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04.05.13 / Im Bleifußparadies / In Monaco regiert das ganze Jahr über der Luxus – außer im Mai. Dann beherrscht die Formel 1 die Straßen des Fürstentums

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-13 vom 04. Mai 2013

Im Bleifußparadies
In Monaco regiert das ganze Jahr über der Luxus – außer im Mai. Dann beherrscht die Formel 1 die Straßen des Fürstentums

Am 26. Mai ist es wieder soweit. An dem Sonntag rasen die Rennautos durch Monacos verwinkelte Straßen. Jenseits des Spielkasinsos von Monte Carlo wird dann gewettet, wer das große Rennen wohl diesmal macht.

Vor dem Schwimmbad am Hafen von Monaco gibt es ungewöhnliche Aktivitäten. Leitplanken werden aufgeschichtet, Gerüste für eine Publikumstribüne aufgebaut und Fahrbahnmarkierungen entfernt. Die Monegassen wissen bereits: In wenigen Tagen jagen hier wieder Formel-1-Autos mit bis zu 290 Stundenkilometern durch die engen Gassen.

Für Adèle Millet ist das jedes Mal ein Albtraum. Sie wohnt knapp außerhalb des Fürstentums in dem kleinen französischen Ort Roquebrune. „Wir haben hier alle Ohrstöpsel“, erzählt sie, „wenn die Formel-1-Motoren dröhnen, hat man hier keine Ruhe, der ohrenbetäubende Krach dringt kilometerweit ins Land hinein.“

Das Rennen findet am Sonntag, dem 26. Mai, statt. Aber schon Tage vorher finden Test-, Trainings- und Qualifikationsfahrten statt. Dann ist Schluss mit der Idylle, die Adèle von ihrem Haus aus genießt. An den steil aufragenden Hängen der Seealpen auf rund 200 Metern Höhe gelegen, hat sie einen traumhaften Blick auf die Côte d’Azur. Die weite Bucht von Roquebrune ist links begrenzt von der Halbinsel Cap Martin und rechts vom Fürstenfelsen von Monaco.

Dieser kleine Felsen am Meer mit der Altstadt und dem Grimaldischloss, in dem Albert II. residiert, sorgte für den sagenhaften Aufstieg eines mittelalterlichen Piratennests zu einem Luxusressort für die Superreichen. Weil der Fels lange Zeit einer Küstenverbindung zwischen Nizza und San Remo im Wege war, konnte sich das Fürstentum ziemlich isoliert entwickeln. Heute ist der Fels durchlöchert wie Schweizer Käse. Es gibt Straßen und Fußgänger-Unterführungen, die zum Jachthafen und zum Ortsteil Monte Carlo führen. Wer zum völlig untertunnelten Bahnhof will, erreicht diesen am schnellsten, indem er einen der vielen endlosen Gänge unterhalb der Häuserwelt wählt.

Die Monegassen haben ein Faible für Schleichwege, denn die nur zwei Quadratkilome­ter kleine Stadt, die be­quem in Hamburgs Außenalster passt, ist völlig mit Hochhäusern verbaut. Mit 36000 Einwohnern hat sie die weltweit höchste Einwohnerdichte aller Staaten. Doch nur etwa 8000 Menschen dürfen sich echte, hier geborene Mo­negassen nennen, die das Privileg genießen, keine Steuern zahlen zu müssen. Der überwiegende Teil besteht aus gut begüterten Zugezogenen, die vom Steuerparadies profitieren. Tennisstar Boris Becker nutzte das ebenso wie Modezar Karl Lagerfeld, der eine markante Villa direkt vis-à-vis der terrassenförmig angelegten Tennisanlage von Monte Carlo besaß.

Ein deutscher Fahrer, der am Rennwochenende startet, hat hier sogar Heimvorteil: Mercedes-Pilot Nico Rosberg. Sein Vater Keke, der ebenfalls ein erfolgreicher Formel-1-Rennfahrer war, ließ sich hier nieder. Sohn Nico, der in Monaco aufwuchs, wurde beim Rennen im letzten Jahr Zweiter.

Dabei ist es eine Kunst, einen vor PS strotzenden Formel-1-Boliden durch einen engen, kurvenreichen Stadtkurs zu steuern. Österreichs Rennfahr-As Niki Lauda verglich das einmal scherzhaft mit einem Hubschrauber, der in einem Wohnzimmer fliegt. Es ist wohl auch weniger Sport als Show, was hier geboten wird. Und es ist ein Werbeauftritt der Stadt, wenn die Rennwagen nach dem Start unterhalb des Fürstenfelsen am Hafen Richtung Spielkasino hochfahren, dem Monaco seinen Reichtum zu verdanken hat. Dann geht es vorbei am berühmten Hôtel de Paris, das in diesem Jahr sein 150. Jubiläum feiert, und dem am Kasino-Platz gegenüberliegenden Café de Paris, wo selbst an normalen Tagen ein Cappuccino rund zehn Euro kostet.

Die Formel-1-Renner fahren jetzt vom höchsten Punkt der Strecke auf einer Einbahnstraße entgegen der üblichen Fahrtrichtung hinunter und passieren dabei am modernen Fairmont-Hotel eine nahezu 180-Grad-Haarnadelkurve. Kurz vor der Einfahrt in den etwa 200 Meter langen Tunnel unterhalb des Hotels kommen sie an einer Ecke vorbei, wo man die Bronze-Replik eines Rennwagens aufgestellt hat. Nachdem sie mit Höchstgeschwindigkeit aus dem Tunnel geschossen kommen, passieren sie eine eigens für das Rennen eingebaute Schikane. Danach geht es entlang am Hafen mit den hunderten weißen Jachten und vorbei am Schwimmbecken mit den temporär errichteten Tribünen. Unterhalb des Fürstenschlosses geht es in einer scharfen Rechtskurve wieder auf die kurze Start-Ziel-Gerade am Boulevard Albert I. Nur 3,3 Kilometer ist die Strecke lang, aber wer hier nicht voll konzentriert ist, landet in den 75 Sekunden, die zirka eine Runde dauert, in der Leitplanke.

Adèle hat sich das Rennen noch nie live angeschaut. Kein Interesse, sagt sie. Als Autofahrerin habe sie genug damit zu tun, im Schleichtempo den Berg heil herunterzukommen. „Nach dem Rennen sind hier alle wie aufgedreht“, erzählt sie, „dann rasen hier viele in Rennfahrermanier die engen Bergstraßen entlang. Man muss höllisch aufpassen.“

Ihr Wagen hat wie die meisten hier an den Seiten schon viele Schrammen abbekommen. Be­rührungen mit anderen Fahrzeugen oder Mauern sind in den kurvenreichen Straßen manchmal unvermeidlich. Es kann auch tragisch enden. Monacos frühere First Lady Grace Kelly kam 1982 in einer solchen Kurve ums Leben, als sie mit ihrem Wagen 40 Meter in die Tiefe stürzte.

Über den Ort Beausoleil fährt Adèle nach Monaco hinab. Steil über uns ragt ein über 1000 Meter hoher Gipfel der französischen Seealpen empor, unten sieht man ein großes Kreuzfahrtschiff am neuen, ins Meer hineingebauten Hafenpier anlegen. Aus Platzmangel wächst Monaco mit Wohntürmen in die Höhe und neuerdings auch ins Meer hinaus, wo man Neuland gewinnen will.

Im Sonnenschein vorm Café de Paris mit Blick aufs Kasino ge­nießt Adèle ihren teuren Cappuccino. „Morgen gehen wir in die Altstadt auf dem Felsen“, be­stimmt sie, „das Ozeanografische Museum dort ist faszinierend.“ Wenn es einen Grund gebe, nach Monaco zu kommen, ergänzt die ausgebildete Biologin, dann seien es die einzigartigen Fische in den Tiefseeaquarien des Museums. Ob sie auch Formel-1-Fans davon überzeugen kann? Harald Tews


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