse, und so wird sie wohl weiter forschen. Eine andere Frage ist noch offen und wird es wohl auch bleiben: Wann fuhr der letzte Zug mit Zivilpersonen von Riesenburg – Deutsch Eylau nach Lyck? Aber immerhin ist das Thema „Letzte Züge“ in letzter Zeit bei uns stark in den Vordergrund gerückt und hat unsere Leserschaft aktiviert. Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt eben immer! (Edelgard Hesse, Weinbergstraße 38 in 19089 Crivitz, Telefon 03863/222577.)

Einen überglücklichen Brief bekam ich von Frau Käte Werner: „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich es bis heute nicht fassen kann, in Herrn Grünsfelder aus Travemünde jemanden gefunden zu haben, der so viel von der Fluchtgeschichte meiner Heimat weiß und miterlebt hat und fast gleichzeitig – eine Fahrt vorher – auf der „Monte Rosa“ war. Es dürfte dauern, bis ich dies alles begreifen und einordnen kann.“ Ja, wenn die Vergangenheit wieder transparent wird und auf einmal viele Jahrzehnte ausgelöscht scheinen, ist das nicht leicht zu begreifen, und es ist es gut, wenn man sich mit Menschen austauschen kann, die einen aufgrund des eigenen Schicksals verstehen. Übrigens habe ich auch mit Herrn Grünsfelder gesprochen, allerdings wegen meines Gekrächzes auf Sparflamme, doch so viel weiß ich nun doch, dass er nicht unter den jungen Marinern war, die mir damals im Januar 1945 auf das rettende Schiff in Pillau geholfen haben. Aber er konnte von anderen „Wundern“ erzählen, die für ihn die letzten Kriegstage unvergessen machen.

In jene schwere Zeit – für viele von uns die schlimmste in unserm Leben – führt der Suchwunsch zurück, mit dem Herr Hans Wunder aus Hochheim an uns herangetreten ist. Sein Familienbild spiegelt das ganze Leid einer ostpreußischen Familie wieder, chronologisch aufgelistet von 1944 bis 1948, und es beeindruckt besonders durch die emotionslose Angabe über Leben und Tod der einzelnen Mitglieder, die zumeist mit dem Wort „Unterernährung“ endet. Um seinen Suchwunsch verständlich zu machen, muss ich kurz auf die Familiengeschichte eingehen, die voller Irrungen und Wirrungen ist. Bereits vor der ersten Flucht am 1. Juli 1944 aus Schillfelde, Kreis Schloßberg (Schillehnen, Kreis Pillkallen), stirbt die Mutter von Hans Wunder. Nach Rückkehr und erneuten Fluchtversuchen werden Hans und einige seiner Geschwister nach Sachsen evakuiert, darunter auch seine Schwester Maria Lippki, *1924, mit ihren kleinen Söhnen Erwin und Horst. Vater Friedrich Wunder bleibt in Ostpreußen, kommt zum Volkssturm nach Wehlau, findet nach seiner Entlassung wegen schwerer Krankheit Ende Januar 1945 in Sachsen seine dorthin evakuierten Angehörigen wieder. Im Juni 1945 wollen die Wunders nach Ostpreußen zurückkehren, aber es wird eine Irrfahrt: Es führt kein Weg mehr nach Schillfelde, die „Heimkehrer“ werden in das russische Zwangslager Groß Gauden und dann in das Lager Zweilinden gebracht. Dort stirbt Vater Friedrich, ihm folgt seine Tochter Helena, dann auch Tochter Maria Lippki, ihr Sohn Erwin kommt ins Waisenhaus, sein Bruder Horst war bereits auf der langen Fahrt verstorben. Die noch lebenden Familienmitglieder – Hans und seine Schwestern Lisbeth und Gretel – kommen nach Stobricken zur Feldarbeit, ehe sie dann 1948 nach Pirna/Sachsen ausgewiesen werden. Soweit also fast nur in Stichworten die Familiengeschichte als Basis für den Suchwunsch von Hans Wunder, in dem es um den Verbleib seines Neffen Erwin Lippki, *17. Juli 1941 in Schillfelde, geht. Seit 1949 sucht und forscht sein Onkel nach ihm, bisher umsonst. Mit Sicherheit weiß Herr Wunder, dass Erwin – genannt Bubi – nach dem Hungertod seiner Mutter Maria Lippke im Juni 1946 zusammen mit anderen Kindern nach Nemmersdorf in das so genannte Waisenhaus (Werfen-Pennacken) gebracht wurde. In diesem Zusammenhang werden ein Mann namens Brandstätter und eine Frau Wolter oder Walter erwähnt. Gibt es noch Überlebende aus diesem Waisenhaus, die sich an Einzelheiten erinnern können? Wann wurde es aufgelöst und wohin kamen die Kinder? Der damals vierjährige Erwin war bereits Vollwaise, denn sein Vater Viktor Lippki war im Juli 1944 auf der Rollbahn in Witebsk verstorben, wie Herr Wunder erst vor kurzem von der HOK erfuhr! So kann es sein, dass „Bubi“ schon früh in eine Pflegestelle kam oder adoptiert wurde. Herr Wunder möchte so viel wie möglich über dieses Waisenhaus erfahren und hofft, dass sich in unserem Leserkreis Zeitzeugen finden, die vielleicht ein paar Mosaiksteinchen zur Klärung dieses Falls beitragen könnten. Die Ostpreußische Familie ist nun für ihn der einzige noch begehbare Weg. Wir hoffen mit ihm. (Hans Wunder, Danziger Allee 89 in 65239 Hochheim, Telefon 06146/3579, E-Mail: h.d.wunder@t-online.de)

Eure Ruth Geede


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