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04.05.13 / Berlin bittet zur Kasse / Ab Juli erhebt die Stadt eine fünfprozentige Bettensteuer – Geld weckt bereits Begehrlichkeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-13 vom 04. Mai 2013

Berlin bittet zur Kasse
Ab Juli erhebt die Stadt eine fünfprozentige Bettensteuer – Geld weckt bereits Begehrlichkeiten

Ab Juli haben Berlintouristen eine fünfprozentige Übernachtungsabgabe zu zahlen. Dies hat der SPD-CDU-Senat beschlossen. Obwohl der Hotelverband noch gegen die Abgabe klagt, weckt das erhoffte Geld schon Begehrlichkeiten: Die freie Kulturszene fordert mehr Mittel und verweist auf die neuen Einnahmen. Doch die sollen bestenfalls zur Hälfte in Kultur und Tourismus zurückfließen.

Junge Rucksacktouristen auf der Suche nach dem Szene-Kiez – so sieht das Klischee vom typischen Berlinbesucher aus. Der Senat strickt selbst mit am Bild der günstigen Stadt. „Für Dich. Für Sie. Für alle.“, trällert die offizielle Touristen-Seite „Visit Berlin“ und betont „Berlin ist Szenestadt“. Ständig entstehen neue „Hostels“, jene Kreuzung aus Jugendherberge und Hotel, und andere günstige Herbergen. Das Preis-Leitsungs-Verhältnis, Sport und Trends machen die Stadt attraktiv für Europas Jugend. Doch das Bild täuscht ein wenig: Tatsächlich ist der Spree-Tourist durchschnittlich 42 Jahre alt, nur jeder Dritte sucht das Nachtleben. Das jedenfalls sagt eine aktuelle Studie von „Visit Berlin“, laut der 42 Prozent der Gäste über ein Netto-Einkommen von 2000 bis 4000 Euro verfügen.

Die neue Bettensteuer spült nun Geld aus den Taschen aller privaten Berlinbesucher in die Kassen der überschuldeten Stadt. Aber nur die Hälfte der von den Politikern erwarteten 25 Millionen Euro im Jahr fließt zurück in Tourismus und Kultur.

Die Übernachtungssteuer, auch „City Tax“, sollte eigentlich schon früher starten, doch der Hotelverband war dagegen. Ab Juli geht es trotzdem los. Die Steuer trifft mit der Debatte um zweckentfremdete Mietwohnungen für Touristen und der Verdrängung alteingesessener Mieter zusammen. Sie fällt in einer Zeit beispiellosen Wachstums der Branche: „Der Berlin-Tourismus ist weiter am Wachsen, das belegen weiterhin stark zunehmende Besucherzahlen und Übernachtungen sowie steigende Umsätze in der Tourismusbranche“, so Berlins Industrie- und Handelskammer. Stolze 10,3 Milliarden Euro Bruttoumsatz verzeichnete der Sektor 2011. Berlin verzeichnet fast 25 Millionen Übernachtungen im Jahr. Die IHK spricht von „einem der zukunftsträchtigsten touristischen Reiseziele in Europa“. Eine Gefahr für den Zustrom ist die Steuer also kaum.

Die meisten Gäste geben zwar „Kultur“ als Grund für ihr Kommen an, doch es gibt auch andere, weniger zivilisierte Besucher: Der „Spiegel“ verglich die neue Stadt der Touristen schon 2011 mit dem Wilden Westen. Die Gäste bescheren Müll, Regellosigkeit und Partyjünger wie auf Mallorca. Nicht die einzige Belastung für Einheimische: Das Bezirksamt Mitte zählte 2011 allein 257 Ferienwohnungen entlang der Wilhelmstraße, die es eigentlich nicht geben durfte. Der Bedarf an günstigen Übernachtungsplätzen begünstigt Zweckentfremdung von Wohnraum und damit Mangel und Mietanstieg.

Die neue Steuer liefert zumindest etwas Spielraum zum Gegensteuern, hoffen ihre Initiatoren, weil man beim Eintreiben auch untersuchen kann, ob es sich bei dem Objekt überhaupt um eine legale Ferienadresse handelt. In Hotels, aber auch Jugendherbergen, Campingplätzen und Ferienwohnungen wird sie fällig, also auch bei den wenig zahlenden Gästen. Die Herbergsbetreiber leiten das Geld zumeist monatlich ans Finanzamt. Berufsreisende müssen in einem Formular den Zweck ihrer Reise angeben und Nachweise erbringen, um von der Zahlung befreit zu sein. Vor den Einnahmen entsteht somit neue Bürokratie für den Bürger.

Rechtlich hält Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, SPD-nah) die neue Regelung für sicher, da sie nur Privatreisende treffe. Vergangenen Juli hatte das Bundesverwaltungsgericht eine Bettenabgabe auf berufsbedingte Aufenthalte untersagt. Eine allgemeine Abgabe in München war zuvor am richterlichen Einspruch gescheitert. Doch auch hinsichtlich der von der Bundesregierung als Antwort auf die Finanzkrise gesenkten Steuer auf Beherbergungen von 19 auf 17 Prozent gibt es noch rechtliche Zweifel: Die von Gemeinden nun erhobenen Bettenabgaben unterlaufen diese Entlastung. Berlins fünf Prozent Bettensteuer ist nämlich in Hamburg, Lübeck und Köln bereits Alltag. Bremen und Weimar erheben feste Sätze, teils abhängig von der Hotelgröße. Für die Steuer gibt es zwei Modelle: Sie kann pauschal pro Bett und Nacht eingezogen werden oder als Prozentsatz von der Rechnung. Mit durchschnittlich ein bis drei Euro ist die erste Variante günstiger. Berlins anteilige Abgabe trifft besonders Langzeitgäste. Doch die kommen nach dem Kalkül der Planer ohnehin kaum vor: Durchschnittlich 2,3 Tage bleibt ein Gast laut aktuellem Tourismusreport in Berlin.

Mehr als ein Drittel der Besucher reist aus dem Ausland an, Tendenz steigend. Die Metropole mischt so unter Europas größten Zielen mit und belegt Rang drei hinter London und Paris. Unter den zehn größten Gruppen ausländischer Besucher stehen die Briten an der Spitze, gefolgt von Italienern, Niederländern, Spaniern und US-Bürgern. Tagesbesucher stellen mit 4,5 Milliarden Euro auch den größten Einzelanteil am lokalen Umsatz der Branche. Die Kurztouristen stärker zu beteiligen, erscheint somit sinnvoll.

Eine sinnvolle Verwendung des Geldes durch die Politik bleibt aber offen. Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz sprach auf die Bettensteuer hin „Tarifsteigerungen in zweistelliger Millionensumme“ bei den Bühnen an, sagte aber, das Geld solle „nicht etwa Haushaltslöcher stopfen“. Sverre Gutschmidt


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