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04.05.13 / Von Polen vergiftet? / Tschechen glauben, aus dem Nachbarland schlechte Ware zu erhalten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-13 vom 04. Mai 2013

Von Polen vergiftet?
Tschechen glauben, aus dem Nachbarland schlechte Ware zu erhalten

Polen und Tschechien sind seit 1999 Partner in der Nato und seit 2004 in der EU. Handelspartner sind sie ohnehin, wobei der Umsatz sich in den letzten Jahren verfünffachte. Doch im Herzen sind sie sich spinnefeind geblieben. Im Februar 2012 rügte Tschechiens Agrarminister Petr Bendl erstmals Schadstoffe in Nahrungsmitteln aus Polen, dann folgten Rügen der Öffentlichkeit. So wurde in den letzten Wochen behauptet, die Polen würden mit Rattengift versetzte Süßwaren und durch ein Übermaß des Schmerzmittels Phenylbutazon belastetes Pferdefleisch nach Tschechien liefern.

Tschechische Verbraucher reagierten panisch. In Umfragen erklärten bereits im Mai 2012 95 Prozent, sie „hätten Angst vor polnischen Lebensmitteln“. Dieser Tage mahnten besonnene Stimmen zur Mäßigung: „Polnische Lebensmittel werden allmählich zum Synonym für Schundprodukte. Solche mag es geben, aber es ist Unsinn, alle in einen Sack zu stopfen.“

Die Polen reagieren verärgert. Im März richtete der polnische Europa-Abgeordnete Czeslaw Siekerki ein Seminar aus, um auf „tschechische Diskriminierung“ polnischer Waren hinzuweisen. Am 8. April schlug Wojciech Pobog-Pagowksi, Handelsrat der polnischen Botschaft in Prag, noch schärfere Töne an. Seit einem Jahr betrieben tschechische Medien und Politiker „Manipulationen und Kampagnen“, um Polen, drittgrößter Nahrungsexporteur nach Tschechien, vom dortigen Markt zu vertreiben. Als Hauptgegner haben die Polen Jakub Sebesta, Chef der Tschechischen Agrar- und Nahrungsmittelinspektion, ausgemacht, aber bei dem bissen sie auf Granit. „Polen verkompliziert mit seiner Einstellung die Angelegenheit und wird unglaubwürdig“, konterte dieser.

Sebesta weiß, wovon er redet. Als im Februar 2012 zuerst „technisches Salz“ in polnischen Produkten auftauchte, hatten die Polen die tschechische Abnehmer nicht informiert, was ihnen Minister Bendl noch immer vorhält. Details fechten zwei Chef-Veterinäre aus, wobei der Pole Janusz Zwionzek behauptet, dass die Tschechen doch informiert gewesen seien, was der Tscheche Josef Duben abstreitet.

Momentan ist die ganze Sache völlig verfahren, und von der EU Hilfe zu erhalten, wie es Martin Klanica, Chef der Kontrollabteilung der Prager Agrarinspektion, vorschwebt, ist ganz unmöglich. Sich in Brüssel ein Verbot polnischer Lebensmittel absegnen zu lassen, das wurde von Minister Bendl für nicht realistisch erklärt.

Der Minister hat recht, und wenn er sich demnächst mit seinem polnischen Amtskollegen trifft, dem erfahrenen Agrarma-nager Marek W. Sawicki, werden sich beide rasch über drei Punkte einigen müssen. Zum ersten basiert moderne Nahrungsmittelproduktion in zunehmendem Maße auf Ersatzstoffen, die preisgünstig und unschädlich sind, was die Tschechen noch lernen müssen. Zum zweiten wächst der Handel auf beiden Seiten, was zu wechselseitiger Rücksichtnahme verpflichtet. Zum dritten bietet sich hier eine Chance, EU-Vorreiter zu werden: Im Nahrungsmittelbereich sind die EU-Regeln kaum harmonisiert, und daraus resultierten die ersten Konflikte. Wenn Polen und Tschechen sich streiten, freut sich mancher EU-Konkurrent. Wolf Oschlies


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