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04.05.13 / Wie aus der Zeit gefallen / Spritztour auf der Romantischen Straße – Zu Besuch bei dem Feldherrn Tilly, der »Kinderlore« und dem Märchenkönig Ludwig II.

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-13 vom 04. Mai 2013

Wie aus der Zeit gefallen
Spritztour auf der Romantischen Straße – Zu Besuch bei dem Feldherrn Tilly, der »Kinderlore« und dem Märchenkönig Ludwig II.

Da lacht das Herz! Ein strahlend blauer Himmel über Würzburg und Weinbergen, so weit das Auge reicht. Bereits Goethe schätzte den Rebensaft von den Ufern des Mains, fand den Barock dieser zauberhaften Stadt jedoch zu überladen. Sei’s drum. Seit den frühen Morgenstunden sind Touristen aus aller Welt auf den Beinen, um die Kurfürstliche Residenz zu besichtigen, die nach dem Krieg buchstäblich aus Ruinen in alter Pracht neu erstand. Ein herzhafter Schoppen Wein in einer der Schänken am Flussufer und schon geht es über die Frankenhöhe mitten hinein ins idyllische Feuchtwangen.

„Ein Gang durch’s Taubertal ist ein Gang durch die deutsche Geschichte, ein Gang durch das Alte Reich“, schrieb 1865 der Kulturhistoriker Wilhelm Riehl. Heute ist die Region das Herzstück der Romantischen Straße. Majestätisch thront Rothenburg, das „fränkische Jerusalem“, über dem Tal der Tauber. Hinter der wehrhaften Stadtmauer erhebt sich die märchenhafte Kulisse aus mittelalterlichen Türmen und Zinnen. Im historischen Rathaus locken Kaisersaal und Historiengewölbe. Hauptattraktion ist der „Meistertrunk“, der zu jeder vollen Stunde zwischen 12 und 15 Uhr am Giebel der ehemaligen Trinkstube dargestellt wird. Die Legende berichtet, Bürgermeister Nusch habe die Stadt im Dreißigjährigen Krieg vor der Plünderung gerettet, indem er den Feldherrn Tilly unter den Tisch trank.

Dinkelsbühl scheint völlig aus der Zeit gefallen zu sein. Eine intakte Stadtmauer umschließt dieses Bilderbuchstädtchen, das kein Disneyland auch nur annähernd kopieren könnte. Wie es sich gehört, geht die Besichtigung rund um Münsterturm und Weinmarkt mit zwei PS im Planwagen über holperiges Kopfsteinpflaster vonstatten. Während einer Einkehr in ein gemütliches fränkisches Gasthaus erfahren wir bei Kaffee und Schneeballen, jener spritzgebackenen, zuckerbestreuten Spezialität der Region, dass Dinkelsbühl seine Unversehrtheit im Dreißigjährigen Krieg einem Musterbeispiel an Menschlichkeit zu verdanken hatte.

Eine Kinderschar, angeführt von der mutigen „Kinderlore“, trat dem marodierenden schwedischen Heer singend entgegen. Und diese Geste soll das Herz des Anführers so gerührt haben, dass er Dinkelsbühl verschonte. Ob Dichtung oder Wahrheit – dieses Rührstück kommt so gut an, dass die „Kinderzeche“ unter Mitwirkung der ganzen Stadt in jedem Sommer vor einem begeisterten internationalen Publikum aufgeführt wird.

Nächster Halt ist das quirlige, vom imposanten Schloss des Deutschritterordens beherrschte Bad Mergentheim. Ein Bummel über den Marktplatz, der durch seine um 1500 entstandene Reihe schmucker Fachwerkhäuser be­sticht, und schon sind wir wieder auf der Landstraße nach Weikersheim. Der ehemalige Sitz der Fürsten von Hohenlohe zählt zu den schönsten Renaissance­schlössern Deutschlands. Beeindruckend sind der Rittersaal mit seinen monumentalen Deckengemälden und der prachtvolle Barockgarten.

Der Weg führt weiter nach Augsburg, eine der bedeutendsten Städte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die Augusta Vindilicorum ging aus der 15 v. Chr. gegründeten römischen Militärkolonie hervor, die sich zu einer blühenden Handelsmetropole entwickelte. Synonym für den Reichtum der Stadt waren die Fugger, die es von einfachen Webern zu globalen „Finanz-Players“ der Renaissance brachten.

Den Höhepunkt seiner Macht erreichte das Haus mit Jakob Fugger, genannt der Reiche (1459– 1525), der als Bankier des Habsburger Kaisers Maximilian fungierte und sogar dem Papst Geld lieh. Mit seiner „Fuggerei“ gründete Jakob 1521 die älteste Sozialsiedlung der Welt, in der schuldlos in Not geratene Augsburger Bürger katholischen Glaubens eine Bleibe gegen geringes Entgelt fanden: Der Rheinische Gulden von Anno dazumal entspricht dem Gegenwert von 88 Eurocent, den die heutigen Bewohner jährlich entrichten müssen. Viele Augsburger Katholiken würden gern in einer der 67 schnuckeligen Wohnungen leben. Die Wartelisten sind entsprechend lang.

Szenenwechsel. Es ist früher Morgen. In der Ferne zeichnet sich bereits die Silhouette der bayerischen Alpen mit ih­ren weiß gepuderten Bergspitzen ab. Über einem schroffen Felsen schwebt gleich einer Fata Morgana Schloss Neuschwanstein. Etwas tiefer gelegen rücken direkt gegen­über die Zinnen von Schloss Hohenschwangau ins Blickfeld. Der Besuch beim „Kini“ – so nennen die Bayern liebevoll ihren Märchenkönig Ludwig II. – vollzieht sich im 30-Minuten-Takt. Mancher Besucher – darunter viele Japaner – fühlt sich von der Opulenz der Gemächer auf Neuschwanstein schier erdrückt.

Ein weiterer Superlativ in der Region ist die Wieskirche bei Steingaden, die mit ihrem korrekten Namen „Wallfahrtskirche des gegeißelten Heilands“ heißt. Ihre Entstehung verdankt sie einer Bäuerin, die weiland auf den Wangen des aus grobem Holz geschnitzten Gekreuzigten Tränen entdeckte. Rund um diese Figur entstand Mitte des 18. Jahrhunderts die ganz in Weiß und Gold gehaltene schönste Rokokokirche Deutschlands, die vor geraumer Zeit zum Unesco-Weltkulturerbe geadelt wurde.

Füssen im Allgäu an den Ufern des Lech ist die letzte Station auf der Romantischen Straße. Nach einer Besichtigung des Hohen Schlosses und einem Gang über den historischen Brotmarkt nehmen wir Abschied von Deutschlands märchenhafter Ferienstraße. Es geht zurück in Richtung Norden. Ein letzter Blick noch auf das von der Abendsonne vergoldete Schloss Neuschwanstein und die bläulich schimmernden Bergspitzen der Alpen im Hintergrund. Einfach traumhaft! Uta Buhr


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